Generali dürfte viel IT und Personal an Tata outsourcen

29. Juli 2020 um 11:53
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Mit BPaas und einem neuen Kernsystem könnten 600 Stellen und Dutzende von Millionen Franken eingespart werden, so ein internes Dokument.

Generali Schweiz plane einen "Riesenabbau", schreiben der Finanzbranchen-Blog 'Inside-Paradeplatz' und die 'NZZ' übereinstimmend. Der Schweizer Ableger des italienischen Konzerns plane 600 der 1800 Stellen in Adliswil bei Zürich und in Nyon an den indischen Riesen Tata Consulting Services (TCS) auszulagern. Dieser soll unter anderem BPaaS liefern für den Versicherer.
Das Outsourcing sei Teil eines Projekts namens "Pegasus", mit welchem Generali in der Schweiz bis 2025 jährlich 50 Millionen Franken einsparen soll, heisst es unter Berufung auf ein internes Generali-Dokument. Davon würden 30 Millionen Franken bei Informatik und Operations eingespart. Auf Anfrage zu den Sparplänen antwortet ein Generali-Sprecher: "Die rekordtiefen Zinsen sind eine Herausforderung für die gesamte Versicherungsindustrie. Generali Schweiz hat in den vergangenen Jahren viel investiert und eine wichtige Basis geschaffen für die künftige Entwicklung. Davon können wir jetzt profitieren. Doch die Situation bleibt anspruchsvoll."
Der Plan sei "weit fortgeschritten" schreibt der Blog, im September werde das Outsourcing konkretisiert. Auch wird bei Generali offenbar schon von Sozialplänen gesprochen.
TCS ist seit einiger Zeit mit Generali Schweiz im Geschäft, wie ein Sprecher bestätigt. "TCS ist für die Pflege verschiedener IT-Systeme bereits seit 2015 Outsourcing-/Outtasking-Partner der Generali Schweiz." Ein sichtbares Resultat des TCS-Involvements war im November 2017 der Launch des Kundenportals "MyGenerali". Damals wurde bekannt, es gehe bei der Zusammenarbeit mit TCS um eine "digitale Transformation", nicht bloss um ein Portal und eine App. Beides sei nur der Anfang. Martin Frick, COO von Generali Schweiz, sagte dazu: "Der erste Schritt ist getan, viele weitere stehen noch aus."

Finanziert TCS die Migration für Generali?

Laut einem unscharfen Foto eines mit "Strictly Confidential" bezeichneten Dokuments über "Pegasus" will Generali Schweiz auch die Legacy-Systeme durch TCS-Lösungen ersetzen. Explizit wird dafür geworben, dass die Schweizer auf "TCS BaNCS" als Kernsystem setzen sollten. Dabei handelt es sich laut TCS-Angaben um eine Core Banking Software Suite, welche initial für Retailbanken entwickelt wurde.
Ein prominenter Schweizer Kunde von "TCS BaNCS" ist Postfinance, welche die Migration im Frühjahr 2018 mit wenigen öffentlich wahrnehmbaren Problemen vollzog.
Generali hingegen ist im Geschäft mit Sach-, Rechtsschutz- und Lebensversicherungen sowie Vorsorgelösungen tätig. Die Inder haben nicht allzu viele Kunden-Stories auf ihrer Website aus dieser Branche vorzuweisen, aber bieten die "TCS BaNCS Cloud for Insurance" an, die Generali interessieren könnte. Eine indische Versicherung namens Bajaj Allianz General Insurance mit über 3000 Angestellten und rund 100 Produkten wird als Referenz aufgelistet.
Die Schweizer Versicherungen sind offenbar ein vielversprechender Neumarkt für TCS, lässt sich aus dem Generali-Dokument schliessen: Der Anbieter sei bereit bei einem Auftrag "einen grossen Teil" der Migrationskosten zu übernehmen und Generali könne so Millionen von Franken sparen. So heisst es im Dokument, das 'Inside-Paradeplatz' und der 'NZZ' zugespielt wurde.
Man habe zusammen mit der Mutter Generali Gruppe und TCS einen Prozess eingeleitet, antwortet der Schweizer Versicherungssprecher zu Fragen rund um den Ersatz der Legacy-IT, die offenbar "ihren Lebenszyklus bereits überschritten hat". Zur Zukunft des Schweizer Bereichs IT und Operations seien verschiedene Möglichkeiten denkbar, so der Versicherer. "Wir prüfen derzeit verschiedene Optionen. Eine Entscheidung ist bisher noch nicht getroffen", sagt Generali-Schweiz CEO Andi Krümmel.
Legacy-IT ersetzen kann auch bei Versicherungen ein Himmelfahrtskommando werden, wenn Kosten explodieren und Deadlines nicht eingehalten werden können. Aber Fragen nach potenziellen Risiken  oder zur Evaluation von hierzulande erfahrenen TCS-Konkurrenten will Krümmel nicht antworten. "Weitere Aussagen können wir aktuell nicht machen."
Verträge sind offenbar noch keine unterzeichnet, aber wenn TCS seit 2015 zur Zufriedenheit von Generali gearbeitet hat, scheint dem indischen Konzern der Prestigeauftrag sicher zu sein.
Welche Rolle Avectris künftig spielen wird, ist nicht bekannt. Der IT-Dienstleister hatte 2017 diverse Outsourcing-Budgets von Generali erhalten.
Ob künftig der Schweizer TCS-Standort zum Zuge kommt oder eine eigens gegründete neue Firma, ist laut dem Generali-Dokument ebenfalls noch offen.

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