100 Millionen Franken über dem IT-Budget. Verzögerte und abgebrochene Projekte. Leistungen des hauseigenen IT-Dienstleisters, die nicht geliefert werden. Die
Negativschlagzeilen über die Projekte der Schweizer Armee und des Verteidigungsdepartements (VBS) reissen nicht ab. In den Veröffentlichungen zu den Komplikationen taucht mehrfach die Führungsunterstützungsbasis (FUB) auf, der interne IT-Dienstleister des VBS.
Zuletzt war in einem
Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) die Rede davon, dass deren Leistungen immer wieder zu grossen Diskussionen führe. Die massive Budgetüberschreitung wurde ebenfalls mit den mangelnden Ressourcen der FUB begründet. Diese hat seit Mai mit Thomas Fankhauser einen neuen Chef. Der 56-jährige Informatiker und Betriebswirt, vor seinem Amtsantritt Vizedirektor des Bundesamtes für Informatik (BIT), leitet die Organisation durch stürmische Zeiten. Denn im ganzen Trubel wird die FUB mit dem
Projekt Kommando Cyber neu ausgerichtet.Wir treffen Fankhauser zum Gespräch. Er empfängt
inside-it.ch im Hauptquartier der FUB, einem zweistöckigen Sichtbetonbau in direkter Nachbarschaft zur Ruag, den man dürftig in Glas verkleidet hat. Schon 15 Minuten vor dem Termin warten zwei junge Männer im Tarnanzug vor dem Foyer. Sie bieten Geleit in den 2. Stock zu Fankhauser und zur FUB-Kommunikationschefin.
Herr Fankhauser, welche Ressourcen haben sie in der FUB zur Verfügung?
Wir haben IT-Fachleute im Umfang von 950 Vollzeitstellen. Unser Budget folgt einem mehrjährigen abgestuften Planungsprozess in Zusammenarbeit mit dem Armeestab. Es speist sich aus den Projektausgaben, aber auch Instandhaltungs- oder Immobilienbudgets. Das muss man zusammenrechnen. Für den Betrieb der IT-Systeme allein haben wir einen IT-Sachkredit von 130 Millionen Franken zur Verfügung.
Das IT-Budget der Armee lag 2021 bei 460 Millionen Franken und wurde nun um 100 Millionen überschritten. Liegt das an den mangelnden Ressourcen bei der FUB?
Nein. Es ist schlichtweg das Volumen, das wir bewältigen müssten. Wollten wir alle Aufträge seitens der Armee in der gesetzten Frist erfüllen, müssten wir rund 300 Personen zusätzlich einstellen.
Man muss aber nicht alles selbst erarbeiten, wir können auch Externe beauftragen. Heute beurteilen wir sehr gut, was wir wirklich selber erledigen müssen und was wir an den Markt übergeben können. Das macht fast jede grosse IT-Firma. Das Gleichgewicht und die Voraussicht sind aber tatsächlich nicht optimal gelaufen. Darin müssen wir besser werden und dazu hat die Armeeführung Ende Oktober die IKT-Gesamtplanung 2022 verabschiedet.
Externe Ressourcen sind aber in der Regel teurer. Müsste man hier angesichts der rasanten Digitalisierung nicht aufstocken?
Wir erfüllen unseren Grundauftrag: wir haben alle Einsätze der Armee erfolgreich umgesetzt, betreiben die IT-Systeme der Armee, sorgen für Cybersecurity und liefern Kundenservices. Aufgrund der grossen Anzahl an Veränderungsprojekten fehlen allerdings Ressourcen. Auch wenn wir ein grösseres Budget kriegen würden, könnten wir das nicht einfach in adäquate IT-Power ummünzen. Geld haben ist gut, aber es löst das Problem nicht.
Fehlt es in der FUB an Fachleuten?
Auch wir haben mit dem bekannten Fachkräftemangel über fast alle ICT-Rollen zu kämpfen. Sehr ausgeprägt ist das Defizit im Security-Bereich. Aber fehlen ist eigentlich das falsche Wort, weil es impliziert, dass wir viele Vakanzen haben und Stellenausschreibungen offen sind. Das ist nicht der Fall. Wir erbringen heute mit unserem Potenzial, die bestmögliche Leistung zugunsten der Armee.
Sollte man nicht mehr Leute einstellen?
Die Personalbudgets im Bund und im VBS sind definiert und begrenzt.
Über die Grössen der Teams und die konkreten Rollen will der FUB-Chef nicht sprechen. Man könne auf das Zentrum Elektronische Operationen (ZEO) rückschliessen, jenen Teil des FUB, der für die Nachrichtendienste im Rahmen der Gesetze auch offensive Cyberoperationen durchführen darf, sagt Fankhauser. Immerhin, so viel wird im Gespräch klar: Die 100 IT-Vollzeitstellen, die Armee-Chef Thomas Süssli gegenüber den Medien genannt hatte, sind Mitarbeitende der FUB für Veränderungsprojekte.
Ein Teil dieser Mitarbeitenden wird in das Projekt Kommando Cyber überführt, die Organisationsstruktur, die Anfang 2024 stehen soll und derzeit von Fankhausers Vorgänger,
Divisionär Alain Vuitel, geplant wird. Es werde wie das Heer oder die Luftwaffe ihre Operationssphären, den Cyber- und elektromagnetischen Raum "bewirtschaften", sagt Fankhauser. Viel mehr sei über die künftige Rolle der FUB oder die Architektur der Organisation noch nicht bekannt. Der Umbau muss erst noch durch die Bundesversammlung, die Chancen stehen aber gut. Kürzlich hat die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates einstimmig beantragt, auf das Geschäft einzutreten.
Frisst der Transformationsprozess viele Ressourcen?
Nein, das ist überschaubar. Natürlich binden Veränderungen Ressourcen, aber die eigentliche Herausforderung stellt das Volumen an Veränderungsprojekten dar. Da wurden jetzt Priorisierungen beschlossen. Einige Projekte müssen umplanen, ein paar erhalten 2022 keine IKT-Leistungen gesprochen.
Welche Projekte betrifft das?
Das will ich derzeit noch nicht sagen, da einige Involvierte darüber noch nicht informiert wurden. Die Projekte werden auch nicht abgebrochen.
Wie kam es denn zu dieser Flut an Projekten? Hat da jemand falsch geplant?
Der Treiber ist die Digitalisierung der Gesellschaft, wovon die Armee ein Teil ist. Damit steigen auch die Anforderungen, die Systeme zu verteidigen. Das Risiko von Cyberattacken wird nicht nur in der Privatwirtschaft grösser, auch wir werden täglich angegriffen. Da müssen wir dagegenhalten.
Es gibt aber schon auch Riesenprojekte wie das 3,3 Milliarden Franken schwere Fitania, die enorme Ressourcen binden. Dieses verzögerte sich bereits mehrfach. In einem Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) hiess es jüngst zu einem anderen verschleppten Projekt, die Leistungen der FUB seien seit Jahren ein intensiv diskutiertes Thema. Können Sie das nachvollziehen?
Ja, aber es geht nicht um Schuldzuweisungen. Ich würde das so erklären: Wir können nicht die geforderten Leistungen aller Projekte im gewünschten Zeitraum erbringen. Darum müssen wir bessere Prozesse für die Integration externer Ressourcen finden. Wir müssen früher wissen, was wir konkret in den Projekten selbst erbringen und was wir auslagern müssen, um dann fristgerecht die Ressourcen beschaffen zu können.
Ein weiterer Vorwurf lautet, dass die Projektanforderungen von der FUB nicht korrekt definiert würden, was wiederum die Beschaffung erschwere.
So einfach ist das nicht. Vor allem die grossen IT-Projekte des Militärs haben eine komplexe Struktur. Dabei wird von Armasuisse der Projektleiter gestellt, der dann die benötigte Unterstützung etwa für die IT-Aspekte definiert. Damit kommt er zur FUB, die wiederum Teilprojektleiter ernennt und für die IKT die Anforderungen erstellen muss. Diese müssen mit den regulatorischen Spezifikationen, besonders mit dem WTO-Prozess für die Beschaffung, abgestimmt sein. Bei grossen, mehrjährigen Projekten ist das eine erhebliche Herausforderung.
Sie würden der im EFK-Bericht zitierten Armasuisse widersprechen?
Nein, ich würde sagen, dass die Ausgangslage komplexer ist. Ich schätze die EFK-Berichte sehr – das ist keine Floskel – dank dem kritischen Aussenblick wissen wir auch, woran wir noch arbeiten müssen. Die EFK hat die Rolle, auf die Projekte zu schauen, die nicht so gut laufen. Die Frage ist dann, wie wir damit umgehen. In den Berichten der EFK tauchen die vielen gut funktionierenden Projekte in der Regel nicht auf. Vielleicht brauchen wir auch eine Plattform, auf der man von diesen liest.
Auch ohne Schuldzuweisungen muss man aber doch sagen, dass einiges im Argen liegt. Wie reagiert die FUB nun auf die Lage?
Neben der Priorisierung der Projekte wird die IKT-Gesamtplanung umgesetzt. Wir wollen die Verteilung der IT-Aufgaben effizienter lösen können. Zudem gibt es interne Anstrengungen wie die ICT Warrior Academy oder den Cyberlehrgang, um bei uns Inhouse Ressourcen aufzubauen. Denn eines ist klar, die Anforderungen an die IT-Dienstleistungen werden angesichts der Digitalisierung nicht weniger. Wir werden immer mehr IKT-Leistungen erbringen dürfen.
Im
Gespräch mit Bernhard Knechtenhofer zeigen wir, wie die Lage aus Sicht der Beschaffung aussieht. Der Betriebswirtschafter leitet das 150-köpfige Team von Armasuisse, das Informatik und Kommunikationsmittel einkauft – letztes Jahr für rund 700 Millionen Franken. Damit müssen auch fehlende interne Ressourcen kompensiert werden.