Angela Müller leitet die NGO AlgorithmWatch Schweiz. In ihrer Rolle setzt sie sich für einen bewussteren Umgang mit KI, mehr Transparenz und für faire, diskriminierungsfreie Algorithmen ein. Sie leistet einen wichtigen Beitrag daran, dass Unternehmen automatisierte Entscheidungssysteme verantwortungsvoll einsetzen.
Der Award "The Pascal" zeichnet die IT-Persönlichkeit des Jahres aus. Er wird am
16. November 2023 im Rahmen des
Digital Economy Awards im Hallenstadion in Zürich vergeben. Wer einem oder einer der 10 Nominierten eine Stimme abgeben will, kann das
ab sofort tun. Die Stimmen aus dem Onlinevoting zählen 50%, jene der
prominenten Jury ebenfalls 50%.
Sie haben viel erreicht. Worauf sind Sie besonders stolz?
Dass wir heute eine Debatte über Technologie führen, bei der es nicht mehr einzig darum geht, wann das neueste iPhone-Modell vorgestellt wird, wie sich der „smarte“ Kühlschrank zu Hause selbst befüllt oder wie wir unsere tägliche Schrittzahl auf allen Geräten synchronisieren. Wir diskutieren heute auch darüber, was neue Technologien mit uns als Menschen und mit unserer Gesellschaft machen – was es bedeutet, wenn Instagram unsere politische Debatte verzerrt, wenn unsere Leistung am Arbeitsplatz ständig durch Algorithmen analysiert werden kann, ChatGPT in Suchmaschinen integriert wird oder wir mittels Gesichtserkennung jederzeit erkannt werden können. Vielleicht hat die Technologie damit etwas von ihrem Zauber verloren – aber dafür hat die Debatte an Sachlichkeit, Wichtigkeit und Dringlichkeit gewonnen. Der Beitrag von AlgorithmWatch und meinem Team daran macht mich stolz.
Was ist Ihr Antrieb, was motiviert Sie?
Neue Technologien haben ein grosses Potenzial. Dieses werden wir aber nur nutzen, wenn wir sie als das betrachten, was sie sind: ein Werkzeug. Wir müssen mit diesem Werkzeug nicht alles machen, was theoretisch machbar wäre. Wir müssen es da einsetzen, wo es uns tatsächlich nützt – und so, dass es allen nützt, nicht nur einigen Wenigen. Andernfalls droht, dass von KI und co. ein kleiner Kreis von Menschen und Unternehmen profitiert, während die negativen Auswirkungen alle anderen zu spüren bekommen. Algorithmen steuern unsere öffentliche Debatte, können Menschen aufgrund verzerrter Trainingsdaten diskriminieren oder Grundrechte wie die Privatsphäre verletzen. Es geht also letztendlich um Vorbedingungen der Demokratie – und um Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Das ist es, was mich tagtäglich antreibt.
Was kommt als Nächstes? Verraten Sie uns etwas über ein kommendes Projekt.
Ich nenne zwei Projekte: Als Gesellschaft tappen wir noch oftmals im Dunkeln darüber, wo, von wem und wozu denn Algorithmen überhaupt eingesetzt werden. Mit unserem «Atlas der Automatisierung Schweiz» geben wir hier Gegensteuer: Wir zeigen auf, wo wir heute von Entscheidungen, die mit Hilfe von Algorithmen gefällt werden, betroffen sind. Die Einträge im Atlas werden laufend erweitert – unter anderem haben uns inzwischen auch alle Kantone Auskunft gegeben. Zum zweiten Projekt nur so viel: Grosse KI-Sprachmodelle, auf denen etwa auch ChatGPT basiert, werden zunehmend verwendet, um nach Informationen zu suchen. Doch können wir uns auch auf die Antworten verlassen, die sie uns geben? Gerade für die öffentliche Meinungsbildung ist der Zugang zu verlässlicher Information wichtig – und in der Schweiz stehen bekanntlich Wahlen bevor. Da schauen wir – als Watchdog für Algorithmen – natürlich genauer hin.