Swisscom braucht 5 Millionen Zusatzbudget von der Kapo Bern

25. Juni 2020 um 12:18
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Das Projekt "neue Vorgangsbearbeitung" wird teurer und kommt verspätet. Die Kapo Bern erklärt, weshalb nicht Swisscom oder SAP daran schuld seien.

Seit 2015 erregt das Projekt "Neue Vorgangsbearbeitung" der Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft Bern (Kapo) Aufsehen. Initial beschaffte die Kapo für nicht bestätigte 550'000 Franken Leistungen für "Projektmanagement und Qualitätssicherung ICT im Rahmen des Projekts "Neue Vorgangsbearbeitung" bei der AWK Group. Im November 2016 bewilligte der Berner Grosse Rat 13 Millionen Franken für dieses Kapo-Projekt und dies mitten in einer seit Juli 2016 laufenden Ausschreibung
Swisscom erhielt kurz danach, im Dezember 2016, den Zuschlag über 15 Millionen Franken als Generalunternehmen mit einer SAP-Lösung und unseres Wissens ohne ein umgesetztes vergleichbares Referenzprojekt vorweisen zu können. Auffällig am offenen Verfahren war auch, dass nur 2 Angebote eingingen und erfahrene "Polizei-Informatik"-Anbieter wie Xplain, Unisys oder Rola Security Systems keine gültigen Angebote einreichen wollten oder konnten.
Nun wird dasselbe Projekt 5 Millionen Franken teurer und wurde auch nicht wie angekündigt Ende 2019 gelauncht. Dies geht aus einem auf Simap publizierten Freihänder hervor. Zahlt die Kapo für die Unerfahrenheit von Swisscom/SAP mit einer 35-prozentigen Kostensteigerung wie Schweizer Experten vermuten?

"Coronavirus hat sich ausgewirkt"

Laut dem auf Simap publizierten Zuschlag unter dem breit formulierten Titel "Erweiterung Beschaffung 'Neue Vorgangsbearbeitung'" wird als Begründung für die 5 Millionen Zusatzkosten festgehalten, sie seien "aufgrund von Projektverzögerungen und Gesetzesänderungen zusätzliche Leistungen notwendig".
Die Kapo Bern erklärt auf Anfrage, welche Verzögerungen und konkreten Gesetzesänderungen die Mehraufwände begründen: "Einerseits stellten sich gewisse Anforderungen als komplexer heraus aus zu Beginn des Projektes angenommen, andererseits kristallisierten sich auch zusätzliche Bedürfnisse heraus. Die Situation mit dem Coronavirus hat sich auch auf die Arbeit der Entwickler- und Testteams ausgewirkt. Dazu kommen zahlreiche Gesetzesänderungen, die einen Einfluss auf die Arbeit der Polizei und der Staatsanwaltschaft haben, beispielsweise die Waffengesetzrevision."

"Ein einzigartiges Projekt"

Zur Frage eines fehlenden Referenzprojekts nimmt der Sprecher Stellung: "Es ist in der Schweiz ein in dieser Form einzigartiges Projekt, aber es wurden Referenzen im weiteren Sinne vergleichbarer Projekte vorgewiesen."
Trotzdem sei der Zuschlag gerechtfertigt gewesen, denn "es gab keine weiteren Anbieter, welche die Anforderungen vollständig abdecken konnten." Wer die zweite Offerte einreichte, ist unbekannt.
Welche damaligen Referenzen qualifizierten Swisscom als Generalunternehmer für das Kapo-Projekts aufzutreten? "Im Rahmen des damaligen Verfahren hat die Swisscom mit einer gesamtheitlichen Lösung und einer Software-Lösung, welche auch international verwendet wird (zum Beispiel Landespolizei Bayern) die wirtschaftlichste Lösung angeboten."

Noch kein neuer Zeitplan

Laut einer Meldung von 'Keystone-sda' war die Einführung der neuen Vorgangsbearbeitung Ende 2019 geplant. Nun sagt der Sprecher zum ursprünglichen Zeitplan: "Der Zeitplan sah eine Einführung in der ersten Jahreshälfte 2020 vor. Dieser wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt um ein halbes Jahr nach hinten verschoben, dies auch in Folge der zusätzlichen Bedürfnisse und Gesetzesänderungen."
Der verbindliche, neue Zeitplan sei noch nicht klar, so die Kapo, bei der Ausschreibung sei der Regierungsrat involviert und deshalb sei noch nicht klar, ob das Projekt entsprechend umgesetzt werden könne. "In Folge wurde der Zeitplan noch nicht verbindlich festgelegt. Zudem ist auch noch nicht bekannt, welche der ausgeschriebenen Dienstleistungen im Endeffekt bezogen werden müssen."
Der Sprecher präzisiert auf Anfrage auch, wie die Kosten gerechnet seien. So sei bei den Zusatzkosten die beim Zuschlag beschaffte gemeinsame Plattform von Kapo und Staatsanwaltschaft mit getrennten Mandanten eingerechnet.
Hingegen sei die initial ausgeschriebene Option der Erweiterung von Mandanten "Gerichtsbehörden" nicht eingerechnet.
Das Projekt zum Ersatz der aktuellen End-of-Life-Informatik mag sich markant verzögern und wesentlich mehr kosten als veranschlagt, doch die Kapo Bern schliesst weitere Freihänder für die "neue Vorgangsbearbeitung" aus. "Der Projektstand ist soweit fortgeschritten, dass die maximalen Aufwände für das Beschaffungsprojekt abschliessend beziffert werden können."

Swisscom-SAP kommt auch in Basel zum Zug

Beim Projekt geht es um die sogenannte polizeiliche, Vorgangsbearbeitung, samt Journalführung, Geschäftskontrolle und Rapportierung sowie die Technologie zur Bewirtschaftung von fachspezifischen Daten. Dabei sind diverse Schnittstellen für den Datenaustausch mit kantonalen und eidgenössischen Umsystemen involviert. "Ist das neue System einmal in Betrieb, wird es nicht mehr nötig sein, dass die Staatsanwaltschaft oder die Kapo an sich elektronisch vorhandene Daten der jeweils anderen Organisation ausdrucken und neu eingeben müssen", hatte es initial geheissen.
Bemerkenswerterweise hat Swisscom soeben für 19 Millionen Franken den Zuschlag für eine SAP-basierte Vorgangsbearbeitungslösung der Basel-Städtischen Kapo erhalten. Es ging nur eine Offerte ein, Xplain, Unisys, Rola Security Systems und andere Anbieter verzichteten offenbar. SAP-Einsatz war eine Bedingung für die Teilnahme, die Lizenzen wurden vor der Ausschreibung beschafft.

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