Soko Maier: Wer die Wahl hat, hat die Qual!

27. Juni 2024 um 07:00
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Elisabeth Maier schreibt in ihrer Kolumne, was es bei der Auswahl von KI-Dienstleistern zu beachten gilt und weshalb konkrete Use Cases dabei besonders wichtig sind.

In meinen vorherigen Kolumnen zum Thema Künstliche Intelligenz habe ich stets zur Besonnenheit auf­ge­rufen. Erstmal die eigenen Bedürfnisse hinterfragen. Und dann genau definieren, mit welchem Technologiepartner (inhouse oder extern) “nutzenmaximierende” Optionen erarbeitet und umgesetzt werden sollen. Und damit sind wir auch schon beim heutigen Thema: Was macht eigentlich einen guten KI Anbieter aus?

KI ist "sexy"

Mit steigendem Kostendruck und anhaltendem Mangel an qualifizierten Fachkräften suchen Firmen verstärkt nach Digitalisierungslösungen. KI wird stets als Lösung ins Feld geführt. Zudem gelten Firmen ohne KI-Projekte in der Pipeline als "old school", ineffizient und unattraktiv. Dies erhöht den Druck umso mehr, KI-Lösungen umzusetzen.
Aus diesem Kontext heraus höre ich in der Praxis immer wieder Aussagen wie "Wir würden gerne mal irgendwas mit KI machen. Wir haben jede Menge Daten. In den Daten müsste man doch gute Sachen finden." Oder: "Wir haben für dieses Jahr ein Budget für KI und wollten mal ein bisschen rumprobieren. Ich würde gerne mal einen Prototyp bauen." Und nicht zu vergessen, der Klassiker: "Wir wurden von einem KI-Anbieter kontaktiert, der hat ein ziemlich mächtiges KI-Produkt. Unsere Mitarbeiter haben mal damit rumgespielt und finden es cool."
Ich könnte noch einige weitere Beispiele aufführen. Aber auch so werden die wesentlichen Problemfelder bereits ersichtlich:
  • Unternehmen fehlt es oft an konkreten Business Cases, die sie mit KI lösen wollen.
  • Unternehmen mangelt es an Know-how zur Beurteilung, ob ein Problem mittels KI gelöst werden kann.
  • Unternehmen haben keine klare Vorstellung, ob die Voraussetzungen für die Durchführung von KI-Projekten gegeben sind.
  • Es wird angenommen, dass ein KI-Anbieter mit einem KI-Produkt und einem KI-Portfolio schnell einen Nutzen generieren kann.
Ich stelle mir dann jedes Mal die Frage, warum die Prinzipien der Software­ent­wick­lung so konsequent missachtet werden.
Ja, sie lesen richtig! Auch KI-Projekte sind Softwareprojekte! Und vor dem Start eines solchen Projekts sollten einige Punkte geklärt sein. Hierzu zählen elementare Dinge wie die Beantwortung der Frage "Welches Problem soll gelöst werden und warum?" Oder aber auch die Abklärung des benötigten Know-hows bei allen Parteien. Sind Daten in ausreichender Menge und Qualität vorhanden? Ohne diese Definitionen riskiert jedes Softwareprojekt (und somit auch jedes KI-Projekt) ein teurer Flop zu werden.

Kein KI-Projekt ohne Business Case!

Aber wie können Sie geeignete Business Cases in Ihrer Organisation identifizieren? Nun, das ist eigentlich gar nicht so schwer. Klopfen Sie Ihre Organisation zum Beispiel auf folgende Punkte ab:
  • Schlagen sich bei Ihnen hochqualifizierte Mitarbeitende mit monotonen, sich wiederholenden Aufgaben rum? Führt das zu mangelnder Motivation und allenfalls zu Fehlern oder Verzögerungen? Warum schaffen Sie keine Freiräume für diese Mitarbeitenden? Stichwort: Job Enrichment!
  • Leiden Ihre Mitarbeitenden unter einem erhöhten Stresslevel aufgrund von Fachkräftemangel? Können Sie bisher manuell ausgeführte Prozesse auto­ma­ti­sieren? Stichwort: Erhöhung der Arbeitszufriedenheit!
  • Können Sie in Ihrer Organisation Arbeitsprozesse durch Automation be­schleu­ni­gen? Bestens geeignet sind zum Beispiel Prozesse im Zusammen­hang mit der Suche nach Informationen in internen und externen Wissens­quellen. Stichworte: Ressourceneinsparung und Wettbewerbsfähigkeit!
Wenn Sie solchen Spuren folgen, stossen Sie rasch auf Business Cases, deren Nutzen sich für Sie quantifizieren lässt und damit eine Priorisierung erlaubt.

Hürden, Zweifel und kritische Fragen

Der Erfolg von KI-Projekten hängt entscheidend von zwei weiteren Faktoren ab: der Verfügbarkeit von Daten und von Change-Management-Kompetenzen.
Ziemlich offensichtlich ist, dass für ein KI-Projekt quantitativ und qualitativ ausreichende Daten unabdingbar sind. Dabei kommt es nicht nur auf die Datenmenge an, sondern vielmehr darauf, dass die Daten für den Business Case repräsentativ sind. In diesem Zusammenhang gibt es auch noch Spezialthemen wie die korrekte Behandlung sensitiver Daten entsprechend den gültigen Datenschutzgesetzen oder auch firmen- und branchenspezifische Compliance-Richtlinien.
Weniger offensichtlich, aber bei Weitem nicht weniger wichtig, sind vor­han­de­ne Change-Management-Kompetenzen und die Definition entsprechender Massnahmen. Mit der Einführung von KI-gestützten Verfahren verändern sich die Arbeitsabläufe Ihrer Mitarbeitenden wesentlich. Ohne entsprechende Prozesse besteht schnell das Risiko fehlender Akzeptanz, was schlimmstenfalls zum Scheitern eines Projekts führen kann.

Wie Sie den richtigen KI-Partner finden

Der Markt für Künstliche Intelligenz hat sich in den letzten zwei Jahren fundamental verändert. Unzählige Startups bieten innovative Lösungen an, etablierte IT- und Software-Unternehmen haben ihren Technologie-Stack um KI erweitert, Firmen aus verwandten Branchen generieren mit KI-Tools neue Serviceangebote. Kurzum: Die Auswahl des richtigen Partners ist ziemlich schwierig. Aber vielleicht helfen Ihnen die folgenden Überlegungen bei Ihrer Suche:

Etabliertes Produkt oder Individuallösung?

Für viele Anwendungsfälle gibt es bereits die passenden Produkte. Ich denke hier zum Beispiel an Rechnungsstellung und -abwicklung oder Kunden- und Portfolio-Management im Verkauf. Haben Sie jedoch spezifische oder untypische Anforderungen an ein Produkt, benötigen Sie womöglich eine massgeschneiderte Lösung. Aus meiner Erfahrung heraus ist die Entwicklung einer Individuallösung einfacher und schneller als die Anpassung eines bestehenden Produkts.

Generative KI oder breite KI-Lösungskompetenz?

Wie ich bereits in einer früheren Ausgabe dieser Kolumne geschrieben habe, ist KI mehr als ChatGPT. Für Anwendungsfälle mit einem hohen Bedarf an Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Verarbeitungsresultate empfehlen sich andere Methoden wie prädikative KI oder sogar regelbasierte Ansätze. Je nach Anwendungsfall sollte Ihr Partner entsprechendes Know-how nachweisen können.

Brandneu oder altbewährt?

Nicht immer liefern die neuesten KI-Paradigmen die beste Lösung für ein Problem. Wenn zum Beispiel für einen Use Case keine ausreichende Menge an repräsentativen Daten zur Verfügung steht, können regelbasierte Ansätze oder Regular Expressions die richtige Wahl sein. Kann Ihr Anbieter mit diesen Ansätzen aus der Anfangszeit der KI umgehen?

Darf es auch ein bisschen mehr sein?

Was bringt Ihnen die beste KI-Lösung, wenn diese nicht zu Ihrer IT-Umgebung passt? Oder wenn Sie diese gar nicht selbst betreiben, geschweige denn warten können? Je nach Anwendungsfall sollte der passende Anbieter über ein breites IT-Knowhow verfügen. Ich denke da insbesondere an Kenntnisse von und Erfahrungen mit Enterprise-Technologie-Stacks, Erfahrungen mit Integration in komplexe IT-Umgebungen, Betriebsaspekte und so weiter.

Einsamer Wolf oder Community?

Als letzten Punkt möchte ich noch die Community-Verbundenheit eines KI-Anbieters in den Fokus rücken. Natürlich ist die Community nicht die einzige Quelle von umfassendem KI-Know-how. Aber vielleicht ist es Ihnen wichtig, dass ein Anbieter offen für neue Technologien und Ansätze ist. Diese werden in der Regel auf Tech-Events diskutiert. Für mich war das immer ein Kriterium bei der Auswahl eines IT-Partners.

Für jeden Topf gibt es den passenden Deckel

Die Auswahl des richtigen KI-Partners ist nicht einfach. Sie können die Suche jedoch objektiver und damit einfacher gestalten, indem sie die elementaren Bestandteile eines jeden Software-Projekts beachten. Das grundlegende Element ist immer der Business Case. Je besser Sie diesen für sich selbst formulieren können, desto einfacher finden Sie auch den passenden Anbieter für Ihre Lösung.
Was ist Ihnen bei der Auswahl des Umsetzungspartners wichtig? Oder haben Sie bereits Erfahrungen gesammelt, die ich nicht beleuchtet habe? Dann nutzen Sie gerne die Kommentarfunktion und teilen Ihr Wissen.
Soko Maier ist die Software-Kolumne von inside-it.ch. Hier schreibt Karakun-CEO Elisabeth Maier regelmässig über Themen rund um Software und Programmiersprachen.

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