Man lanciere 2022 ein schweizweit tätiges "digitales, nachhaltiges Finanzdienstleistungsunternehmen", kündigte die Basellandschaftliche Kantonalbank BLKB an. Angedacht sei eine organisatorisch, operativ und mit Namen und Sitz von der BLKB unabhängige Einheit.
Noch eine Schweizer Neo-Bank nach CSX, Zak, Neon, Alpian, Yapeal sowie angekündigter Digitalbanken, wie diejenige von Postfinance? "Das sind keine Mitbewerber", erklärt Anders Bally im Gespräch. Der Sentifi-Gründer ist verantwortlich für den Aufbau der Einheit und fügt an: "Banken gibt es genug."
Das Fintech, welches den Namen "Radicant" trägt, müsse zwingendermassen unabhängig von Banken operieren. "Eine Bank ist eine Datenfirma, doch die Daten befinden sich immer in Silos und Banken können ihre Systeme nicht zusammenführen. Wir starten auf der grünen Wiese und ohne Silos, damit können wir Prozesse automatisieren."
"Dynamisch" auf neue Kundenbedürfnisse reagieren
Das Businessmodell von Radicant soll sich in 2 Punkten grundsätzlich unterscheiden: Zum einen will man mit Finanzprodukten auf den Markt, die von einer Community gewünscht und mitgeprägt werden. Zum andern bilde Nachhaltigkeit – ökonomischer Erfolg, ökologische Verantwortung und soziale Gerechtigkeit – den Kern aller Finanzdienstleistungen und der Firma selbst.
"Wir wollen zuerst genau verstehen, was die Kunden brauchen und dann die Technologie bauen, um sie zu bedienen. Die Kunden sind sehr dynamisch, aber das bemerken die Banken nicht, denn sie haben nur ein oder zwei Touchpoints mit ihnen jährlich. Wir wollen lernen, wie andere Branchen von vielen ihrer Kunden lernen. Beispielsweise zeigt Nike neue Schuhmodelle auf Facebook und je nach Feedback sehen die Schuhe dann vielleicht anders aus."
Entsprechend gründet die BLKB zuerst einmal die Firma offiziell und Bally beginnt mit Community-Building, Einkauf und Entwicklung von Technologie. Und warum sollen potenzielle zahlende Kunden nun auch noch die Finanzdienstleistungen selbst entwickeln? "Wir sprechen Menschen an, die nicht nur profitabel anlegen wollen und mit anderen zusammenarbeiten wollen und die selbst nachhaltig leben wollen."
Konkret spricht Radicant technologieaffine 30- bis 40-Jährige an, die mindestens 100'000 Franken anlegen und weltverbessernd poolen wollen.
Zur Community sollen aber auch Fintechs und Tech-Konzerne stossen, so Bally. "Auch Konkurrenten will ich nicht ausschliessen." Mit all diesem Input sollen sich die Offerings des Fintechs "dynamisch anpassen" können.
Nun gibt es seit 30 Jahren Ökofonds und x Anlageprodukte, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben haben. Radicant will zum einen die
17 globalen Nachhaltigkeitsziele der UNO als Beurteilungsrahmen zu Rate ziehen. Diese würden nicht nur den inhaltlichen Rahmen bilden, das seien auch gute, verständliche Stories für Anleger und politisch einflussreich. "Sie sind ein Gamechanger!"
"Wir müssen hypereffizient sein"
Zum anderen will Bally Firmendaten einkaufen, um diese automatisiert auf die Nachhaltigkeit hin analysieren zu können. Es sei der Data-Analytics-Ansatz wie er ihn auch mit Sentifi verfolgt habe, so der Radicant-Chef.
Automatisierte Prozesse und KI-basierte Analysen sind auch der Schlüssel zum Geschäftserfolg für Radicant. Die neue Firma müsse hypereffizient sein, um billiger zu sein und Geld zu verdienen, so Bally.
Was dies technologisch konkret bedeutet, lässt er offen. Man werde Lösungen einkaufen und möglicherweise andere selbst entwickeln, sagt er.
Mit diesem Vorgehen unterscheidet sich "Radicant" ein bisschen vom initial angekündigten Projekt der BLKB. Man werde im ersten Halbjahr 2022 starten, hatte BLKB-Chef John Häfelfinger an einer Medienkonferenz angekündigt. Und man lanciere bewusst nicht ein "Minimal Viable Product".
Nun will Bally mit 50 Millionen Franken Startkapital der Bank beginnen, Mitarbeitende einzustellen sowie die Schweizer Community und den Dienstleister aufzubauen. Eine Finma-Lizenz wird Radicant ebenfalls einholen müssen. 2021 sei entsprechend noch mit keinem Produkt zu rechnen. Aber: "Wir sind finanziell gut ausgestattet und die Zeit ist reif für Radicant", sagt Bally. "Es gibt den politischen Druck für nachhaltiges Geschäften und es gibt die Menschen, die etwas Positives bewirken und Geld verdienen wollen."