

Facebook gewinnt den Kampf um WhatsApp
20. Februar 2014 um 07:53
Grösster Deal der Facebook-Geschichte mit 19 Milliarden Dollar Gesamtwert. Für WhatsApp-User soll sich nichts ändern, verspricht Facebook.
Grösster Deal der Facebook-Geschichte mit 19 Milliarden Dollar Gesamtwert. Für WhatsApp-User soll sich nichts ändern, verspricht Facebook.
Der Messagingdienst WhatsApp wird vom weltweit grössten Social Network Facebook übernommen. Zuvor sollen sich früheren Gerüchten zufolge auch andere IT-Grössen wie etwa Google für den populären Dienst interessiert haben. Der Deal ist der grösste in der Geschichte von Facebook. Zunächst bezahlt Facebook vier Milliarden Dollar in bar sowie Facebook-Aktien im Wert von zwölf Milliarden Dollar an die WhatsApp-Besitzer, wie Facebook am Mittwoch mitteilte. Nach Abschluss der Übernahme sollen über vier Jahre weitere Aktien im Wert von derzeit drei Milliarden Dollar an die Gründer und Mitarbeiter von WhatsApp fliessen. Der Gesamtwert der Übernahme beträgt damit rund 19 Milliarden Dollar. Die Wettbewerbsbehörden müssen dem Handel allerdings noch zustimmen.
450 Millionen Nutzer nach fünf Jahren
Über WhatsApp können Smartphone-Nutzer miteinander Textnachrichten oder Fotos austauschen. WhatsApp hat sich fest als Alternative zu den herkömmlichen, über das Telefonnetz versandten SMS etabliert. Der Dienst hat mehr als 450 Millionen Nutzer im Monat, 70 Prozent davon verschicken täglich Nachrichten über WhatsApp.
"WhatsApp ist auf dem Weg, eine Milliarde Leute miteinander zu verbinden", erklärte Facebook-Chef und -Gründer Mark Zuckerberg. Deshalb sei der Dienst so wertvoll. Facebook selbst kommt auf mehr als 1,2 Milliarden Nutzer. "WhatsApp wird uns dabei helfen, unsere Mission zu erfüllen, die ganze Welt zu vernetzen."
Mit dem Kauf dürfte Facebook vor allem seine Popularität bei jungen Nutzern steigern wollen. Auch wenn es zahlenmässig nicht belegt ist - WhatsApp fragt nicht nach dem Alter -, soll WhatsApp bei Jugendlichen besonders stark sein. Der hohe Kaufpreis gab unter Investoren dennoch zu reden. Die Facebook-Aktien gaben im nachbörslichen Handel um rund drei Prozent nach.
Wie sich der hohe Kaufpreis letztlich rechnen soll, liess Zuckerberg offen. Zunächst einmal gehe es darum, dass der Dienst weiter wachse auf "eins, zwei oder drei Milliarden Mitglieder", sagte Zuckerberg. "Es gibt es mehrere Wege, wie wir damit Geld verdienen können." Werbung zähle in seinen Augen nicht dazu.
WhatsApp verspricht: Keine Änderung
Für die Nutzer werde sich nach der Übernahme nichts ändern, schrieb WhatsApp in einem Blogeintrag. Der Dienst werde nach wie vor für eine kleine Gebühr nutzbar sein und keine Werbung werde die Kommunikation unterbrechen. WhatsApp finanzierte sich anfangs über den Kaufpreis für die App und zuletzt über eine jährliche Abo-Gebühr von einem Dollar.
"WhatsApp wird autonom bleiben und unabhängig agieren", hiess es. "Für Sie, unsere Nutzer wird sich folgendes ändern: Nichts." Auch Zuckerberg versicherte, das WhatsApp-Team werde seine Unabhängigkeit behalten.
Pro Tag wurden weltweit rund 18 Milliarden Nachrichten verschickt. WhatsApp schlug diese Lawine mit einem schmalen Budget und nur 50 Mitarbeitern um. Gemessen daran sind die 16 Milliarden Dollar ein sehr stolzer Preis.
Fühler nach Snapchat ausgestreckt
Facebook hat bereits einen eigenen Messaging-Dienst mit ähnlichen Funktionen. Allerdings kaufte Mark Zuckerberg auch schon für knapp eine Milliarde Dollar die Foto-Plattform Instagram, obwohl Facebook-Nutzer bereits Bilder austauschen konnten.
Auch die derzeit populäre Foto-App Snapchat, bei der Bilder von alleine verschwinden, wollte Facebook dem Vernehmen nach vor kurzem kaufen, die Gründer lehnten jedoch ab.
Der Deal um WhatsApp kommt nur wenige Tage nachdem der japanische Online- Händler Rakuten für 900 Millionen Dollar die Kommunikations-App Viber kaufte. Viber hat 300 Millionen Nutzer.
Wie Zuckerberg den Deal einfädelte
Wenn man Facebook-Chef Mark Zuckerberg glauben darf, hat er die milliardenschwere Übernahme in nicht einmal elf Tagen eingefädelt. Allerdings soll er seit zwei Jahren unverbindlich mit dem befreundeten WhatsApp-Mitgründer Jan Koum gesprochen haben.
Vorletztes Wochenende habe er Koum vorgeschlagen, "dass wir uns zusammentun", sagte Zuckerberg. "Ich kenne Jan schon eine ganze Zeit." Die zwei seien sich schnell handelseinig geworden. Das ist die Kurzform. Die Langform erzählt die 'New York Times' unter Berufung auf eingeweihte Personen.
Demnach reden die beiden Seiten schon seit zwei Jahren miteinander auf Initiative von Zuckerberg. Bei Spaziergängen in den Hügeln des Silicon Valley und gemeinsamen Abendessen hätten sie über Kommunikationsdienste gesprochen. Vor etwa zwei Wochen habe Zuckerberg dann ein konkretes Angebot unterbreitet.
Nach ein paar Tagen Bedenkzeit habe Koum Zuckerberg am vergangenen Freitag daheim besucht und ihm vom Abendessen mit seiner Frau Priscilla Chan abgehalten. Die beiden hätten verhandelt "und dabei einen Teller mit Schokolade überzogenen Erdbeeren gegessen, die eigentlich für Frau Chan gedacht waren". Am Ende des Wochenendes habe das Geschäft gestanden.
WhatsApp-Mitgründer: Vom Einwanderer zum Milliardär
Für den 37-jährigen WhatsApp-Mitgründer Jan Koum krönt der Deal mit Facebook einen märchenhaften Aufstieg aus ärmsten Verhältnissen zum Milliardär. Er wuchs in einem Dorf in der Ukraine auf und kam Anfang der 90er Jahre als Teenager mit seiner Mutter in die USA.
In den USA angekommen war die Familie zunächst auf Sozialhilfe angewiesen. Koum hat das nicht vergessen: Für die Unterzeichnung des Verkaufs an Facebook habe er das verlassene Behörden-Gebäude ausgesucht, in dem er einst für Lebensmittel-Marken anstand, schrieb das Magazin 'Forbes'. Koums Anteil an WhatsApp mache ihn jetzt 6,8 Milliarden Dollar schwer, hiess es.
Die Erlebnisse seiner Jugendzeit hätten ihn und WhatsApp entscheidend geprägt, sagte Koum. Die Überwachung im Sowjet-Regime habe seinen Sinn für Datenschutz geschärft - so berührte ihn der Stasi-Film "Das Leben der Anderen", den er vor kurzem sah.
Und der einstige Wunsch, mit seinem Vater zu kommunizieren, der in der Ukraine geblieben war, habe ihm den Wert eines Dienstes wie WhatsApp gezeigt. "Wir wollten eine App entwickeln, die eine 60-jährige Oma ohne jegliche Computer- Kenntnisse nutzen könnte", sagte er.
Dabei mangelt es Koum nicht an Ehrgeiz: "Wir wollen auf jedem einzelnen Smartphone sein und wir wollen das wichtigste Kommunikationssystem in der Welt werden", sagte er der dpa am Rande der Internet-Konferenz DLD in München im Januar.
Der Milliarden-Deal mit Facebook hat auch eine ironische Seite: Koum und der zweite WhatsApp-Mitgründer Brian Acton hatten sich auch beim weltgrössten Online-Netzwerk beworben, nachdem sie 2007 ihre Jobs beim Internet-Pionier Yahoo aufgaben. Facebook wollte sie damals nicht. (sda/mim)
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