Banken-IT: "Klarer Shift in die Themen Digitalisierung und Automatisierung"

17. November 2020 um 15:19
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Die Pandemie hat einiges durcheinander gewirbelt. Wir haben uns bei Bankensoftware-Häusern und ihren Kunden nach Budgets und Trends erkundigt.

Die Corona-Pandemie hat auch die Schweizer Software-Industrie in Mitleidenschaft gezogen: Projekte wurden sistiert, Budgets umgeleitet. Wie wir im Sommer im Rahmen des Digital Channels Forum ermittelt hatten, bereiteten sich Software-Firmen auf eine schwierige Zukunft vor.
Eine Umfrage des Beratungshauses Itopia hatte bereits im Frühling gezeigt: Die IT-Kosteneffizienz ist bei den Schweizer Banken konstant geblieben. Das erste Mal seit 2016, nachdem man länger wachsende Ausgaben verzeichnet hatte. Für das laufende Jahr erwartete Itopia sogar einen leichten Rückgang der IT-Ausgaben – und dies noch ohne Berücksichtigung der Pandemie.
Wir wollten nun von Bankensoftware-Häusern und ihren Kunden wissen, wie sich die Lage zwischenzeitlich entwickelt hat und ob sich auch Vorteile abzeichnen. Bei der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg), dem Verband des Schweizer Finanzplatzes mit knapp 300 Mitgliedsinstituten, zeigt man sich optimistisch: Die Banken hätten ihren Kunden aus dem Homeoffice beistehen können, weil viele Prozesse bereits heute digitalisiert seien, hiess es auf unsere Anfrage.
"Die Krise hat den Wert von durchgängig digitalisierten Abläufen sowohl an der Schnittstelle zum Kunden wie auch mit Blick auf die bankinternen Abläufe eindrücklich aufgezeigt", erklärt die Bankiervereinigung. Die Implementierung und Verbesserung dieser Kanäle brauchen aber auch entsprechende Budgets.

Wie entwickelt sich das IT-Budget der Banken?

Bei Postfinance und der ZKB will man die IT-Budgets auch nächstes Jahr auf dem gleichen Niveau wie 2020 belassen, teilen die Institute mit. Seitens Raiffeisen erklärt man, ohne konkrete Details zu nennen, dass im Rahmen der Strategie 2025 diverse Initiativen für die Digitalisierung auf Kundenseite gestartet würden.
Postfinance hatte schon Anfang September angekündigt, im Rahmen der neuen Strategie "SpeedUp" die digitale Transformation beschleunigen zu wollen. Dazu gehören Investitionen in neue Geschäftsmodelle, Automatisierung und in die Erneuerung der IT-Infrastruktur.
Die ZKB will in den nächsten drei Jahren 100 neue Stellen in der Informatik schaffen. Damit reagiere man auf das wachsende Bedürfnis der Kunden nach IT-Bankendienstleistungen, heisst es von der Kantonalbank.
Die beiden Grossbanken CS und UBS nennen keine Details zum Niveau der IT-Investitionen. Man wolle auch 2021 "substanzielle Investitionen" in die Digitalisierung tätigen und das digitale Angebot ausbauen, heisst es seitens der Credit Suisse lediglich. Die UBS teilt mit: "Wir kommentieren keine Budgets" und verweist auf die globalen Ausgaben der letzten Jahre.

Bankensoftware-Häuser zeigen sich optimistisch

Die Bankensoftware-Häuser blicken derweil offiziell freudig in die Zukunft. Bei Finnova erwartet man, dass die digitalen und hybriden Kanäle für die Banken wichtiger werden. Dieser Trend "wird in den kommenden 12 bis 24 Monaten noch massiv mehr an Bedeutung gewinnen". Entsprechend glaubt man beim Banken-Software-Haus an stabile Kunden-Budgets: "Grössere Sparmassnahmen sind aktuell nicht bekannt. Wir sehen aber einen klaren Shift in die Themen Digitalisierung und Automatisierung."
Diese Einschätzung teilt auch Crealogix: "Wir stellen bisher keinen Rückgang oder gar Investitionsstopp seitens der Finanzdienstleister fest. Im Gegenteil, aufgrund der Pandemie ist das Thema Digitalisierung der Bankdienstleistungen sogar noch stärker in den Fokus gerückt." Zahlreiche Banken würden in neue digitale Dienstleistungen für die Kunden und in cloudbasierte Lösungen investieren, vermutet Oliver Weber, CEO von Crealogix, wie er auf Anfrage festhält. Dieser Trend halte voraussichtlich auch nach der Pandemie an.
Man blicke sehr optimistisch in die Zukunft, "da weitere Investitionen in die IT bei Banken schlichtweg unabdingbar werden", antwortet auch Avaloq auf die Frage, wie sich die IT-Budgets entwickeln könnten. "Die Finanzindustrie ist bei der Digitalisierung schon relativ weit vorangeschritten, gerade im Vergleich zu anderen Branchen, aber wir haben trotzdem gesehen, dass es noch enormes Potenzial für weitere Verbesserungen und Effizienzsteigerungen gibt".
Temenos teilte im Sommer mit, dass Umsatz und Gewinn wegen Corona rückläufig seien, weil viele IT-Projekte bei den Banken verschoben worden seien. Der Genfer Bankensoftware-Hersteller antwortete nicht auf unsere Anfragen.

Diese Trends beobachten die Software-Anbieter bei den Banken

"Wir sehen einen aktuellen Trend in unterschiedlichen Investitionsbereichen wie zum Beispiel bei der Digitalisierung an der Kundenschnittstelle, hybride Filialen, Prozessautomatisierung, Modernisierung von Beratungslösungen und digitalen Arbeitsplatz", charakterisiert Finnova die Entwicklung der letzten Monate.
Bei Crealogix sieht man das ähnlich: "Die COVID-19 Pandemie hat die Bedürfnisse der Bankkunden verändert und damit die Digitalisierung von Dienstleistungen erheblich beschleunigt." Zugleich verweist das Unternehmen auf den Wettbewerb, den Neobanken, digitale Finanzdienstleister und Tech-Konzerne gegen die Banken entfesselt haben. Die Schlussfolgerung des Anbieters: "Entsprechend gehen wir davon aus, dass Banken ihre Digitalisierungsvorhaben im Jahr 2021 priorisieren und sogar beschleunigen werden."
Das Geschäft lockt im Bereich der Dienstleistungen für die Kunden der Banken, so kann man ein Fazit der Software-Anbieter zusammenfassen. Dies erklärt auch Avaloq: "Wo wir einen klaren Trend sehen bezüglich neuer Prioritäten ist im Bereich Kundeninteraktion." Dies habe sich in der Pandemie, als die physischen Kontakte weggebrochen sind, nochmals akzentuiert.
Bestätigt wird dies auch von der Bankiersvereinigung: Nun würde sich die digitale Transformation, insbesondere bereits vorher beliebte Themen, nochmals beschleunigen: bargeldlose Transaktionen mit Karten oder Mobile Payment, die digitale Kontoeröffnung und die digitalen Kundenkontakte via Mobile- und Online-Banking.

Die Banken setzen ihre Prioritäten

Bei den Banken zeigt man sich überzeugt, dass man in der Digitalisierung vorne mitspielt. Insbesondere Homeoffice sei bereits weit gediehen gewesen und die Umstellung in der Pandemie habe gut geklappt, sagen die befragten Institute unisono. Aber auch kundenseitig berichten sie von öffentlichkeitswirksamen Erfolgen.
"Corona hat dazu geführt, dass unsere Kundinnen und Kunden noch viel stärker auf die digitalen Dienstleitungen von Postfinance setzen. Hier spüren wir seit Ausbruch der Pandemie ein stärkeres Wachstum", erklärt Postfinance und stützt damit die Einschätzung der Software-Häuser. Man sei seit Jahren laufend mit dem Ausbau des digitalen Angebots und an der E2E-Prozessoptimierung mit der Digitalisierung und Automatisierung des Geschäfts beschäftigt.
Derselbe Tenor erklingt aus dem Hause ZKB: "Neben den bisherigen Schwerpunkten sind Lösungen zur Kollaboration intern und mit Kunden nochmals wichtiger geworden. Gleichzeitig wurden wir bestätigt, den Weg der Digitalisierung der Dienstleistungen und Produktangebote konsequent weiter zu gehen". Mit dem Ausbau der IT-Stellen im Haus, reagiere man auf die sich beschleunigende Digitalisierung und das wachsende Bedürfnis der Kunden nach benutzerfreundlichen, schnellen und sicheren IT-Bankdienstleistungen.
Auch Raiffeisen erklärt, man habe an der digitalen Kundennähe gearbeitet. Wie gut dies den hiesigen Finanzinstituten gelingt, die von Fintechs, Neobanken und auch den Tech-Riesen bedrängt werden, wird sich zeigen müssen. Die Pandemie, soviel geht aus den Antworten hervor, dürfte sich beim Prozess als Katalysator erweisen.
Die Corona-Pandemie hat auch in der IT-Welt einiges auf den Kopf gestellt, Orientierung fällt nicht immer leicht. Die Redaktion von inside-it.ch und inside-channels.ch wollte sich ein Bild der momentanen Lage machen und hat in verschiedenen Sektoren nachgefragt. Nach der Finanz-Branche werden wir in den nächsten Tagen und Wochen über den Status der IT-Investitionen und Prioritäten in der Maschinenindustrie, den Versicherungen und der öffentlichen Hand berichten.

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