Jeder Zweite bei Twitter könnte nach der Übernahme von Elon Musk seinen Job verlieren. Am Freitag, 4. November, zum Bürostart um 09:00 Lokalzeit sollen die Angestellten per E-Mail erfahren, ob sie beim sozialen Netzwerk bleiben dürfen oder nicht. Die Twitter-Büros werden an diesem Tag geschlossen bleiben und alle Zugangskarten deaktiviert sein, heisst es in einer internen Rundmail. Die Massnahme soll die "Sicherheit der Mitarbeitenden sowie der Twitter-Systeme und Nutzerdaten gewährleisten" – genauer gesagt: Eine Vorsichtsmassnahme, um Proteste von Entlassenen zu verhindern.
Medienberichten zufolge stehen 3700 Jobs auf der Kippe – das ist rund die Hälfte der Arbeitsplätze beim Online-Dienst. Eine Überraschung ist das nicht. Schon vor dem Kauf sprach Elon Musk von
einer geplanten Massenentlassung. Damals dementierte die Twitter-Geschäftsleitung die Spekulationen noch. "Es gibt keine Pläne für unternehmensweite Entlassungen", zitierte 'Bloomberg' aus einer E-Mail von Twitter-General-Counsel Sean Edgett, der mittlerweile ebenfalls das Unternehmen verlassen musste.
Die angespannte Stimmung machte sich bemerkbar. Einige (noch aktuelle) Twitter-Manager haben laut
'CNBC' das Personal angewiesen, 12-Stunden-Schichten zu leisten, 84 Stunden pro Woche insgesamt. Aus Sorge um ihren Arbeitsplatz sollen einige gar über das Wochenende im Büro geschlafen haben, wie 'New York Times' berichtet.
Sinkende Einnahmen für Musk
Musk hatte den Twitter-Kauf zuvor stets mit dem Anliegen begründet, die Redefreiheit zu stärken. Beispielsweise soll er auch den verbannten US-Präsidenten Donald Trump zurück auf die Plattform bringen wollen. Einige Werbekunden sagen sich nun schon vom Online-Dienst los, zum Beispiel General Motors. "Twitters Werbekunden befürchten einen Imageverlust, wenn Musk wieder alle Inhalte auf der Plattform erlaubt", analysiert
SRF-Wirtschaftsredaktor Pascal Lago die Situation.
Grosse Agenturen wie Coca-Cola und Spotify haben empfohlen, erstmal keine Werbung auf Twitter zu schalten, wie aus diversen Berichten hervorgeht. Das bedeutet für Musk: sinkende Einnahmen. Und das bei einem Unternehmen, das sowieso schon rote Zahlen schreibt und keinen Gewinn einbringt. Zu Beginn hiess es noch,
er habe Twitter nicht gekauft, um Geld damit zu verdienen. Nun versucht der Tech-Milliardär krampfhaft Geld zusammenzukratzen und Kosten zu sparen, wo es nur geht. Kürzlich kündigte er an, einen neuen Bezahldienst einzuführen. Für das blaue Verifizierungshäkchen sollen Userinnen und User künftig 8 Dollar pro Monat bezahlen. Mit dem Stellenabbau möchte er auf die Kostenbremse treten. Dass Twitter unrentabel ist, hat wohl auch Musk mittlerweile bemerkt.
"Wir sind uns bewusst, dass sich dies auf eine Reihe von Personen auswirken wird, die wertvolle Beiträge zu Twitter geleistet haben, aber diese Massnahme ist leider notwendig, um den weiteren Erfolg des Unternehmens sicherzustellen", schreibt Twitter im Rundmail beschwichtigend.
Twitter-Angestellte klagen
Laut Informationen der Nachrichtenagentur
'Bloomberg' (Paywall) formiert sich nun ein Widerstand. Am Bundesgericht in San Francisco wurde eine Sammelklage gegen die Massenentlassung von Musk eingereicht. Die Twitter-Angestellten beanstanden, dass die gesetzlichen Fristen bei Kündigungen nicht eingehalten werden. Das Unternehmen entlasse Personal ohne ausreichende Vorankündigung und verstosse so gegen das Bundesrecht.
Man habe die Klage "eingereicht, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter wissen, dass sie ihre Rechte nicht durch Unterschrift aufgeben sollten und dass sie eine Möglichkeit haben, ihre Rechte zu verfolgen", sagte die Anwältin Shannon Liss-Riordan gegenüber 'Bloomberg'.