Wende im Justizdrama um Wikileaks-Gründer

25. Juni 2024 um 07:10
letzte Aktualisierung: 25. Juni 2024 um 15:31
image
Julian Assange im Flugzeug. Quelle: Wikileaks

Nach langen Verhandlungen mit dem US-Justizministerium wird sich Julian Assange offenbar teilweise schuldig bekennen. Das würde ihm nach Jahren in einem britischen Gefängnis die Freilassung er­mög­li­chen.

Im jahrelangen rechtlichen Gezerre um den Wikileaks-Gründer Julian Assange gibt es eine überraschende Wende. Nach fünf Jahren Haft in London kam Assange nach Angaben von Wikileaks – unbemerkt von der Öffentlichkeit – aus dem Gefängnis frei und reiste aus Grossbritannien aus.
Das Portal veröffentlichte in der Nacht zum Dienstag ein Video, das zeigen soll, wie der 52-Jährige am Londoner Flughafen Stansted ein Flugzeug besteigt. Eine offizielle Bestätigung der britischen Behörden lag zunächst nicht vor. Hintergrund ist ein juristischer Deal zwischen Assange und der US-Justiz, die zuvor auf eine Auslieferung des Australiers in die Vereinigten Staaten gepocht hatte, davon nun aber absehen will.

Der Deal mit den USA

Assange handelte mit dem US-Justizministerium eine Vereinbarung aus, wonach er sich in dem Spionageskandal teilweise schuldig bekennen will und ihm im Gegenzug eine weitere Haft in den USA erspart bleibt, wie aus Gerichtsdokumenten hervorgeht.
Ein Gericht muss die Einigung allerdings noch absegnen. Assange soll dazu bereits am Mittwoch, 25. Juni (Ortszeit) vor einem Gericht in einem entlegenen US-Aussengebiet erscheinen: auf den Marianeninseln.
Die Inselgruppe liegt im Westpazifik, nördlich von Assanges Heimat Australien, und steht unter Hoheitsgewalt der USA. In einem Brief des US-Justizministeriums heisst es, der Ort sei gewählt worden, da Assange nicht in die Vereinigten Staaten habe reisen wollen und die Inselgruppe nahe an Australien liege. Es werde erwartet, dass sich Assange bei dem Gerichtstermin am Mittwoch der Verschwörung zur unrechtmässigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig bekennen werde. Im Anschluss solle er nach Australien weiterreisen.
US-Medien zufolge soll Assange zu gut fünf Jahren Haft verurteilt werden, die er aber bereits in Grossbritannien verbüsst hat. Demnach wäre er in Kürze ein freier Mann.
Die Ehefrau von Assange erklärte, dass ihr Mann den US-Präsidenten um Begnadigung bitten werde, nachdem er sich bereit erklärt hat, eine Anklage nach dem US-Spionagegesetz zu akzeptieren. "Die Tatsache, dass er sich im Rahmen des Spionagegesetzes der Beschaffung und Weitergabe von Informationen zur Landesverteidigung schuldig bekannt hat, ist für Journalistinnen und Journalisten, die sich mit der nationalen Sicherheit befassen, natürlich eine sehr ernste Angelegenheit", so Stella Assange gegenüber 'Reuters'.

Die Vorwürfe gegen Assange

Die USA hatten bisher Assanges Auslieferung verlangt. Sie werfen ihm vor, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben.
Assanges Unterstützer sehen ihn hingegen wegen des Aufdeckens von US-Kriegsverbrechen im Visier der Justiz aus Washington. Bei einer Verurteilung ohne Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft könnten Assange wegen Spionage bis zu 175 Jahre Haft drohen.
Während US-Präsident Joe Biden dem Wikileaks-Gründer entgegengekommen ist, finden andere US-Politiker harte Worte. Der ehemalige Vizepräsident Mike Pence bezeichnete die Einigung mit Julian Assange als "Justizirrtum, der den Dienst und die Opferbereitschaft der Männer und Frauen unserer Streitkräfte und ihrer Familien entehrt".

Die Odyssee des Wikileaks-Gründers

Wikileaks schrieb auf X, es habe lange Verhandlungen mit dem US-Justizministerium gegeben. Die erreichte Einigung sei aber noch nicht finalisiert. Nach mehr als fünf Jahren "in einer zwei mal drei Meter grossen Zelle, in der er 23 Stunden am Tag isoliert war" werde Assange aber bald wieder mit seiner Frau Stella Assange und den beiden gemeinsamen Kindern vereint werden, "die ihren Vater bislang nur hinter Gittern kennen".
Assange hatte vor etwa fünf Jahren seine Haft im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London angetreten. Vor seiner Festnahme im April 2019 hatte er sich sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen. Diese hatten ihn zunächst wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden ins Visier genommen. Diese Anschuldigungen wurden später jedoch aus Mangel an Beweisen fallen gelassen.
Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände, Kunstschaffende sowie Politikerinnen und Politiker fordern seit langem Assanges sofortige Freilassung. Auch die australische Regierung hatte sich für die Freilassung ihres Staatsbürgers eingesetzt. Assange hatte zuletzt in Grossbritannien Berufung gegen seine Auslieferung in die USA eingelegt. Eigentlich sollte darüber im Juli vor dem High Court in London verhandelt werden. Dieser hatte einem entsprechenden Antrag Assanges im Mai teilweise stattgegeben und damit eine unmittelbare Überstellung des 52-Jährigen an die USA abgewendet.

Die "neue Phase der Freiheit"

Stella Assange rief Unterstützer zu Hilfe für ihren Mann nach seiner Freilassung auf. "Wir beabsichtigen, einen Notfallfonds einzurichten für Julians Gesundheit und Genesung", sagte sie in dem auf Youtube veröffentlichten Videoclip. Assanges Team hatte zuletzt wiederholt gewarnt, der Gesundheitszustand des Wikileaks-Gründers sei schlecht. An Gerichtsterminen nahm er deshalb nicht persönlich teil.
"Ich bitte Euch, wenn Ihr könnt, einen Beitrag zu leisten und uns beim Übergang in diese neue Phase der Freiheit von Julian zu helfen", sagte Stella Assange weiter. Das Video wurde den Angaben zufolge am 19. Juni aufgezeichnet. Wikileaks-Chef Kristinn Hrafnsson sagte darin: "Wenn Ihr dies seht, heisst das, dass er draussen ist."

Loading

Mehr zum Thema

image

Stadt Zürich sichert sich Microsoft-Lizenzen für über 100 Millionen Franken

Die IT-Abteilung der Stadt hat die Lizenzbeschaffung für die nächsten Jahre geregelt. Der Zuschlag an Softwareone ist über 100 Millionen Franken schwer.

publiziert am 7.2.2025
image

Stadt Luzern setzt auf neues digitales Baumodell

Fast 5 Millionen Franken will der Stadtrat für die Einführung des Building Information Modelings ausgeben. Damit soll das digitale Planen von Bauten optimiert werden.

publiziert am 7.2.2025
image

Podcast: Wie weiter mit Juris?

Der Juris-Käufer Logobject hat über die Weiterentwicklung der Fachapplikation für die Justiz informiert. In dieser Folge der "IT Woche" fassen wir den Stand der Dinge zusammen.

publiziert am 7.2.2025
image

Uri hat grosse Sparpläne

Der Kanton will Millionen einsparen. Dazu gehören ein Verzicht auf Papier, Einsparungen bei Software-Lizenzen und eine mögliche RZ-Auslagerung.

publiziert am 7.2.2025