Ein internationales Journalistenkonsortium hat neue Vorwürfe gegen den israelischen Überwachungssoftware-Anbieter NSO veröffentlicht. IT-Experten fanden den Berichten zufolge auf 37 Smartphones von Journalisten, Menschenrechtlern, deren Familienangehörigen und Geschäftsleuten Spuren von Angriffen mit der Pegasus-Software des Unternehmens.
Die Nummern seien Teil eines Datensatzes von mehr als 50'000 Telefonnummern, den die Journalisten gemeinsam mit den Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International auswerteten. Die Nummern sollen den Berichten zufolge von NSO-Kunden als potenzielle Ausspähziele ausgewählt worden sein.
NSO wies die Vorwürfe am Sonntag vehement zurück. NSO-Anwalt Thomas Clare sagte gegenüber der 'Washington Post', die an der Untersuchung beteiligt war, das Journalistenteam habe "offenbar entscheidende Quelldaten, auf die es sich stützt, falsch interpretiert und falsch charakterisiert." Die Vorwürfe seien "so empörend und weit von der Realität entfernt", dass NSO eine Verleumdungsklage erwäge.
NSO betont gegenüber der
'Washington Post' weiter, dass es die Systeme, die es an "überprüfte Regierungskunden" verkaufe, nicht betreibe und keinen Zugriff auf die Daten der Zielpersonen seiner Kunden habe.
Dem israelischen Unternehmen war bereits in der Vergangenheit vorgeworfen worden, mit der Software Pegasus totalitären Regierungen
bei der Ausspähung von Journalisten und Dissidenten geholfen zu haben.
Bei Pegasus handelt es sich laut dem Security-Unternehmen Avast um ein Remote Access Tool mit Spyware-Eigenschaften. Die Android-Varianten können demnach Daten von beliebten Messenger-Plattformen wie Whatsapp, Facebook und Viber sowie E-Mail-Programmen und Browsern extrahieren. Die Spyware sei in der Lage, den Bildschirm der Benutzer aus der Ferne zu überwachen, Screenshots zu erstellen und die Eingaben auf dem Gerät per Keylogging aufzuzeichnen.
Exportbeschränkungen gefordert
In einer Erklärung prangert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International an, was sie als "den weitgehenden Mangel an Regulierung" von Überwachungssoftware bezeichnet. Solange NSO und die gesamte Branche nicht beweisen können, "dass sie in der Lage sind, Menschenrechte zu respektieren, muss es ein sofortiges Moratorium für den Export, den Verkauf, den Transfer und die Nutzung von Überwachungstechnologie geben", schreiben die Menschenrechtler.
Nach den Berichten fordert auch die Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), Monique Hofmann, Einschränkungen für den Export von Überwachungstechnologie. "Autoritäre Staaten nutzen Pegasus, um kritische und oppositionelle Stimmen zum Schweigen zu bringen", betonte sie. "Ausspäh-Software darf nicht an Staaten geliefert werden, in denen immer wieder Menschenrechte verletzt werden." Erst in diesem Jahr habe die Europäische Union mit der Reform der Dual-Use-Verordnung die Chance auf eine solche starke Regulierung verpasst.