Im Mai hat das Thurgauer Parlament über ein neues Polizeigesetz beraten. Besonders pikant dabei: Es soll der Polizei erlauben, elektronische Geräte von verdächtigen Personen direkt vor Ort einzusehen. Gemäss der 'NZZ'
(Paywall) soll dies auch möglich sein, ohne dass ein Delikt nachgewiesen werden kann oder ein konkreter Tatverdacht vorliegt. "Es handelt sich sozusagen um eine Überwachungsmassnahme auf Vorrat", schreibt die Zeitung.
Die einzige Bedingung für die Polizei ist, dass der Handybesitzer bei der Sichtung dabei ist und die Durchsuchung der Gefahrenabwehr oder der Erkennung von Vergehen und Verbrechen dient. Insbesondere dieser Paragraph wird stark kritisiert. Die Einschränkung sei an Schwammigkeit kaum zu überbieten, heisst es im Bericht. "Ein derart tiefgreifender Eingriff in die Privatsphäre zu rein präventivpolizeilichen Zwecken galt in der Schweiz bisher als Tabu."
Wenig Bedenken betreffend Datenschutz
Eine Mehrheit des Thurgauer Politikerinnen und Politiker nahm den Vorschlag von Sicherheitsdirektorin Cornelia Komposch (SP) dennoch an. "Ist es denn so schlimm, wenn die Polizei nachschaut, mit wem ich als Letztes telefoniert oder was ich als Letztes fotografiert habe?", fragte ein Politiker der Mitte-Partei während der Debatte. Mögliche Eingriffe in die Privatsphäre wurden zwar thematisiert, doch die Bedenken wurden schlicht als Misstrauensvotum gegenüber der Polizei abgetan.
Am Ende sei Widerstand praktisch nur von den linken Parteien und von der FDP gekommen, schreibt die 'NZZ'. Die Mehrheit des Thurgauer Parlamentes sah kein Problem darin, dass fremde Beamte private Nachrichten und Anruflisten durchforsten. Dabei sieht die eidgenössische Strafprozessordnung bereits heute strenge Voraussetzungen für solch schwere Eingriffe in die Privatsphäre vor.
Kontraproduktiv für die Polizei
Besonders heikel am neuen Polizeigesetz sei, dass Geräte ohne konkreten Verdacht und nur mit dem Ziel, allfällige Straftaten zu verhindern, durchsucht werden dürfen. Die kantonale FDP ging deshalb in die Opposition. Nach dem Parlamentsbeschluss von Anfang Mai hat sie ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben, das zum Schluss kam, dass die vom Thurgauer Parlament verabschiedete Bestimmung in der jetzigen Fassung "nicht mit der Verfassung vereinbar" ist.
Die Autoren des Gutachtens gehen sogar noch einen Schritt weiter: Das neue Gesetz könnte möglicherweise sogar kontraproduktiv für die Polizeiarbeit sein. Die Vorgaben seien weniger streng als diejenigen in der eidgenössischen Strafprozessordnung, halten sie fest. Aus diesem Grund könnten künftig Beweise, die von der Thurgauer Polizei gestützt auf das neue Gesetz erhoben wurden, in einem späteren Strafprozess wertlos werden, weil die Erhebung der Verfassung widersprechen würde.
Die Opposition hofft nun auf ein Scheitern des Gesetzesentwurfs. In dieser Woche findet die zweite Lesung zum umstrittenen neuen Polizeigesetz des Kantons Thurgau statt.