BT: "Die Schweiz ist ein Musterland"

18. März 2022 um 09:28
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Joris van Oers verantwortet seit gut 3 Jahren das Europageschäft bei BT Global. Im Exklusivinterview mit inside-it.ch spricht der Niederländer über die Relevanz der Schweiz und sagt, warum ihm die breite Wahrnehmung seiner Firma gar nicht so wichtig ist.

100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt BT Global in Wallisellen und in Genf. Obwohl die Schweiz gemessen an diesen Zahlen zu den kleineren Ländergesellschaften bei BT zählt, gehört der Markt zu den 3 wichtigsten in Europa. Im Gespräch mit inside-it.ch erzählt Europachef Joris van Oers, wie er neue Kunden akquiriert und welche für ihn essenziell sind.
Bei der Neueröffnung Ihrer Niederlassung hier in Wallisellen im Jahr 2019 sagte die damalige Länderverantwortliche, Nadja Risse, dass BT nahezu unsichtbar gewesen sei in der Vergangenheit. Das hat sich in den vergangenen 3 Jahren nicht wirklich verändert. Ich muss nicht aufs Dach steigen und herumschreien, wer wir sind. Wichtig für uns ist es, gezielte Kampagnen zu fahren, die die breite Öffentlichkeit gar nicht wahrnehmen kann. Es reicht mir, wenn uns die richtigen Leute sehen. Es müssen nicht alle sein.
Welche Relevanz hat der Schweizer Markt für Sie als Europachef verglichen mit anderen Ländern? Die Schweiz zählt zu den Top 3 zusammen mit Deutschland und der Benelux-Region.
Praktisch seit Sie in Ihrer Rolle bei BT sind, dominiert die Pandemie. Wie blicken Sie auf die vergangenen 2 Jahre zurück? Es war eine lehrreiche Zeit. Ich hätte nie gedacht, dass unser globales Unternehmen funktioniert, wenn unsere Mitarbeitenden ständig im Homeoffice sitzen. Aber es hat geklappt. Und wir konnten auch vielen Kundinnen und Kunden helfen, dies umzusetzen.
Sind Sie ein Pandemiegewinner? Ja, Covid hat unser Geschäft angekurbelt. Zum Beispiel haben wir einen grossen Konsumgüterhersteller dabei unterstützt, 62'000 Mitarbeitenden einen sicheren Arbeitsplatz im Homeoffice zur Verfügung zu stellen. Aber für die Mitarbeitenden war es nicht nur positiv, es hat sich nach 8 bis 9 Monaten eine gewisse Pandemiemüdigkeit eingestellt.
Wie sind Sie damit umgegangen? Wir haben relativ schnell hybride Arbeitsmöglichkeiten angeboten. Die Menschen wollen und brauchen das, dieser Ausgleich ist wichtig für ihr Wohlbefinden und wir als Unternehmen müssen das ermöglichen, sonst haben wir im "War for Talents" keine Chance.
Hat BT in der Schweiz auch profitiert? Wie viele andere globale Unternehmen auch veröffentlichen wir keine länderspezifischen Zahlen. Aber insgesamt verzeichneten wir bei weniger Umsatz steigende Gewinne.
Schrumpfende Umsätze sind doch überraschend, wenn Sie sich vorhin als Pandemiegewinner bezeichnet haben. Diese sind nicht aufs Business an sich zurückzuführen, sondern vor allem auf Unternehmensbereiche, die wir verkauft haben, weil wir nicht der richtige Besitzer gewesen sind. In den Bereichen Netzwerk, Cloud und Security wachsen wir zweistellig.
Die steigenden Gewinne können also nur zwei Ursachen haben: höhere Margen oder geringere Kosten. Was war es bei Ihnen? Beides. Die verkauften Firmen waren im Geschäft mit tiefen Margen tätig, das war ein strategischer Entscheid, uns dort nicht mehr positionieren zu wollen. Und wir sind tatsächlich eine kostenorientierte und -bewusste Firma und optimieren unsere Kostenbasis. Auch wir automatisieren und digitalisieren unsere Prozesse.
Optimieren, automatisieren und digitalisieren sind auch Synonyme für Entlassungen. Gabs welche? In einigen Ländern war es im Rahmen unserer Transformation leider unvermeidlich, dass es zu Entlassungen kam. Ich bedaure das.
Auch in der Schweiz? Nein, wir sind hier mit unseren 100 Mitarbeitenden gut aufgestellt und wollen in der Tendenz sogar noch wachsen. Konkrete Angaben dazu kann ich aber noch nicht machen.
Was sind aktuell die Wachstumstreiber? Einerseits die Migration von Kundinnen und Kunden von Legacy-Systemen zu neuen Technologien, sei es im Cloud-, Netzwerk- oder Security-Bereich oder in der Bereitstellung von hybriden Arbeitsplätze, andererseits unser Neukundengeschäft.
Sind auch Schweizer Firmen unter den Neukunden? Weil im Kundenfokus von BT praktisch ausschliesslich globale Unternehmen sind, ist die Schweiz mit ihren Banken, der Pharmaindustrie, Versicherungen und Firmen wie ABB, Schindler oder Nestlé quasi ein Musterland dafür, wie wir arbeiten. Der Schweizer Markt hat definitiv Priorität für BT. Zu konkreten "neuen Logos" aus der Schweiz kann ich leider nichts verraten.
Welche "Logos" sind denn interessant für Sie? Wenn wir in einer Branche ein führendes Unternehmen gewinnen konnten, sprechen wir mit deren Konkurrenten. ABB als Referenz hilft uns, um mit anderen globalen Industriekonzernen zu reden. Es geht darum, potenzielle Kunden sorgfältig zu identifizieren und dann anzugehen. Damit beginnen wir jetzt auch in der Schweiz.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht es BT darum, vor allem Kunden zu gewinnen, bei denen schnelles Wachstumspotenzial besteht. Ja, typischerweise werden Verträge mit Laufzeiten von 3 bis 7 Jahren abgeschlossen. Unser Ziel ist es, nicht nur das zu liefern, was vereinbart worden ist, sondern zu wachsen und den Vertrag zu verlängern. Lieber habe ich 2 grosse Deals, die sich gut entwickeln, als 100 kleine, die stagnieren.
Als Europachef führen Sie auch die Niederlassung in Russland. Wie gehen Sie damit um, dass Russland Krieg gegen die Ukraine führt? Es ist eine herausfordernde Situation. Wir haben nur ein kleines Büro mit 17 Mitarbeitenden in Russland und haben entschieden, kein Neugeschäft mehr anzustreben. Wir sind mit den Beschäftigten in ständigem Austausch, um sicherzustellen, dass es ihnen gut geht und sie in Sicherheit sind. Dasselbe gilt selbstverständlich für unsere Partner in der Ukraine. Zudem unterstützen wir unsere multinationalen Kunden, die in der Region tätig sind.

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