Wie die Sicherheitskommission des Kantons Bern schreibt, sei das neue Vorgangsbearbeitungssystem "Rialto" der Kantonspolizei Bern am 29. März 2022 "wie geplant" eingeführt worden. Angesichts der Tatsache, dass dieses gemeinsame Projekt mit Swisscom und SAP
bereits 2019 hätte fertiggestellt werden sollen, wirkt diese Aussage etwas beschönigend. Noch im Dezember 2020 wurde ein dritter
Zusatzkredit von 5 Millionen Franken vom Berner Parlament zähneknirschend bewilligt. Nun soll das System gemäss der Sicherheitsdirektion technisch stabil laufen, es würden allerdings noch Optimierungen bei der Performance angestrebt.
Wie Recherchen von 'SRF' zeigen, wurde das Projekt insgesamt deutlich teurer, als ursprünglich geplant. Laut dem Regionaljournal Bern betrug die Preissteigerung bereits im Jahr 2020 mehr als 50%. Zudem sei das Projekt zwei Jahre später als erwartet fertiggestellt worden, weil die Kantonspolizei, die Staatsanwaltschaft, aber auch die beauftragte Swisscom damit überfordert waren. Wie 'SRF' weiter berichtet, habe Swisscom kostenlose Arbeitsstunden im Wert eines siebenstelligen Betrags geleistet, um das Projekt überhaupt zu einem Abschluss bringen zu können.
Die Sicherheitsdirektion schreibt in ihrer Mitteilung, dass sich die Mitarbeitenden der Kantonspolizei Bern im Vorfeld der Einführung intensiv auf das neue System vorbereitet haben. So werden gemäss ihr mit "Rialto" verschiedene bisherige und in die Jahre gekommene Systeme abgelöst. In einem weiteren Schritt soll zudem die Anbindung der Staatsanwaltschaften an das System erfolgen. Damit soll ein effizienter und durchgängig elektronischer Arbeitsprozess in der Strafverfolgung ermöglicht werden.
Staatsanwaltschaft muss warten
Bereits im Vorfeld hätte die Einführung durch das Polizeikommando mehrfach verschoben werden müssen, schreibt '
SRF'. Auch ein Pilotprojekt, bei dem Polizistinnen und Polizisten die Software testeten, musste abgebrochen werden. Zudem hätten mehrere Quellen unabhängig voneinander berichtet, dass die millionenteure Software zu unausgereift war und unzuverlässig arbeitete. Einer der Kritikpunkte soll dabei gewesen sein, dass die Entwickler zu weit von der Polizeiarbeit weg waren und es immer wieder zu Wechseln in der Projektleitung kam.
Um das System Ende März wenigstens bei der Kantonspolizei in Betrieb nehmen zu können, habe Swisscom gemäss 'SRF' die Arbeitskräfte gezielt für bestimmte Bereiche einsetzen müssen, was zur Folge gehabt habe, dass die Staatsanwaltschaft nun erst 2023 mit "Rialto" arbeiten kann.
Ausmass des Debakels unklar
Während die Sicherheitsdirektion in ihrer Mitteilung schreibt, dass das Projekt mit den budgetierten Mitteln realisiert werden konnte, kam die Finanzkontrolle im März 2021 zu einem völlig anderen Schluss. Bezüglich Terminen, Kosten und Qualität soll das System den Erwartungen nicht entsprechen. Zudem rechnete die Berner Finanzkontrolle damals auch damit, dass die wiederkehrenden Betriebskosten höher als geplant ausfallen werden. Ein entsprechendes Gesuch des Regionaljournals um Offenlegung des Berichts der Finanzkontrolle wurde vergangene Woche abgelehnt.