Swisscom ändert Herausgabepraxis bei E-Mails

6. Februar 2023 um 11:23
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Wenn Staatsanwälte von Swisscom die Herausgabe von E-Mails verlangen, sollen Betroffene sich besser wehren können.

Staatsanwälte können in der Schweiz ohne richterliche Bewilligung auf E-Mails von Verdächtigen zugreifen. Diese können sich zwar mit einem Antrag auf "Siegelung" wehren, aber bisher erst im Nachhinein. Swisscom ändert nun die Praxis und will die Siegelung von sich aus prüfen.
Swisscom-Sprecher Sepp Huber bestätigte gegenüber 'Keystone-SDA' einen Bericht der 'NZZ am Sonntag'. Mit dem Schritt wolle der Telekomanbieter die Rechte der Kunden besser schützen. E-Mail-Anbieter sind als Inhaber der Konten zu einem Antrag auf Siegelung berechtigt. In einem solchen Fall dürfen die Staatsanwälte die versiegelten Inhalte nicht verwenden, es sei denn, ein Zwangsmassnahmengericht entscheidet anders.
Wie viele staatsanwaltschaftliche Verfügungen zur Überstellung des E-Mail-Verkehrs die Swisscom erfüllt, wollte Huber nicht sagen. Die Branche geht gemäss der Zeitung von weniger als einem Dutzend Fällen pro Jahr aus.

Kritik vom Rechtsexperten

Der ehemalige Bundesrichter und Anwalt Niklaus Oberholzer übte an der aktuellen Herausgabepraxis für E-Mails deutliche Kritik. Für ihn ergebe es keinen Sinn, dass die Justiz ohne richterlichen Beschluss auf E-Mails zugreifen kann, sagte er der 'NZZ am Sonntag'.
Verglichen mit einer Telefonüberwachung seien die Hürden tief. Beim Überwachen eines Telefons brauche es praktisch für alles eine richterliche Genehmigung.
Das Problem ist, dass Betroffene erst nach der Herausgabe der Daten an die Staatsanwaltschaft eine Siegelung verlangen können. Oft erfolgt die Information durch die Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig. Versiegeltes bleibt für eine Auswertung durch die Staatsanwaltschaft bis zu einer eventuellen Aufhebung durch das Zwangsmassnahmengericht gesperrt.
Das Parlament hat das Problem der zu grossen Macht der Staatsanwälte auch bereits erkannt. Die kürzliche Revision der Strafprozessordnung regelt das Siegelungsverfahren neu: Sobald Staatsanwälte von einer Bank oder einem Telekomanbieter Daten erhalten, müssen sie die Betroffenen aktiv auf das Siegelungsrecht hinweisen. Die neue Strafprozessordnung tritt aber voraussichtlich erst Anfang 2024 in Kraft.

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