Algorithmus macht Roboter flexibler einsetzbar

27. März 2025 um 11:56
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Moritz Geilinger (links) und Simon Huber, die Gründer von Flink Robotics in ihrem Labor. Foto: ETH Zürich / Nicole Davidson

Das ETH-Spin-off Flink Robotics will die Paketlogistik re­vo­lu­tio­nie­ren. Die Software des Startups soll Robotern bei der Zusammenarbeit helfen.

Die ETH-Informatiker Moritz Geilinger und Simon Huber haben einen Algorithmus entwickelt, der Roboter befähigt, Objekte unter­schiedlicher Grösse und Form zu verpacken und zu verladen. Ihr Spin-off Flink Robotics ist in einem Jahr auf neun Personen angewachsen und hat einen renommierten Unter­nehmer­preis gewonnen.
Moritz Geilinger war als ETH-Doktorand in theoretische Überlegungen zur Planung und Steuerung von Roboterbewegungen vertieft, als eine praktische Anfrage der Schweizerischen Post auf seinem Tisch landete: Welche Arbeiten bei der Abwicklung von Paketen lassen sich automatisieren?
Zusammen mit seinem Kollegen Simon Huber, der an seiner Doktorarbeit schrieb, schaute er sich die Sortieranlagen der Post an. Die beiden waren erstaunt: Zwar wurden die Pakete auf den Förderbändern automatisch sortiert, doch das Entladen der Pakete und das Wiedereinladen in die Lastwagen geschah manuell.
Ein Grund dafür sind die Initialkosten, weiss Geilinger: "Automatisierungs­anlagen werden jeweils individuell für bestimmte Aufgaben eingerichtet, was viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nimmt". Für zusätzliche Automatisierung brauchte es also ein flexibleres System.

Adaptiver und intelligenter

Genau daran arbeiten die Forschenden des Computational Robotics Lab von Professor Stelian Coros. Sie machen Roboter adaptiver und intelligenter. Die Gruppe wurde 2017 gegründet, mit den beiden künftigen Jungunternehmern als erste Doktoranden. "Das Spezielle am Lab ist, dass wir alle von der Computer Science in die Robotik kommen", sagt Geilinger.
Er selbst hat eine sogenannte differenzierbare Physik-Simulation entwickelt. "Damit lässt sich voraussagen, was nach einer bestimmten Aktion passiert, also wie sich die Position von Objekten verändert, wenn sie der Roboter ansteuert", erklärt er. Differenzierbar bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Simulation aufzeigt, was passieren würde, wenn die Position eines anderen Objekts verschoben würde.
Huber seinerseits hat sich mit differenzierbarer Kollisionsvermeidung beschäftigt. Mit diesem Wissen haben sie gemeinsam einen Algorithmus entwickelt, der Roboter befähigt, Objekte unterschiedlicher Grösse und Form möglichst dicht zu verpacken, damit diese günstig von einem Ort zum anderen transportiert werden können.
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Die Software von Flink Robotics befähigt die Roboter auch zur Zusammenarbeit. GIF: Computational Robotics Lab / ETH Zürich

Arbeiten koordinieren

Das Spezielle daran: "Wir können einen Roboter innerhalb weniger Minuten für bestimmte Aufgaben einsatzbereit machen", sagt Geilinger. Zudem erlaube die Software, dass die Roboter koordiniert miteinander arbeiteten. Wenn notwendig, können sie zum Beispiel zu dritt ein Paket heben. So muss für neue Aufgaben nicht viel Geld in eine neue Infrastruktur investiert werden. Statt grösserer und schwererer Roboter kommen einfach mehrere kleine zum Einsatz.
"Die Anfrage der Post war ein Glücksfall für uns", resümiert Geilinger. Die praktische Aufgabe war die eigentliche Initialzündung, die 2023 zur Gründung von Flink Robotics führte. Geilinger übernahm den Posten des CEO, sein Kollege Simon Huber jenen des CTO, und ihr Professor Stelian Coros war als Berater der Dritte im Bunde. Ein Jahr später haben die Jungunternehmer bereits sechs Mitarbeitende verpflichtet und den mit 150'000 Franken dotierten Venture Kick Award erhalten.

Konkrete Anwendungen im Fokus

"Es mag etwas vermessen klingen, doch wir sind ein Team von schlauen Köpfen, die sich dank unserer Nähe zur Forschung mit der allerneuesten Technologie beschäftigen und praktisch jedes Problem in der Robotik lösen können", sagt Geilinger. "Gleichzeitig ist es uns wichtig, sehr nahe am Problem beziehungsweise am Endkunden zu sein, um herauszufinden, weshalb gewisse Arbeiten noch nicht automatisiert sind", führt er fort.
So ist Flink Robotics keine Technologiefirma, die einen Roboter baut, der alles kann, aber auch kein Systemintegrator, der einfach ein spezifisches Problem löst. "Wir versuchen, uns auf eine konkrete Anwendung zu fokussieren, für die eine grosse Nachfrage da ist, und entwickeln die allgemeine Technologie weiter, während wir den Anwendungsfall lösen", erklärt Geilinger weiter.
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Das Team hinter Flink Robotics. Foto: ETH Zürich / Nicole Davidson

Hohe Nachfrage

"Wir beobachten derzeit grosses Interesse – nicht nur von der Schweizerischen Post, sondern auch von der Österreichischen Post und DHL", führt er aus. Sobald das technische Problem gelöst sei, biete sich ein äusserst skalierbares Geschäftsmodell – insbesondere mit Blick auf die 13 unterschiedlich grossen Sortierzentren der Schweizerischen Post sowie die über 30 Verteilzentren von DHL in Deutschland.
Ein weiteres interessantes Geschäftsfeld ist die Endverpackung von Produkten. "Da werden die Produkte am Schluss oft noch von Hand in Kartonschachteln verpackt und auf Palette geladen", weiss Geilinger. Die Jungunternehmer waren schon bei Schokoladenhersteller und Produzenten von Gesichtscreme, die hunderte von unterschiedlichen Produkten herstellen und in einer Fabrik vielleicht sechs Produktionslinien betreiben. Auch hier müssten klassische Roboter immer wieder neu programmiert und auf das jeweilige Produkt angepasst werden.

Begehrte Mitarbeitende

An potenziellen Kunden mangelt es dem Startup also nicht. Die grosse Herausforderung für die beiden Gründer besteht zurzeit darin, alles unter einen Hut zu kriegen. Für bestehende Kunden entwickeln sie ihre Algorithmen weiter und führen vor Ort Testinstallationen aus. Gleichzeitig wollen die neuen Mitarbeitenden eingeführt werden. "Wir müssen immer mal wieder Kunden absagen, weil wir die Kapazitäten nicht haben, weitere Entwicklungen anzustossen", bedauert Geilinger.
Mit den Mitarbeitenden hatte Flink Robotics bisher grosses Glück, obwohl Informatik- und Robotik-Absolventinnen und -Absolventen gerade in Zürich auch von Weltkonzernen gesucht werden. "Wir ziehen ganz bestimmte Leute an, die sich in einem kleinen, agilen Team wohl fühlen, die gerne Sachen selber bauen und denen es wichtig ist, dass die eigene Arbeit eine direkt sichtbare Wirkung hat", sagt der CEO.
(Roland Baumann / ETH News)

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