Das Bundesverwaltungsgericht hat vor knapp 4 Wochen zu Ungunsten von Swisscom
entschieden, weshalb das Unternehmen seinen Glasfaserausbau vorerst stoppen musste. Nun sind die ersten Konsequenzen bekannt: Swisscom hat Berechnungen des Winterthurer Providers Init7 zufolge rund 93'000 Haushalte vom FTTH-Netz "abgehängt" beziehungsweise aus der Vermarktung genommen. Deshalb können diese nun bei keinem Anbieter mehr Glasfaser-Internet bestellen.
Swisscom will die Zahl nicht kommentieren, sagt aber: "Wir halten die vorsorglichen Vorgaben ein und nehmen die notwendigen Anpassungen bei Bau und Vermarktung vor."
Die Schuld dafür ist jedoch bei Swisscom selbst zu suchen, sagt das
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Bei Randziffer 376 steht wörtlich, dass "Swisscom nie die Absicht hatte, den Glasfaserstandard mit Vierfaser-Modell und P2P-Topologie einzuhalten."
Divergierende Meinungen
Swisscom-Sprecher Sepp Huber sagt dazu, dass "sich nach unserem Verständnis der Runde Tisch auf ein Vierfasermodell ausschliesslich für den Inhouse-Bereich und nicht auf Drop und Feeder verständigt" hat. Und Swisscom stehe zur verständigten Branchenlösung und halte diese jederzeit ein. Und Huber betont, dass Swisscom "zwischen der Glasfasersteckdose und dem Distributionspunkt vier Glasfasern verlegt." Darüber hinaus sei der wichtigste Erfolgsfaktor des Schweizer Telekommarktes der Infrastrukturwettbewerb und das Parlament habe bei der letzten Revision des Fernmeldegesetzes bewusst auf die Regulierung der Glasfaser verzichtet.
Hier gehen die Meinungen jedoch auseinander: Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hält bei Randziffer 374 fest: "Swisscom hat nicht entsprechend den Vorgaben des vereinbarten Glasfaserstandards gebaut, sondern so, dass es in keiner Weise für die Errichtung eines FTTH-Netzes Verwendung finden könne."
Und nicht nur das: Eine Randziffer weiter steht, dass von Swisscom selbst bestätigt werde, "dass diese Abweichung vorsätzlich erfolgt ist." Konkret gehts darum, dass Swisscom aufgrund zu dünner Kabel der Konkurrenz keinen Layer-1-Zugriff mehr geben kann, wofür sie laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eigentlich verpflichtet wäre. "Swisscom versucht, so den Markt zu kontrollieren", sagt Fredy Künzler, Geschäftsführer von Init7.
Wie weiter?
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Swisscom hunderte Kilometer falsch verlegter Kabel ersetzen muss. Wie viel dies das Unternehmen kostet, kann Swisscom laut Sepp Huber derzeit "nicht quantifizieren". Fredy Künzler sagt: "Der Aufwand dafür dürfte dabei 8- oder gar 9-stellige Summen kosten, und man fragt sich, warum diese Verschwendung keine personellen Konsequenzen nach sich zieht."
In Stein gemeisselt ist jedoch noch nichts, zumindest theoretisch. Bis zum 4. November hat Swisscom noch Zeit, das Urteil beim Bundesgericht anzufechten. Ob das Unternehmen dies tun will, ist laut Sepp Huber noch nicht entschieden.
Alternativ oder ergänzend dazu bestünde die Möglichkeit, erneut alle Parteien, inklusive Wettbewerbskommission, unter Führung des Bakoms an einen neuen Runden Tisch zu bestellen, um sich gemeinsam auf das weitere Vorgehen zu einigen. Swisscom ist dafür grundsätzlich zu haben, wenngleich Sepp Huber sagt: "Für uns steht im Vordergrund, möglichst schnell Rechtssicherheit zu erlangen, um den blockierten FTTH-Ausbau möglichst rasch wieder aufnehmen zu können. Ob ein neuer runder Tisch dazu beitragen könnte ist offen."