Das Motiv, dass der Mensch eine denkende Kreatur erschafft, die sich dann als Gefahr entpuppt, kommt in Literatur und Film öfter vor. Vom Prager Golem über Frankensteins Monster, von HAL bis zu Skynet: die Geschichte geht in der Regel schlecht aus. Es ist also kein Wunder, dass die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz immer mit einer gewissen Skepsis begleitet wurde und wird. Der verstorbene
Physiker Stephen Hawking warnte schon 2017 davor, dass KI "das schlimmste Ereignis in der Geschichte unserer Zivilisation" werden könnte. Und vor kurzem ist ein
offener Brief erschienen, der von namhaften Forscher:innen und Tech-Unternehmer:innen unterzeichnet wurde, der ein Moratorium für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz, die leistungsfähiger als Chat GPT4 ist, fordert. Der offene Brief wurde kontrovers diskutiert. Kritikerinnen und Kritiker meinen, das vorgeschlagene Moratorium sei unrealistisch und es würde hier ein Hype geschürt, der wenig mit den realen Kapazitäten von künstlicher Intelligenz zu tun hat.
Das Thema "KI-Regulierung" ist auch in der Schweiz angekommen
Prognosen sind bekanntlich schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Das soll Mark Twain einmal gesagt haben und das gilt auch heute noch. Die ganze Geschichte der Technologieentwicklung ist gespickt mit Fehlprognosen und Zukunftsszenarien, die sich am Schluss als falsch herausgestellt haben. Wir wohnen alle nicht auf dem Mars und fliegende Autos haben wir auch nicht. Es gibt also gute Gründe, sich nicht allzu sehr auf Spekulationen über den kommenden oder fernen Untergang der Menschheit einzulassen. Es reicht, wenn wir uns ganz pragmatisch darum kümmern, was im Hier und Jetzt und in naher Zukunft wünschbar sein sollte. Viele Ideen und Vorschläge zur
KI-Regulierung liegen bereits auf dem Tisch, wie beispielsweise in der Europäischen Union. Es sind auch einige Papiere und Studien in der Schweiz dazu erschienen. Das Thema ist also auch hierzulande angekommen und man kann davon ausgehen, dass auch der Bundesrat dereinst von der intensiven Beobachtung zum autonomen Nachvollzug schreiten wird.
SVP-Nationalrat Franz Grüter forderte an dieser Stelle mehr Innovation statt Regulation. Dabei muss Regulation nicht im Widerspruch zu Innovation sein, dazu gibt es genügend Ansätze wie beispielsweise
Regulatory Sandboxes. Und Innovation braucht auch Förderung, internationale Standards und Austausch. Hier ist es nicht hilfreich, dass wir an den europäischen Forschungsprogrammen nicht mehr beteiligt sind, genauso wenig wie die geplanten Kürzungen bei Forschung, Bildung und Entwicklung.
Was in der
politischen Diskussion (Youtube) nicht vergessen gehen darf: Innovation und technischer Fortschritt sind kein Selbstzweck. Der Fortschritt sollte auch den Nutzen für die Menschen im Zentrum haben – oder ihnen zumindest nicht schaden. Nicht alles, was machbar ist, wird auch gemacht. Wir könnten beispielsweise auch Menschen klonen – tun es aber zum Glück nicht. Die Hauptmotivation für den Einsatz Künstlicher Intelligenz ist im Moment weder die Rettung noch die Auslöschung der Menschheit, sondern die Effizienzsteigerung. Dagegen ist nichts grundsätzlich einzuwenden, aber sie kann auch negative Folgen haben: zum Beispiel für den Arbeitsmarkt. Diese müssen auch mitgedacht und gegebenenfalls aktiv angegangen werden.
Führen moderne Technologien wirklich immer zu Effizienzsteigerung?
Zuweilen frage ich mich allerdings, ob diese Effizienzsteigerung durch moderne Technologien wirklich gegeben ist. Dazu nur ein kleines Beispiel. Vor zwei Wochen musste ich meinen Laptop zur Reparatur einschicken. Eine Woche später beschied mir eine automatisierte E-Mail, dass der Schaden nicht durch die Garantie abgedeckt sei und mir daher das Gerät unrepariert zurückgeschickt werde. Das fand ich natürlich nicht wahnsinnig befriedigend. Das Gerät könnte ja auch kostenpflichtig repariert werden. Der Link in der E-Mail für weitere Fragen leitete mich allerdings nicht dahin, wo ich eine Offerteanfrage für die Reparatur hätte stellen können, sondern auf eine allgemeine Supportseite, wo es zu allem möglichen Informationen gab, nur nicht zu jener Frage, die mich gerade beschäftigte. Nun bin ich zwar nicht ein Digital Native, aber – so dachte ich wenigstens bis vor kurzem – auch nicht die dümmste anzunehmende Userin. Dennoch brauchte ich doch recht lange, bis ich tatsächlich eine Kontaktmöglichkeit fand. Und zwar einen Chat. Worauf ich feststellen durfte, dass eine Chatwarteschlaufe es genauso so in sich hat, wie eine Telefonwarteschlaufe. Nur ohne beruhigende Liftmusik.
Aber immerhin: Eine gefühlte Stunde später kam ich mit Person oder Bot Nummer 3 einen Schritt weiter. Es ist vermutlich auch gut, dass ich mindestens unsicher war, ob es sich um einen Menschen oder einen Bot handelte, sonst wäre ich wohl einiges unhöflicher geworden. Mensch/Bot 3 schrieb mir also, er werde sich um mein Problem kümmern. Am nächsten Tag kam eine automatisierte Meldung, dass mein Notebook jetzt unrepariert verschickt wurde. Mensch/Bot 3 informiert mich einen Tag später per E-Mail, ich müsse das Notebook wieder einschicken und einen neuen Reparaturauftrag starten. Und ein ganz klein wenig dachte ich mir, dass es vielleicht doch noch etwas einfacher wäre, wenn man einfach in einen Laden gehen und mit einem Menschen sprechen könnte.
Über die Kolumne
Jeden Monat äussern sich Politikerinnen und Politiker sowie digital-politisch Engagierte aus allen Lagern zum Geschehen in Bern und in den Kantonen in der
"Parldigi direkt"-Kolumne.