Afis des Fedpol: Es ist eben doch Gesichts­erkennung

8. Mai 2023 um 13:43
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Der Ausdruck "Gesichtsbildabgleich" war wohl ein Versuch, die Gesichtserkennung ohne viel Aufsehen durchzuschmuggeln. Sie ist im erneuerten Identifikationssystem (Afis) des Bundesamts für Polizei vorgesehen.

Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) muss aufgrund einer Recherche von CH Media einen peinlichen Rückzieher machen. Anfang April hatte das Fedpol mitgeteilt, dass der Bundesrat einen Kredit von knapp 25 Millionen Franken für die Erneuerung des automatisierten Fingerabdruck-Identifikationssystems (Afis) bewilligt hat. Das Projekt "Afis2026" beinhalte auch die Integration eines Moduls für "Gesichtsbildabgleich".
Damit, so schrieb das Fedpol, könne in einem Strafverfahren ein Bild einer verdächtigen Person, zum Beispiel aus einer Überwachungskamera, mit im Afis gespeicherten erkennungsdienstlichen Bildern abgeglichen werden. Andere Quellen wie Fotos von Ausweisen oder aus den sozialen Netzwerken würden für den Abgleich nicht verwendet werden. Auch werde das Gesichtsbild von gesuchten Personen nicht automatisch und in Echtzeit mit Überwachungskameras abgeglichen.
Und deshalb, so schloss das Fedpol messerscharf, erfolge keine Überwachung mittels Gesichtserkennung. Dafür gebe es in der Schweiz ja schliesslich auch keine gesetzliche Grundlage
Wenn das neue System tatsächlich so gehandhabt wird, wie versprochen, handelt es sich tatsächlich nicht um eine kontinuierliche "Überwachung". Aber Gesichtserkennungstechnologie muss natürlich für die Gesichteridentifikation trotzdem verwendet werden, wie einige Experten mittlerweile angemerkt haben. Der Ausdruck "Gesichtsbildabgleich" ist also Spiegelfechterei.

Fedpol: Ja, das war "nicht korrekt"

Die Fedpol-Mitteilung enthält zudem eine weitere Aussage, die irgendwo zwischen Halb- und Unwahrheit liegt: Gesichtserkennung sei in der Schweiz gesetzlich verboten. Das stimmt nicht. Gesichtserkennung ist nicht verboten, sie braucht aber, wie das Fedpol ja auch angedeutet hat, eine gesetzliche Grundlage, wenn sie zur Überwachung der Bevölkerung eingesetzt wird. Auf Nachfrage von CH Media räumte ein Fedpol-Sprecher nun ein, dass die gewählte Formulierung "nicht korrekt" sei.
Die grosse Frage für die Afis-Erneuerung ist nun, ob die vom Fedpol geplante Nutzung von Gesichtserkennung im vorgesehenen Ausmass durch eine bundesrätliche Verordnung abgesegnet werden kann, oder ob sie doch eine gesetzliche Grundlage braucht. Monika Simmler, Strafrechtsprofessorin der Universität St. Gallen und auf Gesichtserkennung spezialisiert, glaubt das letztere. Gegenüber CH Media stufte sie die geplante Gesichtsabgleichung als schweren Grundrechtseingriff ein, weil besonders schützenswerte Personendaten bearbeitet würden. "Dafür genügt eine Pauschalermächtigung auf Verordnungsstufe nicht." Die Rechtsgrundlagen seien zu allgemein gehalten, eine Regelung auf Gesetzesstufe sei notwendig.
Das würde aber bedeuten, dass das Parlament diese gesetzliche Grundlage schaffen müsste, und dass bei einem Referendum das Volk das letzte Wort hätte.

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