Prantl behauptet: Whatsapp läutet sein eigenes Ende ein

25. Januar 2021 um 09:47
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Mit neuen Datenschutz-Bestimmungen hat Whatsapp seine User verärgert. Ein Drama in (bisher) drei Akten.

Erster Akt: Nicht nur bei inside-it.ch  konnten wir kürzlich lesen, was hinter den neuen Datenschutzregeln von Whatsapp steckt, die wir in den letzten Wochen bis zum 8. Februar hätten akzeptieren sollen. So kündigte Facebook – die Eigentümerin von Whatsapp – an, endlich umzusetzen, was es vor sieben Jahren beim Kauf des Kurzmitteilungsdienstes noch kategorisch ausgeschlossen hatte. Die Nutzerdaten von Whatsapp mit denjenigen von Facebook zu verbinden und für ein massiv erweitertes Profiling zu nutzen. Insbesondere würde das Userprofil um die Handy-Nummer ergänzt, was Werbetreibenden geradezu die Freudentränen in die Augen schiessen lässt.
Zweiter Akt: Die Aktion von Whatsapp verursachte einen Aufschrei der Entrüstung. Unter anderem mit dem Ergebnis, dass die User-Zahlen konkurrierender Messenger-Dienste wie Signal, Threema oder Telegram geradezu explodierten. Was Whatsapp sogleich dazu veranlasste, ihre Absichten "besser" zu erklären. Dabei legte das Unternehmen Wert darauf festzustellen, dass Whatsapp-User in Europa (inkl. der Schweiz) von der beabsichtigen Änderung nicht betroffen seien, da für diese das wesentlich strengere EU-Datenschutzrecht der DSGVO gilt. Allerdings heisst das im Umkehrschluss auch, dass alle Nutzer ausserhalb Europas definitiv davon betroffen sein werden, was die Sache auch nicht wirklich besser macht.
Im dritten Akt kündigte Whatsapp nun vor einigen Tagen an, die Einführung der neuen AGB auf den 15. Mai zu verschieben. Bis dahin wolle man die Konfusionen und Fehlinformationen im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Datenschutzregeln so weit aufklären, dass niemand mehr Bedenken beim Akzeptieren der selbigen haben müsse.
Für mich hat dieses Drama in (bisher) drei Akten das Fass zum Überlaufen gebracht und ich habe definitiv die Nase voll von Facebook und seinem – für mich wenig nutzenstiftenden – Geschäftsmodell. Von Facebook habe ich mich bereits vor über einem Jahr verabschiedet, ohne dass ich es bis heute je bereut, noch vermisst hätte – sogar ganz im Gegenteil. Dasselbe gilt für Instagram. Jetzt also auch noch Whatsapp. Auch wenn der Primus in Sachen Datenschutz fraglos Threema ist, so habe ich mich dennoch für Signal als primäre Alternative entschieden. Ich denke, in der internationalen Kommunikation spielt die Schweizer App kaum eine Rolle. So lautete die Aufforderung von Elon Musk ja auch "Use Signal" und nicht etwa "Use Threema".
Ich finde es vor allem hoch spannend und absolut wegweisend, dass wir uns (und da zähle ich mich uneingeschränkt mit dazu) auf einmal doch um unsere Daten und was mit ihnen geschieht, zu scheren beginnen. Und das trifft nicht mehr bloss auf einige wenige Leute zu, sondern greift grossflächig um sich. Ein Blick in die neuen Kontaktlisten von Signal und Threema (das ich auch schon über einem Jahr auf dem Handy installiert habe, praktisch aber so gut wie nie nutze) bestätigen dies. Faktisch erreiche ich heute jeden meiner Kontakte bereits ausserhalb von Whatsapp.
Am Ende ist es mir auch ziemlich egal, ob ich das Vorhaben von Whatsapp/Facebook ganz genau verstanden habe oder, ob ich vielmehr Opfer eines Medienhypes werde und damit beim Verlassen von Whatsapp über­re­agie­re. Im Gegenteil, die Aktion ist der willkommene Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. So habe ich auch nicht die Absicht, die AGBs zu lesen und mir ein eigenes Bild davon zu verschaffen. Was ich bis jetzt gehört und gelesen habe, genügt mir vollkommen. Und so denken mittlerweile erstaunlich viele andere auch.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Whatsapp mit seiner wortbrüchigen Aktion den eigenen Niedergang eingeläutet hat. Wenigstens in einigermassen demokratisch und rechtsstaatlich aufgestellten Ländern scheint die Sensibilität für die Autonomie der eigenen Daten in der Zwischenzeit deutlich gestiegen zu sein. Bisher von aussen wenig sichtbar und mehr im Hintergrund, doch nun mit dem Fall Whatsapp auch in der breiten Öffentlichkeit.
Und sind wir doch mal ehrlich. Ein Geschäftsmodell, welches den Nutzer zum reinen Produkt degradiert – und das gilt uneingeschränkt für den ganzen Facebook-Konzern – sollte ohnehin gemieden werden. Uns ist in der Softwarebranche schon lange klar, dass "Gratis" nicht existiert, sondern bloss ein Vehikel für Werbung im besten Fall und für Datenmissbrauch und Manipulation im schlechtesten Fall ist. Ich mache dabei (bewusst) nicht mehr mit.
Urs Prantl war über 20 Jahre Softwareunternehmer. Seit 2012 begleitet er IT- und Software-Unternehmen auf ihrem Weg zu nachhaltig gesundem Wachstum und ist als M&A-Transaktionsberater in Nachfolgesituationen tätig. Er äussert als Kolumnist für inside-channels.ch und inside-it.ch seine persönliche Meinung.

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