Die Kantonspolizei Bern will sich mit einer Marktanalyse über eine Software für Videomaterial informieren. IT-Anbieter sollen in einem Vorabverfahren Tools präsentieren, die Filmmaterial nicht nur speichern und bearbeiten, sondern auch automatisiert auswerten können. Sprich: In Videos der Kapo Bern soll automatisiert nach übereinstimmenden Elementen gesucht werden.
Die Polizei nennt in den Ausschreibungsunterlagen neben einem Tötungsdelikt einen Fall, in dem eine vermummte Person bei einer Sportveranstaltung eine Gewalttat begeht. Wegen der Vermummung sei der Täter nicht direkt identifizierbar, könnte aber an seiner Kleidung erkannt werden, heisst es im Beschrieb. Die Software soll nun Videos durchsuchen und erkennen, ob die Person weitere Straftaten begangen hat oder ohne Maske auftaucht.
Derzeit wertet die Kapo Bern entsprechende Videos noch manuell aus, wie die Pressestelle auf Anfrage schreibt. "Einige Fachabteilungen benutzen in ganz bestimmten Anwendungsfällen heute schon Tools für eine automatisierte Klassifizierung von Videos", räumt die Kapo aber ein. Diese seien indes noch nicht ausgereift. Die nun gestartete Marktanalyse soll die Chancen für die Freigabe eines Projekts für eine ausgefeilte Software erhöhen. Dies bedinge aber vorab eine Studie zu Schutzbedarf und Rechtsgrundlagen, so die Kapo.
Künstliche Intelligenz und Gesichtserkennung?
Facial Recognition – also automatisierte Gesichtserkennung – wird in den Unterlagen nicht erwähnt, obwohl es der bekannteste Anwendungsfall für automatisierte Videoanalyse ist. Die Technologie sorgt immer wieder für Diskussionen. "Einzelne Polizeikorps in der Schweiz wenden die Technologie bereits heute bei ihren Ermittlungen zu Straftaten an. Gleichzeitig fehlen die Rechtsgrundlagen dafür",
schreibt die Universität St. Gallen (HSG) zu einem laufenden Forschungsprojekt. Die beteiligte HSG-Strafrechtlerin Monika Simmler, die seit Jahren zur Verwendung von Algorithmen in der Polizeiarbeit forscht, fordert eine breite Debatte zur Regulierung der Technologie.
In Bern plant man eine Gesichtserkennung nach eigenen Angaben nicht. "Ein automatisierter Gesichtsbildabgleich ist nicht gefordert und nicht geplant", antwortet die Kapo Bern knapp und deutlich. Zudem heisst es in den Unterlagen: "Es geht nicht um Echtzeitüberwachung, sondern um die Auswertung von gespeicherten Videos." Und auch der momentan inflationär benutzte Begriff "Künstliche Intelligenz" taucht nicht auf.
Dieser sei nicht verwendet worden, weil er aus Sicht der Anwender momentan nicht relevant sei, schreibt die Medienstelle der Kapo Bern. Man wolle sich die technischen Möglichkeiten offenhalten. "Natürlich ist der Kapo auch bewusst, dass im Bereich der Bildanalyse mit KI heute schon viel möglich ist und sich der Markt rasant entwickelt. Die Kapo sucht aber nach ausgereiften technischen Lösungen mit bestimmten Eigenschaften."
Man darf sich aber schon die Frage stellen, wie ein automatisierter Abgleich nicht unter den Begriff der Künstlichen Intelligenz fallen soll. Hat die Kapo Bern Angst vor schlechter Presse? Die Diskussionen um biometrische Daten und Künstliche Intelligenz bei der Polizei reisst schliesslich nicht ab.
Es geht um bis zu 10 Petabyte
In Bern geht es um immense Datenmengen: Die Kantonspolizei geht von einem Bedarf von bis zu 10 Petabyte in den nächsten 5 Jahren aus, das sind rund 10'000 Terabyte. Aufgrund der Unsicherheiten müsse eine Lösung aber stark skalierbar sein, ein Startangebot soll bereits auf 2 Petabyte ausgelegt sein. Zugleich will die Kapo die Daten gerne im eigenen Rechenzentrum verarbeiten, weil sie sehr heikel sind. Dennoch soll ein Anbieter auch eine Cloud-Lösung präsentieren, falls es eine gibt.
Rund 50 Fachleute aus der Forensik sollen automatisierte Analysen durchführen können. Sollte das Tool aber wider Erwarten einfach zu bedienen sein, würden weitere Polizisten die Software anwenden können, erhofft sich die Kapo. Jeder Zugriff auf die Daten, auch ein reiner Lesezugriff, müsse nachvollziehbar sein, heisst es in den Unterlagen der Marktanalyse.