Europas digitale Regulierung: Innovationskiller oder Wettbewerbsbooster?

3. Februar 2025 um 12:53
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Illustration: Erstellt durch Inside IT mit Midjourney

Während die EU mit dem "Competitiveness Compass" für mehr Innovation sorgen will, droht sie, kleine Unternehmen mit Regulierung auszubremsen, schreibt IT-Unternehmer Christian Fehrlin in einem Gastbeitrag.

Europa hat ein Problem – und es ist hausgemacht. Während die USA und China ihre digitalen Märkte durch Wettbewerb und unternehmerische Freiheit wachsen lassen, verstrickt sich Europa immer tiefer in ein Netz aus Regulierung. Gesetze wie der Digital Markets Act (DMA), der "AI Act", die Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) und neue Initiativen wie der "Competitiveness Compass for the EU"​ sollen den digitalen Raum sicherer und fairer machen. Doch das Ergebnis ist oft das Gegenteil: Statt für fairen Wettbewerb zu sorgen, werden insbesondere kleine, innovative Unternehmen ausgebremst.
Während die EU-Kommission in ihrer neuen Initiative betont, dass Europa seine Innovationskraft stärken muss, um global wettbewerbsfähig zu bleiben, bleibt die grösste Wachstumsbremse unangetastet: die regulatorische Überlastung, die kleinere Unternehmen im Keim erstickt.

Der Widerspruch zwischen Regulierung und Wettbewerbsfähigkeit

Der Competitiveness Compass for the EU​ (PDF Download) identifiziert die grössten Herausforderungen Europas:
  1. Ein Rückstand bei innovativen Technologien, weil Startups sich schwertun, Skalierung und Finanzierung zu sichern.
  2. Eine übermässige Abhängigkeit von ausländischen Technologien in strategischen Bereichen wie KI, Halbleitern und Cloud Computing.
  3. Hohe Energiekosten und regulatorische Belastungen, die Unternehmen aus Europa vertreiben.
Der Bericht nennt als Ziel: Europa soll führend in der Technologiebranche werden und die Innovationskraft steigern. Doch gleichzeitig setzt er auf mehr Regulierung, mehr Bürokratie und neue "strategische Initiativen". Das ist paradox.

Wie EU-Regularien die Innovationskraft schwächen

Statt Innovation zu ermöglichen, setzen sich immer mehr Regeln fest, die vor allem grosse Konzerne mit entsprechenden Compliance-Teams bewältigen können. Drei Beispiele:
1. Der AI Act: Europas Innovationskiller?
Der "AI Act", ein umfassender Gesetzesrahmen zur Regulierung Künstlicher Intelligenz, könnte zur grössten Innovationsbremse Europas werden. Während US-Unternehmen und chinesische Tech-Giganten ihre KI-Anwendungen frei entwickeln und testen, werden europäische Unternehmen durch hohe Anforderungen an Transparenz, Zertifizierungen und Sicherheitsauflagen ausgebremst.
Besonders für Startups ist dies ein Problem: Wer kann es sich leisten, jede neue KI-Anwendung durch ein teures Konformitätsverfahren zu schleusen? Während OpenAI und Google längst milliardenschwere Modelle trainieren, verzettelt sich Europa in Vorschriften.
2. Die DSGVO: Datenschutz als Standortnachteil
Der DSGVO fehlt es an pragmatischem Ausgleich zwischen Datenschutz und unternehmerischer Freiheit. Während Google, Facebook & Co. sich Compliance-Teams leisten können, haben kleine Firmen und Startups oft nicht die Ressourcen, um sich durch den Bürokratie-Dschungel zu kämpfen.
Das Resultat? Europäische Unternehmen geraten ins Hintertreffen, während Nutzer weiterhin auf amerikanische Dienste ausweichen.
3. Fragmentierung des Binnenmarktes: Ein EU-Problem
Die EU reguliert – aber uneinheitlich. Jedes Mitgliedsland setzt Vorgaben unterschiedlich um, sodass ein Startup, das in Deutschland konform ist, in Frankreich oder Italien mit anderen Anforderungen konfrontiert wird. Ein Binnenmarkt, der eigentlich einheitlich sein sollte, ist ein Flickenteppich.
4. Der EU Cloud and AI Development Act: Noch mehr Vorgaben für europäische Anbieter?
In der neuen EU-Initiative wird eine weitere Regulierung vorgeschlagen: der EU Cloud and AI Development Act​. Diese Gesetzgebung soll Mindestkriterien für Cloud-Anbieter in Europa festlegen. Klingt sinnvoll? Vielleicht. Die Gefahr ist gross, dass kleinere europäische Cloud-Anbieter aus dem Markt gedrängt werden, während grosse US-Player wie AWS oder Microsoft von standardisierten, einheitlichen Regeln profitieren.

Der Irrweg von Förderprogrammen: Was wirklich hilft

Die EU setzt in ihrer neuen Initiative verstärkt auf Förderprogramme, um Innovationen anzukurbeln. Doch staatliche Subventionen sind nicht die Lösung, sondern Teil des Problems. Warum?
  • Subventionen schaffen Abhängigkeiten statt unternehmerischen Wettbewerb.
  • Förderprogramme verzerren den Markt, da einige Unternehmen profitieren, während andere benachteiligt werden.
  • Bürokratische Hürden bei Förderanträgen binden Ressourcen, die stattdessen in die Entwicklung innovativer Produkte fliessen könnten.
Der beste Innovationsanreiz ist ein freier Markt mit gleichen Bedingungen für alle – ohne künstliche Eingriffe durch Fördergelder oder komplizierte Regeln.

Regulierung abbauen statt Innovation verwalten

Statt die Wirtschaft mit immer neuen Vorschriften zu erdrücken, muss Europa endlich radikale Deregulierung betreiben.
1. Bürokratieabbau für Tech-Startups
  • Regulierung sollte so einfach wie möglich gehalten werden.
  • Weniger Vorschriften für kleine Unternehmen und Startups.
  • Anreize für Innovationen statt Restriktionen.
2. Wettbewerbsfairness statt Bevorzugung von Big Tech
  • Schluss mit Regularien, die nur grosse Konzerne überleben können.
  • Alle Unternehmen müssen unter denselben Bedingungen agieren, ohne unfaire Compliance-Kosten für kleinere Firmen.
3. Abschaffung fragmentierter Vorschriften in der EU
  • Ein echter Binnenmarkt bedeutet einheitliche Regeln in allen Ländern, nicht 27 verschiedene Interpretationen.
4. Kein staatlicher Eingriff durch Subventionen
  • Kapital muss dorthin fliessen, wo Innovationen entstehen und nicht dorthin, wo Förderprogramme die grössten Summen versprechen.
Europa muss sich entscheiden: Wollen wir eine digitale Supermacht sein oder ein überregulierter, innovationsfeindlicher Wirtschaftsraum? Die Antwort ist klar: Weniger Regulierung, mehr Markt – und Europa kann endlich mit den USA und China mithalten.

Die EU muss umdenken – und zwar jetzt!

Der "Competitiveness Compass for the EU"​ zeigt, dass Europa handeln muss, um nicht weiter hinter die USA und China zurückzufallen. Doch die Antwort kann nicht sein, immer mehr Regeln und Subventionen einzuführen, sondern Wettbewerb zu ermöglichen, statt ihn zu regulieren.
Was Europa jetzt braucht, ist eine echte digitale Revolution – nicht durch staatliche Lenkung, sondern durch einen freien Markt, unternehmerische Freiheit und weniger Bürokratie. Ohne diese Kehrtwende bleibt Europa bestenfalls ein Zuschauer im globalen Tech-Wettbewerb.
Interessenbindung: Christian Fehrlin ist Geschäftsführer und Inhaber des Inside-IT-Herausgebers Winsider sowie der KI-Firma Ava-X, die zum selben Mutterhaus gehört. Die Meinung des Autors muss sich nicht mit jener der Redaktion decken.

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