Wir leben in einer digitalisierten Welt. Tagtäglich generieren wir Unmengen an Daten. Diesem Umstand kann man sich – wenn überhaupt – nur mit grossem Aufwand entziehen.
Es gibt zwischen Daten, die wir selbst erfassen und solchen, die jemand anderes über uns erhebt, einen wichtigen Unterschied. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Daten, die jemand anderes über uns erhebt. Diese werden in der Regel für einen bestimmten Zweck erhoben, beispielsweise für die Nutzung von Produkten oder Dienstleistungen.
Die Herausforderung der Sekundärnutzung von Daten
Ein Aspekt kommt bei dieser Betrachtung allerdings zu kurz: Uns betreffende Daten könnten über den ursprünglichen Erhebungskontext hinaus auch für beliebig viele weitere Zwecke genutzt werden – eben durch die sogenannte Sekundärnutzung. Dies in vielerlei Hinsicht:
Als betroffenes Subjekt könnte ich anhand dieser Daten neue Erkenntnisse über mich und meine Umwelt gewinnen sowie mein Leben datenbasiert und effektiver planen. Ich könnte meine Daten anderen Unternehmen anbieten und im Gegenzug von besseren Angeboten profitieren. Meine Wohngemeinde könnte damit effektiver neue Verkehrswege planen und die Forschung könnte aufbauend darauf neue Erkenntnisse generieren.
Möglichkeiten zur Sekundärnutzung sind spärlich
Für alle diese Punkte gibt es in unterschiedlichen Bereichen bereits einige spannende Beispiele. Und trotzdem scheint die Entwicklung nicht recht in die Gänge zu kommen. Die Möglichkeiten unsere Daten unter vertrauenswürdigen Bedingungen selbstbestimmt mit Unternehmen, Forschungsinstitutionen in der Schweiz oder mit Bund, Kantonen und Gemeinden zu teilen, sind bislang spärlich. Die Daten verbleiben meist in den Silos der jeweiligen Firmen und Organisationen.
Eine wesentliche Ursache dafür ist, dass wir als Datensubjekte keinen effektiven Zugang zu solchen uns betreffenden Daten erhalten und sie sich somit unserer Kontrolle entziehen. Zwar können wir diese wie erwähnt beantragen oder in unterschiedlichen Formaten herunterladen.
Bitsabout.me und
Hestia Labs sind schöne Beispiele, was sich heute bereits machen lässt.
Solche Dumps lassen sich jedoch nur beschränkt verwerten und für die Einzelnen resultiert daraus wenig Mehrwert. Es fehlen standardisierte Datenmodelle und Programmierschnittstellen sowie die Verpflichtung, Daten in entsprechender Form automatisiert zur Verfügung zu stellen. Ohne solche bleibt uns die Kontrolle über die Nutzung unserer Daten
noch lange verwehrt. Ein
Rahmengesetz für die Sekundärnutzung von Daten könnte hier Impulse setzen.
Auf der Suche nach einem zentralisierten und selbstbestimmten Zugang
Der unzureichende Zugang zu den Daten, die meine Person betreffen, lässt sich am einfachsten am Gesundheitsbereich illustrieren. Daten, die meine Gesundheit betreffen, werden an unterschiedlichsten Stellen erhoben und verwaltet: Arztpraxen, Spitäler, Apotheken, Krankenversicherer oder Krankheitsregister. Damit ich selbstbestimmt gesundheitsfördernde Massnahmen basierend auf meinen persönlichen Gesundheitsdaten ergreifen kann, müssen diese irgendwo zentral und nur für mich zugänglich zusammengeführt werden. Sich einen Überblick darüber zu verschaffen, ist heute praktisch unmöglich. Ein Grund dafür ist die uneinheitliche Art, wie Daten erhoben werden.
Das elektronische Patientendossier ist ein gutgemeinter und kostspieliger Versuch, die aktuelle Situation zu verbessern. Allerdings besteht bereits im Eröffnungsprozess ein grosses Hemmnis und die Hoffnung, mir damit eine Übersicht über sämtliche Gesundheitsdaten verschaffen zu können, bleiben wohl unerfüllt.
Midata ist ein anderer Ansatz, der die Kontrolle der Bürgerinnen und Bürger über ihr persönlichen Daten ins Zentrum stellt. Allerdings scheint das Projekt nicht ins Rollen zu kommen. Eine wesentliche Herausforderung dabei ist wohl die Finanzierung.
Das Individuum im Zentrum
Die gemachten Überlegungen gelten nicht nur für die Gesundheit, sondern für viele weitere Bereiche wie Mobilität, Energie und viele mehr. Je nach Anwendungsbereich gibt es unterschiedliche Herausforderungen. Gemeinsam haben diese, dass wir überall noch ziemlich am Anfang stehen und es mehr Anstrengungen braucht.
Wir als Individuen sollten im Zentrum der Überlegungen stehen, wenn es darum geht, unsere Daten besser zu nutzen. Dafür brauchen wir effektiven Zugriff auf die uns betreffenden Daten, beispielsweise über ein Bürgerdatenkonto. Die grosse Frage ist aber, wer initiiert das in welchem Bereich und übernimmt den Lead, orchestriert die Entwicklungen und vor allem wer übernimmt die Finanzierung entsprechender Strukturen?
In unserem Factsheet "
Daten selbstbestimmt teilen" (hier als
PDF) finden sich Empfehlungen dazu, wie die Zweitnutzung von Daten in der Schweiz verbessert werden kann. Es wurde in Zusammenarbeit mit der Swiss Data Alliance, der Berner Fachhochschule und weiteren Organisation unter Mitwirkung zahlreicher Fachpersonen erarbeitet. Es wird gemeinsame Anstrengungen aller Akteure benötigen und das Individuum sollte dabei im Zentrum der Überlegungen stehen.
Über den Autor
Manuel Kugler studierte Materialwissenschaften an der ETH Zürich. Nach seinem Masterabschluss blieb er bei der Hochschule und der Micro- and Nanosystems-Group angestellt und arbeitete während 7 Jahren für das Spin-off greenTEG an der Produkt- und Prozessentwicklung für die Herstellung thermoelektrischer Sensoren. Seit 2016 ist er bei der SATW für die beiden Schwerpunkte Advanced Manufacturing und Künstliche Intelligenz zuständig. In diesem Rahmen ist er bei der SATW hauptverantwortlich für das Projekt "Digitale Selbstbestimmung" und weitere Aktivitäten in diesem Bereich.
Zu dieser Kolumne:
SATW insights: Unter diesem Titel berichten Mitglieder der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW regelmässig für unsere Leserinnen und Leser über relevante, aktuelle Schweizer Technologie-Fragen. Die Meinung der Autoren muss sich nicht mit derjenigen von inside-it.ch decken.