In der Schweiz ist die Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden in diversen Gesetzen geregelt. Wenn es um den Einsatz von KI-Tools geht, gebe es aber noch grossen Verbesserungsbedarf, zeigt ein Rechtsgutachten der Universität St. Gallen, das von der Gewerkschaft Syndicom und Algorithmwatch in Auftrag gegeben worden ist.
Immer häufiger würden algorithmische Systeme eingesetzt, um beispielsweise die Produktivität von Mitarbeitenden zu steigern oder diese zu bewerten oder zu überwachen. Es müsse sichergestellt sein, dass der Einsatz von solchen Systemen klar kommuniziert werde. Es zeige sich aber, dass Arbeitgeber die Mitarbeitenden oft nicht ausreichend einbeziehen, wenn sie algorithmische Systeme einsetzen oder planen, dies zu tun, so eine gemeinsame Mitteilung der beiden Organisationen.
Algorithmwatch Schweiz und Syndicom fordern die nationale Politik deshalb auf, entsprechende Anpassungen im Gesetz anzustossen.
Der Einsatz von KI-basierten Toll am Arbeitsplatz bringe neue Risiken mit sich. Tools, die die Produktivität erhöhen sollen, könnten Arbeitnehmende stärker belasten, wenn Produktivität und Effizienz in einem System zu hoch gewichtet würden. Dies könne zu gesetzeswidrigen Arbeitsbedingungen führen, schreiben die Organisationen mit Verweis auf eine
Recherche von 'SRF'. Diese deckte Missstände bei der Logistikfirma Planzer auf. Eine Software diktiere die Geschwindigkeit der Fahrer, was zu grossem Zeit- und Leistungsdruck führe.
Recht auf Mitbestimmung
In diesem Beispiel werde zwar ein neuer Gesamtarbeitsvertrag zu Verbesserungen führen, aber branchenübergreifende und schweizweite Lösungen würden fehlen, schreibt die Gewerkschaft.
Aufgrund des Mitwirkungsgesetzes hätten Arbeitnehmende das Recht, sich bei der Digitalisierung am Arbeitsplatz einzubringen, wenn diese einen Gesundheitsbezug aufweist. In der Praxis werde dies jedoch zu wenig umgesetzt oder eingehalten. Auch fehle es dem Mitwirkungsgesetz unter anderem an Sanktionen, wenn Arbeitgeber dagegen verstossen, so die Gewerkschaft.
Syndicom und Algorithmwatch fordern deshalb, dass das Mitspracherecht ausgeweitet und das Informationsrecht gestärkt werden. Denn der Einsatz von Algorithmen könne schwerwiegende Folgen haben – von fehlender Nachvollziehbarkeit und Vertrauensverlust bis hin zu Überwachung, Stress und Diskriminierung.
Mehr Möglichkeiten, um sich zu wehren
Ausserdem fordern die Organisationen Sanktionsmöglichkeiten. Sanktionen müssten aber so gestaltet werden, dass ein Verstoss nicht einfach von den Unternehmen als zusätzliche Ausgabe budgetiert werden kann. Ein anderer Weg wäre, die Nutzung von Systemen, bei denen die Mitspracherechte der Mitarbeitenden nicht eingehalten wurden, zu verbieten.
Für Angestellte könne es schwer sein, sich zu wehren, heisst es weiter. Eine Individualklage sei nicht immer der passende Weg, weil es schwierig sei, die individuelle Betroffenheit nachzuweisen. Auch sei sie nicht angebracht, wenn Einzelpersonen jeweils nur marginal betroffen seien. Syndicom und Algorithmwatch schlagen deshalb ein kollektives Klagerecht vor. Betroffene sollen Unterstützung ihrer Vertretungen und Gewerkschaften erhalten und auch Fachpersonen herbeiziehen können.
Die Publikation und die Forderungen entstanden im Rahmen eines gemeinsamen Projekts von Syndicom und Algorithmwatch. Ziel war es herauszufinden, wie die Arbeitnehmenden beim Einsatz von algorithmischen Systemen am Arbeitsplatz befähigt werden.
Weitere Informationen zum Projekt "Analytics for the People? Was Algorithmen am Arbeitsplatz für Rechte und Mitbestimmung bedeuten"
gibt es online.