10?! Sabrina Storck, COO SAP Schweiz

2. Februar 2023 um 13:34
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Die Chief Operating Officer von SAP Schweiz erklärt, wie sich ihre Rolle als "Innenministerin" des Unternehmens wandelt und was es mit der Halbwertszeit von Ferienfotos auf sich hat.

1. Was war Ihr erster Computer und woran erinnern Sie sich speziell dabei? Mein erster Computer stand im Keller meiner Eltern – und war sozusagen "Familieneigentum". Richtig interessant wurde dieser für mich aber erst, als mir mit dem Internet plötzlich eine ganz neue Welt offenstand. Wollte man um die Jahrtausendwende ins Netz, musste man zunächst die Einwählsoftware des Modems starten und sich mit dem Internet verbinden. Speziell an dieses Geräusch beim Einwählen des 56K-Modems kann ich mich noch sehr gut erinnern.
2. Wie wird sich Ihre Rolle in den nächsten Jahren verändern? Die Rolle der Chief Operating Officer (COO) wird heute gerne umschrieben als die Innenministerin des Unternehmens. Neben der operativen Prozessgestaltung und analytischen Kompetenzen zur Steuerung des Unternehmenserfolgs fallen jedoch immer mehr die Zukunftsthemen in mein Ressort: Welche Skills brauchen unsere Mitarbeiter in der Zukunft? Wie entwickelt sich der Markt für unsere Produkte? Welche Technologietrends bestimmen die Zukunft? Wie können wir unsere Kunden dabei unterstützen, eine nachhaltige Firmenstrategie in die Tat umzusetzen? Die COO Rolle entwickelt sich zur "Chief Anticipation Officer", der Transformationsbeauftragten innerhalb der Geschäftsführung – und bleibt damit Schnittstelle zwischen vielen verschiedenen Stakeholdern.
3. Was raten Sie einer angehenden Führungskraft, der oder die Karriere machen will? Karriere ist ein vielschichtiger Begriff. Für mich war es immer wichtig, die Themen beim Namen nennen zu können, für die ich brenne und für die ich auch andere im Unternehmen begeistern will. So konnte ich Chancen für eine neue berufliche Herausforderung frühzeitig erkennen und auch konsequent nutzen – davon haben zunehmend auch die Teams profitiert, mit denen ich dann arbeiten durfte. Um authentisch zu führen, braucht es ein hohes Mass an Empathie und Vertrauen in die Stärke von Teams. Dies entwickelt sich durch konsequentes Teamplay – denn die Zeiten egoistischer Führungskräfte und hierarchischer Organisationsmodelle sind hoffentlich Geschichte.
4. Was konnten Sie erst in Ihrer aktuellen Position über Informatik lernen und nicht vorher? In meiner heutigen Rolle nehme ich die ICT-Branche, vor allem den ICT-Fachkräftemangel, ganz anders wahr als früher. Jetzt sehe ich das aus Arbeitgebersicht, und auch aus Sicht unserer Kunden und Partner. Wir alle haben es schwer, Fachkräfte zu rekrutieren, denn unser Bedarf übersteigt stark die Erwartungen der Bildungsbedarfsprognosen der letzten Jahre. Um dem entgegenzuwirken, müssen Unternehmen aller Branchen Verantwortung für ausreichend ICT-Nachwuchs übernehmen – und auch neue Wege gehen. Dass wir bei SAP z. B. im Rahmen des Projekts Change Makers 3.0 Menschen mit Fluchterfahrung zu zukünftigen SAP-Consultants ausbilden oder uns für Women-in-Tech starkmachen, finde ich wichtig.
5. Hat Technologie etwas abgeschafft, das Sie vermissen? Grundsätzlich finde ich neue Technologien spannend, weil sie unseren Alltag bereichern und uns Monotones abnehmen, sodass mehr Zeit fürs Miteinander bleibt. Was ich aber wirklich vermisse, sind handgeschriebene Postkarten – auch diese, die erst lange nach der Urlaubsreise beim Empfänger eintrafen. In Zeiten von Social Media und Whatsapp landet das Urlaubsfoto nun zwar in Echtzeit beim Empfänger, hat aber meist eine recht kurze Halbwertszeit.
6. Wird es im Laufe der Karriere einfacher oder schwerer, sich für Technologie-Versprechungen zu begeistern? Im Laufe meiner Karriere konnte ich so einige Implementierungsprojekte begleiten, war selbst in der Leitung einer Geschäftseinheit, die den Einsatz neuer Technologien wie Robotic Process Automation oder Integrated Business Planning im Vertriebsumfeld testen durfte. Und es bleibt für mich immer wieder aufs Neue sehr spannend, neue Technologietrends zu evaluieren, kreativ mit Kunden und Partnern zu diskutieren, welche Einsatzmöglichkeiten diese im Unternehmen haben könnten und daraus konkrete Use-Cases zu definieren. Für mich wurde es eher einfacher, den Technologieversprechen auch den nötigen Vertrauensvorschuss zu spendieren.
7. Welche Technologie wird in den nächsten 5 Jahren Ihrer Meinung nach den grössten Einfluss haben? Und warum? Cloudlösungen in Kombination mit KI zu nutzen, wird in den nächsten 5 Jahren grosse Fortschritte im Bereich Data Analytics und Automatisierung ermöglichen. KI und Machine Learning können das Process Mining entscheidend voranbringen. Das automatische Auffinden von Anomalien in Unternehmensprozessen ist zum Beispiel ein interessantes Szenario. Wegen der Möglichkeit, damit die Effizienz in Prozessen zu verbessern, bleibt auch Robotic Process Automation (RPA) weiterhin eine interessante Technologie für mich. Das Schöne an beidem ist: Diese Technologien sind heute recht einfach zu nutzen. Dadurch sinkt die Hemmschwelle zur Modernisierung, neue Türen werden aufgestossen. Dies dient Unternehmen dazu, Initiativen zur Automatisierung von Geschäftsprozessen und ihre Pläne zur digitalen Transformation zu beschleunigen und die betriebliche Effizienz zu verbessern.
8. Gibt es einen Ansatz im Moment, den Sie für total überschätzt halten? Gemeinsam mit unserem SAP Future Hub Team diskutieren wir gerade intensiv die Möglichkeiten, die das Metaverse für unsere Kunden und auch für uns als SAP bietet. Einige Anwendungsbeispiele finde ich hervorragend, wie z. B. als Kollaborationsplattform für hybride Teams, fürs Recruiting- und Onboarding von neuen Mitarbeitenden oder für virtuelle Kundenerlebnisse. Andere sehe ich momentan noch skeptischer. Aber genau dieser, zum Teil auch kritische Diskurs zu neuen Technologien macht für mich den Charme aus. Und auch hier gilt es, möglichst diverse Perspektiven zu hören und gemeinsam Ideen zu generieren, um am Ende zu einem Produkt zu gelangen, dass einen echten gesellschaftlichen Mehrwert generiert.
9. Was vermissen Sie in den aktuellen Diskussionen rund um Digitalisierung? In den aktuellen Diskussionen um Digitalisierung wird sicher viel über Risiken & Sicherheit gesprochen – dabei birgt Technologie grosse Chancen für den Menschen. Gerade im öffentlichen Bereich darf vieles noch nicht eingesetzt werden, was den Bürgern nutzen würde. Hier vermisse ich einen klaren Masterplan zur Digitalisierung – auch die Technologiebranche wünscht sich smarte Regularien, die die Anwendung digitaler Lösungen erleichtern und so ein klares Rahmenwerk schaffen. Dieselbe Sicherheit brauchen wir im Umgang mit Daten. Erst dann kann es zu einer echten Vernetzung kommen, wo wir Problemstellungen grenzen übergreifend angehen können.
10. Was haben Sie persönlich aus der Corona-Krise gelernt? Die Corona-Krise hat mir wie keine andere Krise wieder einmal gezeigt, wie resilient wir als Weltbevölkerung sind – und gerade im unternehmerischen Umfeld gab es einen regelrechten Innovationsschub. Neue Geschäftsmodelle oder sogar ganz neue Unternehmen sind entstanden, andere haben sich sehr agil weiterentwickelt. Das beweist doch, dass Innovationskultur auch wesentlich durch die Inspiration von aussen beeinflusst wird. Diese Inspiration von aussen nun auch kontinuierlich in meinen Arbeitsalltag einfliessen zu lassen, habe ich mir beibehalten.

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