10?! Michael Loechle, CIO Hitachi Energy

28. Februar 2022 um 12:06
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Der globale CIO von Hitachi Energy über das papierlose Büro vor 35 Jahren, das Zusammenspiel von Cybersecurity und Digitalisierung sowie unerfüllte Technologieversprechen.

1. Welches war Ihr erster Computer und woran erinnern Sie sich speziell? Das war im Jahr 1987 ein IBM XT 286 mit unglaublichen 640 KB Hauptspeicher und 20 MB Festplattenspeicher, natürlich für einen horrenden Preis. Ich war damals der erste in der Firma, der das unhandliche und schwere Ding bekam. Natürlich gab’s noch kein Windows und man musste sich mit MS DOS zufriedengeben. Ich habe darauf ein Verwaltungsprogramm für die Bibliothek mit dem Datenbankprogramm "dbase" von Ashton Tate zusammengebastelt.
2. Gibt es einen Informatikberuf, den Sie nicht mehr ausüben möchten und warum? Bis auf meine ersten Gehversuche mit dbase hatte ich nie wirklich Spass am Programmieren. Mich hat immer die Schnittstelle zum Menschen und zur Organisation interessiert. Deshalb fühle ich mich bis heute in Transformationsthemen am wohlsten.
3. Wie wird sich das Jobprofil eines CIO in den nächsten Jahren verändern? Das ist die Mutter aller Fragen. Gartner und viele andere versuchen sich hier seit Jahren. Die klassische CIO-Rolle wurde oft hinterfragt. Andere Rollen sollten ihn ersetzen, wie der CTO, der Chief Process Officer, der Chief Data Officer und zuletzt der Chief Digital Officer. Jeder dieser Rollen hat eine Berechtigung und von daher ist eine enge Zusammenarbeit und Vernetzung mit- und untereinander essenziell. Aber die klassische Rolle des CIO ist immer noch da und in vielen Fällen stärker als zuvor. Die Schnittstellen von Technologie, Business und immer mehr Compliance sind komplex und müssen vom CIO, gewissermassen als Spinne im Netz, getrieben und gesteuert werden. Die grosse Herausforderung ist in der Verschmelzung von Operational Technology und IT und den damit verbundenen Cyberrisiken. Das wird einerseits zu mehr föderalen Governance Modellen führen und braucht aber andererseits eine klare Cyberstrategie. In diesem Spannungsfeld braucht es den CIO.
4. Was raten Sie jungen Informatikerinnen und Informatikern, die Karriere machen wollen? Das gleiche, was ich allen jungen Leuten raten würde. Seid neugierig, probiert vieles aus und hört nie auf zu lernen. Ich halte es für wichtig, mehr als eine Industrie oder ein Unternehmen kennenzulernen. Auch Auslandserfahrung ist nach wie vor für die Persönlichkeitsentwicklung essenziell. Die Bandbreite der Möglichkeiten reichen vom Startup, bis hin zu den klassischen Grosskonzernen und, immer mehr, zu den Hyperscalern. Die Möglichkeiten sind nahezu endlos. Aber eins ist viel wichtiger und am Ende sogar entscheidend: Es muss Spass machen.
5. Was lernten Sie erst in Ihrer jetzigen Rolle über Technologie und nicht vorher? Als CIO steht neben der Technologie auch immer der wirtschaftliche Aspekt sehr stark im Vordergrund. In einem Grosskonzern wie Hitachi kommt ein nicht unerheblicher Anteil an "Politics" dazu. Es geht eben nicht nur darum, welche Technologie die optimale ist, sondern oft auch darum, vorgefasste Meinungen und Einstellungen zu überdenken und zu hinterfragen. Cloudstrategie, SAP S/4Hana und vor allem Cybersecurity sind Themen, die mich stark umtreiben. Im Vordergrund steht immer die Frage, wie kann durch Technologie das Geschäftsergebnis nachhaltig gesteigert bzw. verbessert werden.
6. Welche IT-Produkte oder -Dienstleistungen von früher vermissen Sie heute? Ich vermisse nichts. Etwas weniger wirtschaftlicher und zeitlicher Druck wäre schön.
7. Wird es im Laufe der Karriere einfacher oder schwieriger, sich für Technologieversprechen zu begeistern? Ich habe in meiner Karriere schon so viele Technologieversprechen kommen und gehen sehen. Das Tempo, in dem diese abgegeben werden, nimmt immer mehr zu, und es wird schwieriger, die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Technologieversprechen sind aber nur eine Seite der Medaille. Was mir Sorgen bereitet, ist der derzeitige Gegentrend zur Globalisierung und die zunehmende Regulierungswut von Einzelstaaten wie zum Beispiel Data Sovereignty. Da nützt die beste Cloudtechnologie nichts, wenn sich die Welt aufgrund von geopolitischen Konstellationen in eine andere Richtung bewegt. Zudem hat die Corona-Krise dazu geführt, dass der Glaube an den Markt schwächer wird und vermehrt durch einen Glauben an den Staat verdrängt wird. Das sind besorgniserregende Entwicklungen, die einen massiven Einfluss auf IT-Strategien und Organisation haben werden.
8. Welche Technologie wird in den nächsten 5 Jahren Ihrer Meinung nach den grössten Einfluss auf kritische Infrastrukturen haben? Und warum? Hier muss man zunächst einmal etwas präzisieren, über welchen Teil der kritischen Infrastrukturen wir sprechen. Bezüglich der gesamten Energieversorgungsstruktur ist das eine ganze Palette von Technologien, die notwendig sind. Lassen Sie mich deshalb die Technologiebreite auf den Bereich einschränken, für den ich bei Hitachi Energy zuständig bin, die eigene, kritische IS Infrastruktur. Der generelle Trend zu Cloud Computing ist natürlich auch für uns ein wichtiger Faktor. Wir müssen hier darauf achten, dass wir die Datensicherheit und die Datenhoheit immer unter Kontrolle haben. Da sowohl unsere firmeninternen Prozessdaten als auch jegliche Daten im Zusammenhang mit unseren Produkten elektronisch erfasst und gespeichert sind, ist es extrem wichtig für uns zu wissen, wo genau und unter welchen Randbedingungen die Daten gespeichert sind. Dazu gehören natürlich auch gesicherte Datenübertragungen und eine strenge Zugangskontrolle und Verwaltung bei uns im Unternehmen selbst. Wir arbeiten hier verstärkt mit unseren Partnern, Kunden und Zulieferern, zusammen, um eine möglichst gut abgestimmte Sicherheitsstrategie zu gewährleisten. Ich will damit sagen, dass der komplette Bereich der Cybersicherheit für Hardware, Software, Kommunikation und Datenhoheit einer der kritischsten Bereiche aller Infrastruktur-Technologien ist. Aufgrund der allübergreifenden Digitalisierung sämtlicher Infrastrukturen wird praktisch keine Funktionalität mehr dauerhaft ohne eine ausgefeilte Sicherheitsarchitektur gewährleistet sein.
9. Gibt es eine Entwicklung in der IT, die Sie für total überschätzt halten? Ich lasse mich da lieber nicht zu weit auf die Äste hinaus. Nur ein kurzes Beispiel aus meiner eigenen Geschichte: Ich wurde bereits im Jahr 1987 mit dem Projekt "papierloses Büro" betraut. Damals mit einer DEC VAX unter VMS mit dem wunderschönen Produktnamen "All-in-one". Zur damaligen Zeit ein hervorragendes Produkt mit voll integriertem E-Mail, Kalender und Textverarbeitung. Die Beurteilung, wo wir heute stehen, überlasse ich Ihnen.
10. Was haben Sie persönlich aus der Corona-Krise gelernt? Unsere Tochter und ihr Ehemann sind beide im medizinischen Bereich tätig. Dadurch waren wir permanent sehr nahe am Thema Corona. Ich bin sehr dankbar, dass unsere Familie die Krise gut überstanden hat. Insgesamt war das auch ein heilsamer Schock, wenn auch etwas zu lang. Die Krise hat zu einer gewissen "Entschleunigung" und zum Überdenken eingefahrener Gewohnheiten geführt. Ich bin die letzten 2 Jahre in keinem Flugzeug gesessen. So etwas hat es die letzten 25 Jahre nicht gegeben und war eigentlich undenkbar in einer globalen Rolle. Aber die Technik hat bestens funktioniert und die Arbeit im Homeoffice war enorm produktiv. Je länger je mehr hat jedoch der persönliche Kontakt zu den Menschen gefehlt. Das ist mein "Key Learning" aus der Krise. Die Bedeutung der persönlichen Kontakte – Face-to-face und nicht virtuell. Es ist nicht die Fernreise auf die Malediven, die ich vermisst habe. Sondern bei einem guten Glas Rotwein mit Freunden zusammenzusitzen. Ohne Maske, ohne Zertifikat und ohne Abstandsregeln.

Zur Person

Michael Loechle begann seine Karriere im Jahr 1986 im Bereich Information Management im Public Sektor in Deutschland. Nach seinem Umzug in die Schweiz hatte er ab 1991 verschiedene globale Führungspositionen im Information Management sowie im Auditing bei weltweit tätigen Food-, Pharma- und Chemie Unternehmen inne. Im Jahr 2008 folgte ein Wechsel in die Energieindustrie, der Loechle über CIO Positionen bei Alstom Power und ABB zur heutigen Rolle bei Hitachi Energy führte. Michael Loechle ist studierter Verwaltungswissenschaftler und verfügt über einen Executive MBA der Stanford Business School sowie einen Executive Master für internationales Wirtschaftsrecht der Universität St.Gallen.

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