Heute ist KI in irgendeiner Form in den meisten Unternehmen im Einsatz. Teilweise werden die Anwendungen von der IT bereitgestellt, in anderen Fällen nutzen Mitarbeitende die Technologie für ihre spezifischen Arbeitsbereiche. Für den Chief Customer Officer von Servicenow, Chris Bedi, hat KI noch grosses Potenzial, die Geschäfte von Unternehmen zu befördern. Im Interview erklärt er, warum die Zeit für Experimente vorbei ist und welche Grenzen er bei der Technologie sieht.
Sie sind zehn Jahre bei Servicenow. Neu hat sich das Unternehmen der KI verschrieben. Wie unterscheidet sich Ihre Definition von KI von derjenigen von Servicenow?
Meine Definition unterscheidet sich nicht von derjenigen von Servicenow. Der simple Grund ist, dass ich an der KI-Definition von Servicenow mitgewirkt habe. KI hat aus meiner Sicht drei Ausprägungen: maschinelles Lernen, generative KI und KI-Agenten. Diese müssen alle drei auf einer Plattform vereint sein, denn nur so kann jedes Geschäftsproblem und jede Opportunität adressiert werden.
Schön geworben. Warum eine einzige Plattform?
Je länger, je mehr sehe ich, dass Kundinnen und Kunden eine Maturität bei ihren KI-Anwendungen erreichen. 2023 markierte den Beginn, 2024 war ein Jahr des Experimentierens. 2025 ist das Jahr der Skalierung. Skalierung funktioniert allerdings nicht, wenn ich 20 verschiedene Technologien auf 20 verschiedenen Plattformen ausprobiere.
2025 wählen Unternehmen eine Plattform, auf der sie ihre KI-Strategie erstens umsetzen und zweitens skalieren können. Drittens muss die Plattform das Risikomanagement adressieren. Dabei geht es sowohl um Cyber- als auch Geschäftsrisiken, Stichwort: IP.
Danke für das Stichwort. Wie stellt Servicenow sicher, dass KIs nur genau diejenigen Daten nutzen kann, die sie verwenden darf?
Das ist zunächst eine Frage der Datenresidenz. Unsere Rechenzentrumsstrategie spiegelt seit langem wider, was unsere Kundinnen und Kunden wollen: Wir haben Rechenzentren in der Schweiz, in Europa und in allen regulierten Märkten auf der ganzen Welt, um unsere Kundinnen und Kunden dort zu bedienen, wo sie lokalisiert und reguliert sind.
Aber zu Ihrem Punkt der KI: Wir freuen uns, wenn die Kundinnen und Kunden unsere KI verwenden möchten. Allenfalls möchten sie auch einen Drittanbieter wie ChatGPT oder Gemini verwenden. Oder sie möchten ihre eigenen KI-Modelle einbringen. Wir können alle in unsere Plattform einbinden und bieten dann eine konsistente Benutzererfahrung und Automatisierungsfunktionen.
Mit dem AI Control Tower gewährleisten wir einen übergreifenden Datenschutz. Denn die Fragen, die ein Risikobeauftragter beantworten muss, lauten: Welche KI-Modelle werden ausgeführt? Wie viele Agenten sind im Einsatz? Welche Entscheidungen hat die KI heute getroffen? Welche autonomen Massnahmen haben sie ergriffen? Hat sich die Wirksamkeit des Modells seit dem ersten Einsatz verändert? Und: Wie kontrollieren sie es jetzt? Diese und weitere Antworten liefert der AI Control Tower.
Sie erwähnten KI-Agenten und die Offenheit der Plattform. Braucht es massgeschneiderte KI-Agenten für Servicenow?
Nein, wir haben die Plattform so aufgebaut, dass sie mit jedem Agenten integriert werden kann, und wir kooperieren mit vielen Technologieunternehmen. Das fordern unsere Kundinnen und Kunden ein.
Ferner haben wir Partner, die bereits Agenten auf unserer Plattform entwickeln und sie in unserem App Store zur Verfügung stellen, damit unsere Kundinnen und Kunden sie nutzen können. Schliesslich stellen wir unseren Kunden die Workflow Data Fabric bereit, mit der sie eigene Agenten erstellen können.
Welche Probleme konnte KI bis anhin noch nicht lösen?
Das ist eine gute Frage. Im Unternehmenskontext bin ich noch nicht auf ein Problem gestossen, das die KI nicht lösen konnte. Wenn es Schwierigkeiten gab, waren es meistens Herausforderungen mit verfügbaren Daten oder der fehlenden Integration.
An vielen Orten geht es nicht mehr um die Frage nach der Praktikabilität. Die Führungskräfte, mit denen ich spreche, überlegen sich hauptsächlich, wie sie ihre Abteilung, ihre Funktion, ihren Job weiterentwickeln und mehr KI einsetzen können.
Unter den Angestellten geht wegen KI die Angst um ihren Arbeitsplatz um.
Wir glauben an die Technologie im Dienst der Menschen. KI gibt den Mitarbeitenden mehr Zeit, um interessantere Dinge zu tun, zum Beispiel ihre Kunden besser zu bedienen. Jedoch würde wohl niemand in irgendeiner Organisation jemals sagen, dass sie genug Leute haben. um die Arbeit zu erledigen. In welchem Ausmass KI tatsächlich eingesetzt wird, liegt letztendlich in der Verantwortung der Führungskräfte. Denn am Ende entscheidet immer der Mensch.
Zur Person
Chris Bedi ist Chief Customer Officer von Servicenow. Zwischen 2015 und 2024 amtete er als Chief Digital Information Officer des Anbieters. Er wechselte von JDS Uniphase, wo er als CIO tätig war. Bis 2011 hatte er verschiedene Führungspositionen bei Verisign inne. Bedi begann seine Karriere bei KPMG. Er hat einen Abschluss in Computertechnik von der University of Michigan.
Interessenbindung: Das Interview fand im Rahmen der "Knowledge" in Las Vegas statt. Der Autor wurde von Servicenow zur Konferenz eingeladen (Flug, Hotel).