Chat­kontrolle und Vorrats­daten­speicherung sind menschen­rechts­widrig

14. Februar 2024 um 08:52
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Europäischer Gerichtshofs für Menschenrechte in Strassburg. Foto: zVg

"Die Schwächung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist unverhältnis­mässig", urteilt der Europäische Gerichts­hof für Menschen­rechte. Er äussert sich auch zur Vorrats­daten­speicherung.

Anton Valeryevich Podchasov ist russischer Staatsbürger und beschwerte sich vor mehreren Jahren am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen die Russische Föderation. Der Staat verpflichtete den Betreiber der App Telegram unter anderem dazu, Kommunikationsdaten während eines Jahres zu speichern und diese den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung zu stellen – inklusive Informationen, die zur Entschlüsselung von verschlüsselten Nachrichten nötig sind.
Im publizierten Urteil "Podchasov gegen Russland" schreibt der EMGR, dass "Verschlüsselung starke technische Garantien gegen den unrechtmässigen Zugriff auf den Inhalt der Kommunikation bietet". Technische Lösungen würden zum Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation beitragen und zur Wahrnehmung von Grundrechten wie dem Recht auf freie Meinungsäusserung beitragen. Ausserdem würde verschlüsselte Kommunikation Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen dabei helfen, sich gegen "die unzulässige Weitergabe vertraulicher Informationen zu schützen".

"Nicht im Verhältnis zu legitimen Zielen"

Um die Entschlüsselung zu ermöglichen, heisst es vom EMGR, müsse Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für alle Nutzerinnen und Nutzer geschwächt werden. Es sei nicht möglich, diese Massnahmen auf bestimmte Personen zu beschränken. Das "steht nicht in angemessenem Verhältnis zu den verfolgten legitimen Zielen". Mit den "legitimen Zielen" meint der Gerichtshof, dass Verschlüsselung auch von Kriminellen genutzt werden kann.
In einer demokratischen Gesellschaft könne es "nicht als notwendig angesehen werden", verschlüsselte Kommunikation zu entschlüsseln und die gesamte Internetkommunikation aller Nutzerinnen und Nutzer zu speichern. Soweit die Gesetzgebung den öffentlichen Behörden generell und ohne ausreichende Garantien Zugang zum Inhalt elektronischer Kommunikation gewähre, "beeinträchtigt sie das Recht auf Achtung des Privatlebens". Und: "Der beklagte Staat hat daher in dieser Hinsicht seinen akzeptablen Ermessensspielraum überschritten", heisst es im Urteil abschliessend.

Chatkontrolle und Vorratsdatenspeicherung anfechtbar

Faktisch hat der Menschengerichtshof somit nicht nur die Vorratsdatenspeicherung für illegal erklärt, sondern auch die geplante Chatkontrolle der EU, welche die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung europaweit aushebeln will. Zwar bezieht sich das Urteil nur auf die Gesetze in Russland, aber es zeigt, dass vergleichbare Vorhaben auch in anderen Ländern anfechtbar sind.

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