Prantl behauptet: Des Unternehmers Wille ist sein Himmelreich

26. Mai 2025 um 11:05
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Die Nachfolge in der Geschäftsleitung von Schweizer IT-Firmen beschäftigt die Inhaberinnen und Inhaber je länger, je mehr. Sie übergeben oftmals nicht weniger als ihr Lebenswerk.

IT- und Software-KMU entstehen nicht am Reissbrett. Oft werden sie auch ohne Masterplan gegründet. Das gilt insbesondere für solche, die vor 20 bis 30 Jahren entstanden und sich heute aufgrund des fortgeschrittenen Alters ihrer Gründer nach einer passenden Nachfolge umsehen.
Im Zentrum der Gründer stand vielmehr die Idee für eine Software oder für die Erbringung IT-technischer Dienstleistungen. Die Gründer hatten entweder einen Informatik-Hintergrund (damals nannte man das noch "EDV"), einen fachlichen Background, den sie IT-mässig in ein Produkt oder eine Dienstleistung ummünzen wollten oder waren Quereinsteiger, die sich für Computer und Software begeisterten. Sie hatten aber nie den Anspruch, einen perfekt funktionierenden Betrieb aufzubauen und dabei betriebswirtschaftlich, führungsmässig und rechtlich alles absolut "richtig" zu machen. Im Gegenteil, an derlei Dinge dachten sie keine Sekunde und lösten solche Fragestellungen pragmatisch, dann wenn sie sich stellten.
KMU, die aufgrund ihrer Produkte und Leistungen gewachsen sind und die magischen Grenzen von 20 bis 30 Mitarbeitenden, die von an die 100 Mitarbeitenden oder gar darüber hinaus überschritten, mussten sich zwar in ihren Prozessen und in der Führung (teilweise) professionalisieren, Altlasten und weniger wichtige Gewohnheiten haben sie aber oftmals beibehalten und gar nie entsorgt. Solche, die die erste Wachstumshürde gar nie erreichten und bei ihren ±20 Mitarbeitenden stehen blieben, hatten kaum je einen Druck oder Wunsch hin zur Professionalisierung und sind daher noch oft gleich unterwegs, wie vor Jahrzehnten.
Dieser Umstand scheint Investoren oftmals ungenügend bewusst zu sein.

Wachstumspotenzial liegt brach

So erlebe ich mal immer wieder, dass Käufer von Softwarefirmen deren Unternehmern mehr oder weniger offen zu verstehen geben, dass sie ihr Unternehmen bis anhin unprofessionell und mehr nach Gefühl, denn nach klaren Daten und Fakten geführt haben. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass eine Steigerung der Ebitda-Margen um das Doppelte oder gar Dreifache problemlos realisierbar sei, sofern fachmännischer gemanagt würde. Was zwischen den Zeilen wohl nichts anderes heisst, als dass bis anhin dilettantisch vorgegangen wurde.
Fatal ist eine solche Vorgehensweise insbesondere dann, wenn der Verkaufsprozess noch jung ist und es primär darum geht, Vertrauen aufzubauen. Konkret noch bevor ein gemeinsamer Letter of Intent abgeschlossen werden konnte. So entsteht bei den verkaufenden Unternehmern rasch das Gefühl, bis anhin alles falsch gemacht zu haben. Der Verkauf seines Lebenswerks ist für jeden Unternehmer aber eine zutiefst emotionale Sache und das letzte, was er sich dabei wünscht, ist ständig korrigiert zu werden. Wenn auch oft nur subtil und ohne, dass es offen ausgesprochen wurde.
Mein wichtigster Tipp an verkaufswillige Unternehmer ist daher simpel. Erklären und sich verständlich machen, nie aber rechtfertigen. Wer sich rechtfertigt, begibt sich in eine Defensivhaltung und damit zum Ausdruck, etwas falsch gemacht zu haben. Insbesondere Unternehmer mit bloss einem Kaufinteressenten laufen infolge fehlender Alternativen rasch Gefahr, sich zu erklären. Wer hingegen aus mehreren Kaufinteressenten aussuchen kann, der verfügt ohne Zweifel über ein gestärktes Selbstvertrauen und damit über die besseren Karten.

Gründer, nicht Betriebswirtschaftler

Investoren andererseits müssen kapieren und sich, wenn sie Erfolg haben wollen, damit abfinden, dass die Objekte ihrer Begierde nicht von Betriebswirtschaftsprofis, sondern von IT-Technikern gegründet und geführt wurden. Die hatten weder ein Gewinnmaximierungsinteresse, noch arbeiteten sie mit einem Kennzahlen-Dashboard, das ihnen immer den vermeintlich richtigen Weg wies. Vielmehr standen zufriedene Kunden, glückliche Mitarbeitenden, langjährige Partnerschaften und coole Produkte im Vordergrund. Alles andere war das Ergebnis daraus und solange Schwarz, auch ok.
Besserwisserei ist absolut tödlich und lässt jeden Verkaufsprozess über kurz oder lang gegen die Wand fahren. Im Gegenteil, aus Investorensicht würde ich mich vielmehr darauf konzentrieren, das zu kaufende Unternehmen perfekt zu verstehen, damit ich als neuer Eigentümer später selbst alles besser machen kann. Das geht dann nämlich voll auf die eigene Rechnung. Wer als Käufer jedoch mit den Unzulänglichkeiten einer Firma nicht leben will, der steigt besser aus dem Prozess aus und macht sich höflich vom Acker. Wie so oft gilt nämlich auch hier: Man trifft sich immer mindestens zweimal im Leben. Ganz besonders in der kleinen Schweiz.
Urs Prantl kreiert zukunftssichere und gesund wachsende IT-Unternehmen und begleitet ihre Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Unternehmensnachfolge und beim Firmenverkauf. Ausserdem ist er Host des Podcasts Prantls 5A, in welchem die strategische Einzigartigkeit erfolgreicher IT-Unternehmen im Gespräch mit ihren Inhaberinnen und Inhabern im Dialog herausgeschält wird. Als Kolumnist äussert er auf inside-it.ch seine persönliche Meinung.

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