"Relio lanciert demnächst das erste Schweizer Digital-Konto speziell für KMU", mit diesem Versprechen ist das Fintech soeben an die Öffentlichkeit gegangen. Man strebe eine Fintech-Lizenz an und habe in einer Pre-Seed-Finanzierungsrunde 700'000 Franken vom Wagniskapital-Fonds der Schweizer Börsenbetreiberin SIX und dem deutschen High-Tech Gründerfonds (HTGF) erhalten, heisst es weiter.
Auf Anfrage bestätigt das Unternehmen, dass seit August 2020 mit einer Stammbelegschaft von 4 Mitarbeitenden in den Räumlichkeiten des SIX FinTech Incubators F10 in Zürich die Fertigstellung der Plattform vorangetrieben werde. Laut Pressesprecher Milos Stokic sind aber rund 10 Mitarbeitende intensiv in das Projekt involviert. Sie stammen aus dem Verwaltungsrat und dem Netzwerk von Lav Odorovic, der das Startup letztes Jahr gegründet hat und leitet.
Odorovic hat in Deutschland die Neobank Penta aufgebaut, die "deutsche Digitalbank für Freelancer, Startups und Kleinbetriebe", wie mitgeteilt wird. Als Verwaltungsratspräsident ist hierzulande der Contovista-Gründer Gian Reto à Porta mit an Bord. Was Revolut, Neon, Yapeal und Co. für
Privatkunden anbieten, will Relio für KMU verfügbar machen.
Statt der üblichen digitalen Banking-Services, die bisher schon zu rund 80% von mehr oder weniger allen Neobanken angeboten werden, fokussiere Relio insbesondere die meist wegen Compliance-Ansprüchen anspruchsvolleren übrigen 20% der Firmen, so Stokic. Gerade an diesen KMU-Ansprüchen würden oft die bisher schon angebotenen Fintech-Lösungen zur digitalen Abwicklung von Finanzgeschäften scheitern, sagt er.
Zwar sei ein Firmenkonto schnell eingerichtet, doch könne sich der Prozess aufgrund der Compliance-Anforderungen über Wochen hinziehen. Odorovic will das ändern: "Unser Versprechen ist 'compliance without complications'". Deshalb baue man ein "digitales Geschäftskonto rund um die Compliance als Kernkompetenz" auf. Dieser Ansatz soll ermöglichen, dass "auch komplexe KMU schnell und unbürokratisch ein Konto mit Schweizer IBAN erhalten". Dieses Konzept wolle man möglichst unabhängig realisieren und möchte deshalb auch eine eigene Fintech-Lizenz der Finma erlangen.
Man nutze wie etwa auch Yapeal die Kernbankenlösung der englischen SaaScada, lege aber einen besonderen Fokus auf die Automatisierung der Compliance von KMU, erklärt der Relio-Mann weiter. Dazu würden branchenspezifisch die Prozesse automatisiert. Zugute käme Relio bei der Entwicklung, dass bei aller Verschiedenheit der KMU dennoch Muster existierten, die man in allen Branchen verwenden könne. Das führt zu dem Versprechen, dass "selbst komplexe Unternehmen ein Geschäftskonto mit Schweizer IBAN innerhalb von 24 Stunden eröffnen" können.
Ausserdem arbeite man an Tools zur Zusammenarbeit und der Software-Integration etwa von Buchhaltungslösungen, für die entsprechende APIs verfügbar gemacht werden sollen. Welche Lösungen das seien werden, lässt man derzeit noch offen. Abacus dürfte wohl nicht dazugehören, zumal die sich gerade erst bei Yapeal
eingekauft haben.
Wann Relio tatsächlich live geht, kann Stokic derzeit nicht sagen. Prototypen und Proof of Concepts existierten schon länger. Geplant sei der Start der Plattform, sobald die Lizenz der Finma vorliegt. 9 bis 12 Monate könne das dauern, hatte zuletzt zum Beispiel die Basellandschaftliche Kantonalbank (BLKB) bei der
Gründung ihrer Digitaltochter festgehalten. Das ist auch ungefähr der Zeitraum, mit dem man bei dem neuen Startup rechnet. Demnach könnten Anfang 2022 erste Kunden gewonnen werden, Interessenten gebe es jedenfalls schon, so der Marketing-Mann weiter. Sobald ersten Kunden an Bord sind, werde man auch die nächste Finanzierungsrunde starten, schiebt er nach.
Dass der Neobanken-Bereich im Aufwind ist, hat zuletzt die
Hochschule Luzern in der "Trendstudie Banken 2021" festgestellt. Demnach wickelt bereits jede 5. Person seine Finanzgeschäfte nur noch digital ab. Tatsächlich sind im Privatkundegeschäft in den letzten Monaten entsprechende Projekte von Schweizer Finanzinstituten aus dem Boden geschossen: Die Credit Suisse etwa lancierte im letzten Herbst ein Konkurrenz-Produkt zu Revolut und Co., die Postfinance will mit Swissquote eine Digital-Banking-App à la Neon lancieren. Und auch die BLKB möchte auf dem Markt Fuss fassen.