

Bastelt Swisscom an einem Glasfaser-Duopol?
17. Januar 2018 um 16:30Kontroverse um den FTTH-Ausbau: Init7-Chef Fredy Künzler kritisiert Swisscom, Swisscom antwortet.
Kontroverse um den FTTH-Ausbau: Init7-Chef Fredy Künzler kritisiert Swisscom, Swisscom antwortet.
In den letzten Jahren wurde der Bau von Glasfasernetzen in der Schweiz vor allem in den Städten vorangetrieben. Bis Ende 2016 wurden über eine Million beziehungsweise rund 30 Prozent der Schweizer Haushalte und Geschäfte mit "Fibre-to-the-home" (FTTH) erschlossen. Bei ihnen wurden also Glasfasern bis zum Endkunden, in der Telco-Sprache "Nutzungseinheit" genannt, gezogen. So können Provider ihnen Internet-Tempi von gegenwärtig bis zu 1Gbit/s anbieten – theoretisch ginge es auch noch viel schneller.
Aber wie geht es ausserhalb der Bevölkerungszentren, also für die restlichen 70 Prozent weiter? In vielen Gemeinden werden gegenwärtig keine durchgehenden FTTH-Netze gebaut, sondern die von Swisscom propagierten Zwischenlösungen Fibre-to-the-street (FTTS) beziehungsweise Fibre-to-the-building (FTTB) realisiert. Dabei werden die Glasfasern von einer Zentrale bis in die Keller von grossen Gebäuden oder bis zu Verteilerschächten in den Strassen, typischerweise weniger als 200 Meter vom Endanschluss entfernt, gezogen. Die restliche Strecke bis zu den Endanschlüssen laufen die Signale wie gehabt über Kupferkabel. Dank der G.fast-Technologie sind so gegenwärtig Bandbreiten bis 500Mbit/s erreichbar. Swisscom glaubt, dass man FTTS/B-Netze dreimal schneller realisieren kann, als komplette FTTH-Netze. So sei es möglich, schon bis Ende 2021 die ganze Schweiz flächendeckend mit mindestens 500Mbit/s zu versorgen.
Irgendwann sollte man aber auch diese Anschlüsse durchgängig mit Glasfasern versehen. Swisscom hat kürzlich mögliche Kooperationspartner beim Glasfaserbau darüber informiert, wie sie sich eine künftige Erweiterung von FTTS/B-Netzen zu FTTH vorstellt.
Der Standpunkt von Fredy Künzler
Wie aus uns vorliegenden Teilen dieser Unterlagen hervorgeht, schlägt Swisscom für die FTTH-Erweiterung eine Technologie namens PON (Passive Optical Network) vor. Und dies stösst bei manchen anderen Providern auf harsche Kritik. Zu ihnen gehört Fredy Künzler, der Chef des Providers Init7, den wir hier stellvertretend zu Wort kommen lassen.
PON weist eine Point-to-Multipoint-Architektur (P2MP) auf. Dies macht ein solches Netzwerk in den Augen von Fredy Künzler komplizierter und unflexibler als Netzwerke mit Point-to-Point-Architektur nach dem OpenAcess-Standard, wie sie in den Städten bisher verwirklicht wurde. Und der Bau sei für Swisscom nicht einmal billiger, wie er gegenüber inside-it.ch erklärte. Die Wahl von PON habe deshalb vor allem einen Hintergrund, der nicht mit Technik oder Kosten zu tun habe: Swisscom versuche wieder einmal, seine Macht zu nutzen, um den Markt zu beeinflussen und eine echte Konkurrenz im FTTH-Bereich zu verhindern. PON würde, so Künzler, ein Duopol von Swisscom sowie jeweils einem Kooperationspartner - meist wären dies Energieversorger – zementieren.
Technologieentscheidung gegen die Konkurrenz?
Der Grund dafür ist, so argumentiert Künzler, dass es sich für kleinere Provider finanziell kaum je lohnen würde, den Kunden auf eigener Infrastruktur basierende entbündelte Angebote zu machen. Gegenwärtig werden bei FTTS/B in den Werkschächten oder Kellern, wo die Glasfasern enden, Signalwandler installiert. Diese wandeln die optischen in elektrische Signale um, die über die Kupferkabel weitergeleitet werden. Beim Ausbau eines solchen Netzes auf FTTH mit PON-Topologie würden nach den Vorstellungen von Swisscom die Wandler durch (optische) Signalsplitter ersetzt. Diese teilen das auf einer Faser ankommende Signal auf viele Fasern auf, die dann zu den Endanschlüssen führen. Die Zahl der möglichen Endanschlüsse ist allerdings beschränkt. Und ein Provider, der einen komplett entbündelten Anschluss nutzen will, müsste jeweils seinen eigenen optischen Splitter einbauen.
In einer Gemeinde mit vielleicht 5000 Einwohnern, rechnet Künzler vor, wären wohl rund 100 Signalsplitter notwendig, wenn ein Provider alle potentiellen Kunden erreichen will. Eine Swisscom mit ihrem hohen Marktanteil könne sich dies leisten. Für einen kleineren Provider, der nur auf eine Handvoll Prozent der Kunden hoffen kann, rechne sich dies dagegen niemals, weil die Auslastung eines Splitters viel zu klein wäre.
In der Point-to-Point-Architektur dagegen würden einfach Verlängerungsfasern von dort, wo sie jetzt enden, bis zu jedem Endanschluss eingebaut. Ein Provider könnte so laut Künzler, wie es jetzt schon den Städten gemacht wird, eine ganze Faser mieten und ohne grosse Zusatzinvestitionen eigene Internetservices – mit eigenen Bandbreiten und freier Preisgestaltung – kreieren.
Dies würde natürlich bedingen, dass schon beim ersten Schritt genügend viele Fasern bis zur Strasse oder in den Keller gezogen werden. Gemäss Künzler sind allerdings die Kosten für die Glasfasern, verglichen mit den Investitionen für den Bau der Kanäle, verschwindend klein, so dass die Gesamtinvestitionen dadurch kaum steigen würden.
In den Städten werden übrigens meist vier Glasfasern bis zum Endkunden gezogen. Eine davon gehört typischerweise einem Energieversorger, eine Swisscom und zwei könnten von Drittanbietern gemietet werden.
Die Swisscom-Position
Wir haben Swisscom natürlich die Gelegenheit gegeben, die von Fredy Künzler vorgebrachten Kritikpunkte einzusehen und darauf zu antworten. Swisscom-Sprecher Armin Schädeli hat uns darauf hin ein Statement zukommen lassen.
Den Verdacht, ein Duopol schaffen zu wollen, weist Swisscom darin von sich. "Swisscom begrüsst den Infrastrukturwettbewerb in der Schweiz, der zu neuen Investitionen und vielen Innovationen führt. Kunden haben die Wahl zwischen Kabelnetzen, Netzen der Energieversorgungsunternehmen (FTTH) und Swisscom (Hybrid und FTTH)."
2008, als der Bau der Glasfasernetze hierzulande in den Städten begann, so Swisscom, habe die Schweiz mit dem Point-to-Point-Ansatz die nach damaligem Ermessen leistungsfähigste und zukunftssicherste Lösung gewählt. Der technische Fortschritt habe sich in den letzten zehn Jahren allerdings zugunsten von P2MP-Lösungen wie NG.PON und TWDM sowie höhere Bandbreiten über ein 1Gbit/s verändert.
P2P-FTTH-Architekturen seien zudem weltweit gesehen eine Seltenheit. In den meisten Ländern werde für FTTH-Netze eine P2MP-Architektur eingesetzt.
Dies wiederum verspreche aufgrund zunehmender wirtschaftlicher Skaleneffekte durch den grösseren Markt und damit höhere Stückzahlen auch Kostenvorteile beim aktiven Equipment für P2MP-Netzwerke. Swisscom trage dem in Zeiten zunehmenden Margendrucks und stetig wachsenden Bandbreitenbedarfs mit einer zukunftsgerichteten Netzbaustrategie Rechnung.
Gleichzeitig betont Swisscom, dass man auch weiterhin nicht nur P2MP sondern auch P2P-Netze baue.
Bis anhin habe man gemeinsam mit Kooperationspartnern über 1,3 Millionen Haushalte mit FTTH in der P2P-Architektur erschlossen und der Rollout sei noch nicht abgeschlossen. Zudem vereinbare Swisscom noch heute jährlich zwei bis drei neue FTTH-Kooperationen, die nach der P2P-Architektur geplant werden.
Das Kostenargument
Anmerkung des Verfassers: Bitte lassen Sie sich im Folgenden nicht verwirren: Auch ein "passives optisches Netzwerk" mit P2MP-Architekktur benötigt nicht nur passive, sondern auch aktive Komponenten.
Bei der Kostenbetrachtung, so Swisscom, müsse zwischen den Kosten für Bau und Installation der passiven Glasfaserinfrastruktur (Steckdosen, Hauseingangspunkt, Kabel, Muffen usw.) und den Kosten für das aktive Equipment (die sogenannten Fibre Access Nodes bzw. die signalverarbeitende Infrastruktur in der Zentrale) unterschieden werden.
Wenn ein FTTS/B-Netz auf P2MP ausgebaut wird, entstehen laut Swisscom keine zusätzlichen Kosten für die Verlegung der Erschliessungskabel ab Zentrale bis zum Verteilerschacht oder der Muffe im Keller da beim Bau des FTTS-Feeders bereits entsprechende Reservefasern für Swisscom und einen Kooperationspartner verlegt werden sollen. Im Fachjargon wird dieser Abschnitt "Feeder" genannt. Der Bau eines FTTS-Feeders (später wiederverwendbar für P2MP) kostet aber laut Swisscom nur ungefähr halb so viel wie ein heutiger FTTH-P2P-Feeder.
Die Kosten für den Bau der passiven Infrastruktur seien dann für P2P-Netze im Bereich des Teilabschnitts ab Verteilerschacht/Muffe (Fachjargon "Drop") und für die Hausinstallation (Inhouse) ungefähr gleich hoch wie für P2MP-Netze.
Einsparungen gebe es dafür wiederum beim aktiven Equipment in den Zentralen. Da im Feederbereich bzw. bei aktiven Netzelementen eine Faser für bis zu 32 Anschlüsse genutzt werden könne, reduziere sich die Anzahl der nötigen Anschlüsse auf der Zentralen-Infrastruktur erheblich. Damit würden sowohl Investitions- als auch Betriebskosten eingespart.
Diese Aussage, so präzisiert Schädeli auf unsere Nachfrage hin, sei auf jeden Fall für den Kooperationspartner und Swisscom korrekt. Ob damit auch die Kosten für einen Drittanbieter tiefer ausfallen, lässt sich heute nicht abschliessend sagen. Dafür befinden wir uns noch in einer zu frühen Konzeptionsphase. In der Tendenz dürften jedoch auch die Kosten für einen Drittanbieter tiefer ausfallen.
Duopol?
Zum Schluss geht Swisscom noch näher auf die Vermutung ein, man wolle die P2MP-Architektur, um die Konkurrenz zu beschränken und ein Duopol zusammen mit nur je einem Partner zu schaffen.
Bereits in den heutigen FTTH-Netzen nach P2P-Architektur sind, bis auf wenige Ausnahmen, im Feederbereich zwei aktive Fasern je Nutzungseinheit verlegt, hält Swisscom dem entgegen. Eine wird durch den Kooperationspartner und eine durch Swisscom genutzt.
Auch bei einer P2MP-Architektur stehe beiden Partnern im Feederbereich je eine Faser zur Verfügung. Der Unterschied liege einzig darin, dass nicht jede Faser von der Zentrale bis zur Steckdose durchgängig ist, sondern im letzten Schacht bei der Verzweigung zu den Liegenschaften "optisch gesplittet" wird. Das Lichtwellensignal wird dabei auf mehrere Fasern aufgeteilt und somit werde die Faser auch besser ausgelastet.
Wie bei der P2P-Architektur herrsche also auch bei der P2MP-Architektur Infrastrukturwettbewerb im Feederbereich, behauptet Swisscom.
Dass Swisscom nun gemeinsam mit Partnern den Einsatz von P2MP-Architekturen prüft, ändere deshalb nichts an der Wettbewerbssituation – es sei lediglich eine konsequente Ausrichtung an den internationalen technologischen Entwicklungen.
Auch am Zugang für Drittanbieter bzw. ISPs wie Init7 ändere sich mit P2MP-Netzen nichts. Sie investierten bereits heute nicht in die sogenannte letzte Meile, sondern erreichten mit ihrer Infrastruktur höchstens die Zentrale. Wenn dies der Fall sei, könnten sie in den heutigen P2P-Netzen dort die Kundenfaser entweder von Swisscom oder dem Kooperationspartner (in der Regel ein lokaler Energieversorger) physisch auf ihre Infrastruktur überführen und so mit Diensten versorgen. Dies sei auch in Zukunft möglich – nur werde dann die Faser nicht mehr physisch, sondern entweder optisch, indem ein Drttanbieter eine eigene Wellenlänge erhält, oder über ein virtuelles System logisch auf die Infrastruktur des ISPs überführt. Dies sei heute durch technologische Innovationen wie zum Beispiel TWDM PON möglich, wo auf demselben Glasfaserkabel unterschiedliche Anbieter operieren, die ein unterschiedliches Farbspektrum nutzen. (Hans Jörg Maron)
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