Prantl behauptet: Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss

27. Mai 2024 um 09:12
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Viele KMU-Inhaberinnen und -Inhaber prüfen ihre Finanzlage nur einmal im Jahr. Nicht oft genug, sagt Kolumnist Urs Prantl.

Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss! Diesem Motto folgen nach wie vor viele Unternehmerinnen und Unternehmer, wenn es um den finanziellen Durchblick in ihren Unternehmen geht. So kenne ich nicht wenige KMU-Inhaber, die sich jeweils gegen Mitte des Jahres von ihren Treuhändern berichten lassen, wie das am 31. Dezember zu Ende gegangene Geschäftsjahr finanziell gelaufen ist und wie das Jahresergebnis aussieht. Meist "wissen" sie zwar (bzw. haben es im Gefühl), ob die Firma im vergangenen Jahr schwarze oder rote Zahlen geschrieben hat, mehr aber auch nicht. So kann das Ergebnis gut und gerne um einige Hunderttausend am Gefühl vorbei schrammen, ohne dass dies zu grösseren Überraschungen führt. Woran liegt das?
Technisch hat es vor allem damit zu tun, dass grosse Bilanzpositionen wie Lagerbestand, angefangene Arbeiten, Feriensaldi oder Sozialversicherungsverbindlichkeiten mit der für die Schweiz typischen BVG-Arbeitgeberreserve etc. nur jährlich einmal, nämlich zum Ende des Geschäftsjahrs korrekt abgegrenzt werden. Ein Job, der regelmässig vom Treuhänder vorgenommen wird und für den intern meist kein Know-how vorhanden ist. Die "Korrektur" dieser Positionen kann schnell mal einige Prozent EBIT-Marge bringen oder kosten, je nachdem, wie vorher gebucht wurde.

Desinteresse gefährlich und falsch

Neben der rein technischen Erklärung liegt es aber vielmehr daran, dass sich immer noch viele KMU-Inhaber gar nicht wirklich für die finanzielle Situation in ihren Firmen interessieren, solange das Bankkonto einen positiven Saldo aufweist. Was oft auch damit zu tun hat, dass das Jahresergebnis als etwas betrachtet wird, dass einem so quasi schicksalshaft "geschenkt" oder im schlechten Fall "eingebrockt" wird. Eine, wie ich meine, genauso gefährliche wie falsche Vorstellung.
Die Finanzen eines Unternehmens sind zentraler Bestandteil der Firma, sie tragen zu ihrer Sicherheit, ihrer Entwicklungs- und Zukunftsfähigkeit bei und gehören aktiv gesteuert. Wie sollen beispielsweise wichtige strategische Entscheidungen getroffen werden, wenn man sich im finanziellen Blindflug befindet? Aufgrund welcher Fakten soll entschieden werden, neue und teure Top-Spezialisten anzustellen, ein neues cooles Büro zu mieten, eine signifikante Investition in eine Markterschliessung zu tätigen oder gar eine zum Verkauf stehende Firma zu akquirieren? Solche Entscheidungen können eben nur dann mit gutem Gewissen getroffen werden, wenn man sich der aktuellen finanziellen Lage sicher ist.
Ebenso gefährlich ist es, den finanziellen Durchblick an seine Treuhänderin und eine externe Buchhaltung auszulagern. Diese haben meist nur das "korrekte" Steuerergebnis unter Ausschöpfung aller legaler Steuersparmöglichkeiten im Blick, was nicht selten massiv von der real existierenden Finanzsituation sowohl positiv wie auch negativ abweichen kann.
Was mich zur Erkenntnis führt, dass sich KMU-Unternehmerinnen und -Unternehmer entweder selbst eingehender mit den Finanzen der eigenen Firma beschäftigen sollten, oder sich dafür wenigstens einen CFO ins Haus holen sollten. Sofern sie sich einen solchen leisten können, was ihnen eben die Finanzen ihrer Firma sagen können.

Follow the Money

Für ein aussagekräftiges Finanz-Controlling braucht es im Prinzip nur zwei Hilfsmittel:
Cash-Bestand: Eine Liquiditätsplanung, die idealerweise über einen Zeitraum von rund 12 Monaten rollierend aufzeigt, wie sich der verfügbare Cash-Bestand entwickeln wird. Die Planung muss regelmässig, mindestens monatlich, auf den aktuellen Stand gebracht werden und logischerweise alle Cash-Zuflüsse und -Abflüsse umfassen. Anfänglich wird die Planung noch relativ ungenau sein, mit fortschreitender Nutzung wird sie erfahrungsgemäss immer präziser und erreicht nach ein bis zwei Jahren eine Fehlerquote von nur noch wenigen Prozenten.
Budgetierung der Erfolgsrechnung: Ein Jahresbudget ist Pflicht. Dazu gehört allerdings, dass nicht bloss die Aufwände, sondern vor allem die Erträge (nach welchem System auch immer) budgetiert werden. Mit Fortschreiten des Geschäftsjahres wird aus dem Budget step-by-step die Ist-Situation, gleichzeitig können aus der Kombination von Ist und dem noch offenen Budget eine Prognose oder mehrere Prognose-Varianten abgeleitet werden. Gerade die Prognosen sind extrem hilfreich, wenn es um grössere Investitionsentscheidungen geht.

Finanzen im Griff, alles im Griff

Der guten Ordnung halber will ich aber auch noch festhalten, dass es durchaus IT- und Software-KMU gibt, die über ihre finanzielle Situation sogar im Monatstakt im Bilde sind. Die dort Verantwortlichen geben zwar zu Protokoll, dass der Aufbau eines robusten Finanz-Controlling einiges an Aufwand brachte, wenn es aber mal lief und in Fleisch und Blut übergegangen war, dann hat es sogar Spass gemacht. So ganz nach dem Motto, "Finanzen im Griff, alles im Griff".
Eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Nur wer seinen aktuelle Finanzsituation wirklich kennt, kann spannende Opportunitäten nutzen und sein Unternehmen aktiv nach vorne entwickeln. Wer davon keine Ahnung hat, oder noch schlimmer, keine Ahnung haben will, der hat nicht selten schlaflose Nächte und wird mit seinem Unternehmen immer unterdurchschnittlich performen, sofern er überhaupt überlebt.
Urs Prantl kreiert zukunftssichere und gesund wachsende IT-Unternehmen und begleitet ihre Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Unternehmensnachfolge und beim Firmenverkauf. Gleichzeitig ist er Host des Podcasts Prantls 5A, in welchem die strategische Einzigartigkeit erfolgreicher IT-Unternehmen im Gespräch mit ihren Inhaberinnen und Inhabern im Dialog herausgeschält wird. Als Kolumnist äussert er auf inside-it.ch seine persönliche Meinung.


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