Lex Laux: Über Standards nachdenken, bevor man digitalisiert

24. März 2023 um 11:57
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Rechtsanwalt Christian Laux

Es braucht definierte "Spurweiten", damit der Zug der Digitalisierung vorankommt. Und man sollte zunächst auf Daten schauen.

Juristen glauben manchmal, sie würden strukturierte Inhalte generieren, wenn sie ihre Aktennotizen und Rechtsschriften im Textverarbeitungsprogramm oder als PDF abliefern.
Aber: Content in PDFs ist aus der Datenperspektive unstrukturiert und kann nicht leicht weiterbearbeitet werden (aka "Digitalisierungshürde"). Wissensmanagement? Wäre naheliegend. Aber mit unstrukturierten Formaten ist das fast unmöglich.
So erklärt sich folgende Anekdote. Ein gestandener Anwalt in einer grossen Kanzlei hat an einer Veranstaltung zu Know-how-Management in Anwaltskanzleien gesagt: "Know-how-Management hat mit Macht zu tun."
Wissensmanagement in Kanzleien findet ab 23.30 Uhr statt
Was er meinte: Man müsse ausgelasteten Anwältinnen und Anwälten befehlen, dass sie nach getaner Arbeit die finale Version ihres Dokuments am richtigen Ort – in der "Wissensdatenbank" – ablegen und am besten noch verschlagworten.
Nach dieser Sicht findet Wissensmanagement in der Anwaltskanzlei ab 23.30 Uhr statt.
Texte von Juristen setzen sich aus Begriffen, Sätzen und Paragraphen zusammen, die man wiederverwerten können sollte. Aber nicht als PDF. Jede wiederverwertbare Einheit sollte ein Snippet sein. Und bevor man ans PDF denkt, sollte man diese Snippets zu "Actionable Information" machen.

Erst in Standards, dann in Digitalisierung investieren

Wissensmanagement heisst "Inbound / Outbound". Der Zug muss in einer bestimmten Formation in den Tunnel einfahren, um am Ende des Tunnels wieder rauszukommen. Wenn Züge vor einem Tunnel erst auf andere Spurbreiten umgebaut werden müssten, gäbe es Wartezeiten und Folgekosten.
Das schlägt den Bogen zu Datenräumen. Daten sollen aus Silos befreit und in Datenräume eingebracht werden (Inbound), um von dort besser für Sekundärnutzungen zur Verfügung zu stehen (Outbound). Wenn Datenräume Datenstandards vorsehen, sind die Transaktionskosten gering.
Zum Glück hat die Schweiz erkannt, dass solche Konzepte für die Digitalisierung zentral werden.
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Motion der WBK zur Sekundärnutzung von Daten. Und passend zu Reisebild: Das erste Gesetz dieser Art ist meines Wissens das MODIG, das der Bundesrat im Februar 2022 auf die Reise geschickt hat.
Demgegenüber ist Digitalisierung Mindset und die Koordination von Abläufen.
Bevor Gelder in die Digitalisierung gesteckt werden, sollten diese besser in Daten, Strukturen, Standards und Methoden fliessen. Darauf kann Digitalisierung dann aufbauen.

Veranstaltung zum Thema

Vom 24. bis 26. März findet in Bern der Bitmark Hackathon 2023 statt. Die Veranstaltung dreht sich um einen Industriestandard für das Bildungswesen und soll aufzeigen, was möglich ist. Für Juristen ist der Standard auch interessant: Textsnippets ("Bits") werden damit “Actionable” (Marked). Wer am Hackathon nicht mitmachen kann, kann sich am Sonntagvormittag von 10.30 bis 12.00 Uhr in die Pitch-Präsentationen und die Award Ceremony einwählen.

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