Ein Projekt in Walenstadt wurde soeben abgeschlossen. Die Beteiligten zeigen sich zufrieden mit der privaten Blockchain, nennen aber auch Grenzen des Ansatzes.
Ein Jahr lang haben 37 Haushalte in Walenstadt (SG) ihren lokalen Solarstrom über eine Blockchain-Lösung gehandelt. Das Pionier-Projekt "Quartierstrom" wurde nun abgeschlossen, die Beteiligten ziehen eine positive Bilanz: Zu einem Drittel hätten sich die Haushalte ohne Zutun von Energieversorgern selbst mit Solarstrom versorgt, heisst es in einer Mitteilung.
Der lokale Energieversorger, das Wasser- und Elektrizitätswerk Walenstadt (WEW), stellte für das Projekt sein Verteilnetz zur Verfügung. Zudem kaufte es überschüssigen Solarstrom und versorgte die Gemeinschaft mit "normalem" Strom, wenn das Solarstromangebot zu gering war. Die Haushalte konnten den minimalen Verkaufspreis ihres Solarstroms und den maximalen Einkaufspreis für Solarstrom vom Nachbarn auf einem Portal selbst festlegen.
"Quartierstrom war weltweit das erste Projekt dieser Art. Wir leisteten an vielen Fronten Pionierarbeit", erklärt Verena Tiefenbeck, Projektleiterin vom Bits to Energy Lab der ETH Zürich, in einer Mitteilung. Es sei eine aktive Teilnahme am Projekt zu verzeichnen gewesen, allerdings sei kaum jemand bereit gewesen, für lokalen Strom mehr zu bezahlen. Ein kleiner Teil des Stromes sei dann auch nicht verkauft worden, so dass man auch mit der automatischen Preisfestsetzung experimentiert habe.
Geringer Stromverbrauch der Blockchain-Knoten
Das Team der ETH Zürich habe die gesamte Applikation innerhalb nur weniger Monate gebaut, erklärt ETH-Doktorandin Liliane Ableitner, im Projekt für Frontend und User Experience zuständig, auf Anfrage von inside-it.ch.
In der Quartierstrom-App kann man in Echtzeit beobachten, wie viel Solarstrom man aus der Nachbarschaft bezieht. Bild: Gian Vaitl
Während die Blockchain-Software und auch die Applikation für die Nutzer sehr zuverlässig funktioniert habe, musste das Projektteam einen Dämpfer bei der Hardware in Kauf nehmen. Hier sei es immer mal wieder zu kleineren Ausfällen gekommen, heisst es weiter. Das Projektteam setzte auf Raspberry PI, weil keine Smart Meter mit Anwendungsprozessor erhältlich waren. Die für Prototypen entwickelten Einplatinencomputer hätten einen fehleranfälligen SD-Karten-Speicher, erklärt Arne Meeuw, der im Projekt für die Blockchain zuständig war.
Die Geräte hätten derweil wenig Strom verbraucht: Nämlich rund 3300 Kilowattstunden über das ganze Projekt hinweg, was etwa 4 Prozent des lokal gehandelten Stroms entspreche. Zum Vergleich: Mit dieser Leistung kann man laut dem Bund der Energieverbraucher ungefähr 100 Stunden warm duschen.
In den letzten 24 Stunden hat die Quartierstrom-Gemeinschaft 279 Kilowattstunden produziert und davon 86 Prozent selbst genutzt, wie man der Website des Projekts entnehmen kann. Dabei lag der Eigenversorgungsgrad bei 19 Prozent.
Möglichkeiten und Grenzen der privaten Blockchain
"27 Prosumenten fungierten als Validierungsknoten, die in der Blockchain die Transaktionen freigaben", heisst es vom Projektteam. Statt eines "Proof-of-Work-Ansatzes" wird auf der privaten Blockchain von Quartierstrom demokratisch entschieden: Sind zwei Drittel der Knoten einverstanden, werden die Transaktionen abgeschlossen.
Der Vorteil: "Der Rechenaufwand ist klein und es entstehen nur geringe Datenmengen", so Meeuw. Die private Blockchain-Lösung ist damit aber auch limitiert. Zu den 27 Knoten könnten noch etwa fünf zusätzliche Produktionsanlagen kommen. Für grössere Quartiere hiesse das, man müsste Subquartiere mit jeweils einer eigenen Blockchain aufziehen, so dass der Rechenaufwand des demokratischen Konsensmechanismus überschaubar gehalten werden könne.
Die Energieversorger als Hoster der Plattform
Das ist aber gar nicht zwingend das Ziel des Startups Exnaton, das das System zur Marktreife weitentwickeln will. Mitgründerin und ETH-Doktorandin Ableitner erklärt: "In einem Bottom-Up-Ansatz kann es durchaus sinnvoll sein, auf eine Blockchain-Lösung zu setzen, aber im monopolitischen Schweizer Strommarkt sind wir auf die lokalen Energieversorger angewiesen." Diese könnten die Plattform bei sich hosten und die Funktion des Intermediärs übernehmen. Darum sei das Blockchain-basierte System ein Entwicklungspfad unter anderen.
Zum einen stellen die lokalen Energieversorger ohnehin die Infrastruktur wie die Leitungen und Messzähler. Zum anderen müssen sie auch ans System angeschlossen sein, da eine selbständig produzierende Einheit wie das Viertel in Walenstadt kaum genau die Menge Strom produziert, die sie benötigt. Auch sind die heutigen Regularien noch nicht auf grosse Eigenverbrauchsgemeinschaften ausgelegt, wie jene in Walenstadt. Der Bundesrat hat aber im November 2019 eine Vorlage für eine Gesetzesänderungim Bereich Blockchain verabschiedet.
Die Nachbarschaft in Walenstadt geht in eine neue Projektphase. Die Lösung werde neu aufgesetzt, um in ein skalierbares Produkt verwandelt zu werden. Zudem wird die Hardware nun schrittweise ersetzt und soll dann auch etwas stabiler funktionieren.
Am vom Bundesamt für Energie (BFE) unterstützten Projekt waren unter anderem die ETH Zürich, die Universität St. Gallen, die Hochschule Luzern, die ZHAW, Bosch, BKW und die SBB beteiligt.