Das Schulamt rudert zurück: Noch vor Jahresende sollen Microsoft Word, Excel und Powerpoint zum Einsatz kommen. Eine herbe Niederlage für die Verfechter von Open Source.
Dass die Stadt Bern für die neue Schulinformatik auf Open-Source-Lösungen setzte, gab schon
letztes Jahr zu reden, der bis heute Hauptprojektleiter ist.
Insgesamt waren für das Projekt "Base4Kids2" von den Stimmbürgern 25 Millionen Franken Budget abgesegnet worden. Kern der neuen Lösung sollte Collabro Online Office, eine Online-Version von LibreOffice, werden. Als Arbeitsgeräte waren iPads vorgesehen. Eine besondere Kombination aus Open Source und proprietärem Betriebssystem, die noch zu Reden geben sollte.
"Kompliziert, nicht benutzerfreundlich, ungenügend stabil"
Nun hat das Schulamt reagiert: Der Start von Base4Kids2 sei nicht geglückt, heisst es in einem Brief an die Lehrer. Insbesondere die App Collabro, welche als Open-Source-Lösung anstelle von Word, Excel und Powerpoint eingesetzt werde, bereite Sorgen.
"Die Funktionalitäten wie Drucken und Speichern sind kompliziert und nicht benutzerfreundlich. Alte Office-Dokumente können nicht einwandfrei konvertiert werden. Im Weiteren ist die Cloud, wo Sie Ihre Dateien speichern, ungenügend stabil. Das Drucken macht generell Schwierigkeiten und das WLAN erfüllt noch nicht alle Anforderungen", werden im Brief die Probleme zusammengefasst.
Das Schulamt entschuldigt sich, dass die Schwierigkeiten die Spezialisten Medien und Informatik (SMI) "über alle Massen belastet und den Unterricht beeinträchtigt" hätten. Auch in Richtung Lehrpersonen heisst es entschuldigend, dass sie Zusatzaufwand hatten.
Und das Schulamt vollzieht eine schlichte Kehrtwende: "Wir werden noch vor Jahresende auf der Informatikplattform von base4kids2 die Apps für Microsoft Word, Excel und Powerpoint aufschalten", heisst es. Eine schmerzliche Niederlage für die Open-Source-Befürworter.
Matthias Stürmer räumt dies auch gegenüber inside-it.ch ein. Aber es sei nicht zu viel, sondern zu wenig auf Open-Source gesetzt worden, ist er überzeugt. "Die Konstellation aus iPads mit ihrem proprietären System und der Open-Source-Lösung war sehr schwierig". Es sei praktisch unmöglich gewesen, in den geforderten sechs Monaten und mit dem gesprochenen Budget die App sauber zu entwickeln.
Auch WLAN und die Devices machen offenbar Sorgen
Und der Leiter der Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit unterstreicht, dass es nicht einfach ein Konflikt zwischen Open Source und proprietärer Software sei, sondern auch an der Umstellung auf neue Devices gelegen habe. "Einige Endnutzer haben gerne ihre bekannten Tools auf einem Laptop angewendet, andere wiederum freuen sich über die Tablets", erklärt er.
Auch hier entschied das Schulamt überraschendes: Über 300 Base4Kids1-Geräte seien in den letzten zwei bis drei Jahren beschafft worden und könnten nach Abschaltung des alten Systems wieder an die Schulen verteilt werden, teilt es im Brief mit. Dort könnten sie von den Lehrpersonen in den Lehrerzimmern genutzt werden.
Zudem soll Nextcloud in den nächsten Wochen stabilisiert werden. Stürmer unterstreicht dann auch, dass man hier weiterhin auf Open Source setze, ebenso für die Chat-Kanäle auf Mattermost, für das E-Learning auf Moodle und Mahara sowie für die Emails auf Kolab.
Das Schulamt will desweiteren Nutzerfreundlichkeit und Stabilität der Druckerlösung sowie das WLAN überprüfen lassen. Zudem sollen Schulungen und Möglichkeiten zur Unterstützung konzipiert werden.
"Mithilfe dieser Massnahmen sollen Sie so schnell wie möglich ein stabiles und funktionstüchtiges base4kids2 zur Verfügung haben. Daran arbeiten wir mit Hochdruck", heisst es im Brief an die Lehrer.
Die Lehrpersonen sollten sich indes Zeit mit der Umstellung lassen. Sie hätten einen Ermessensspielraum, wann und wie sie die Tablets und Apps im Unterricht einsetzen wollen, heisst es beschwichtigend. Es ist der vorläufige Höhepunkt eines Open-Source-Debakels in der Hauptstadt. (Thomas Schwendener)