Swico analysiert digitales Profil von Politikern

25. September 2019 um 11:56
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Eine Analyse vor den Wahlen 2019 zeigt: Digitalisierung scheint kein Schwerpunkt der Kandidierenden zu sein. Daneben gibt auch Parldigi Wahlempfehlungen ab.

Eine Analyse vor den Wahlen 2019 zeigt: Digitalisierung scheint kein Schwerpunkt der Kandidierenden zu sein. Daneben gibt auch Parldigi Wahlempfehlungen ab.
Im Juni hatte der Verband Swico den "Digitalisierungsmonitor 2019" für die eidgenössischen Wahlen am 20. Oktober angekündigt. Dieser sollte die Einstellungen und Positionen der Kandidierenden zu den wesentlichen Dimensionen der Digitalisierung erfassen und so ein "digitales Profil" erstellen. Nun wurden die Ergebnisse veröffentlicht.
In Zusammenarbeit mit der Online-Wahlhilfe Smartvote, der Berner Fachhochschule BFH und den Universitäten Zürich und Genf wurde allen 4596 Kandidierenden für den Nationalrat die Möglichkeit gegeben, ergänzend zu den vier Fragen zur Digitalisierung der normalen Smartvote-Wahlempfehlung in einer Zusatzumfrage mit 20 weiteren Fragen ihre Positionen bezüglich verschiedener Digitalisierungsthemen kundzutun.
Nicht einmal ein Viertel machte mit
Der Rücklauf hielt sich in Grenzen: Von den 3571 Kandidatinnen und Kandidaten, welche an der Smartvote-Umfrage zu allen Themengebieten teilnahmen, haben nur 828 oder 18 Prozent die Zusatzumfrage ausgefüllt. Für Swico-Präsident Andreas Knöpfli ein deutliches Zeichen: "Die Digitalisierung ist in Bern immer noch nicht angekommen."
Beim Digitalisierungsmonitor wurden spezifisch die folgenden Parteien ausgewertet: SVP, SP, FDP, CVP, Grüne, GLP und BDP. Nach Parteien haben die Kandidierenden der GLP (27 Prozent) und der Grünen (24 Prozent) den Fragebogen überdurchschnittlich oft beantwortet. Unterdurchschnittlich ist die Teilnahme vor allem bei den Kandidierenden der SVP (14 Prozent). Nach Geschlecht haben Männer deutlich häufiger geantwortet (21 Prozent) als Frauen (13 Prozent).
Die Antworten auf die einzelnen Fragen hat Swico zu verschiedenen Erkenntnissen zusammengefasst:
- Grundsätzlich sehen alle Parteien eher Chancen als Risiken der Digitalisierung und beurteilen die Auswirkungen positiv. Frauen sind allerdings skeptischer als Männer.
- Die Mehrheit ist der Meinung, dass in der Schule viel zu wenig und in den Hochschulen zu wenig für die Vermittlung von ICT und digitalen Kompetenzen getan wird.
- Ausser der SVP befürworten alle Parteien Umschulungsmassnahmen als Reaktion auf die digitalen Veränderungen.
- Fast unisono unterstützen alle Parteien die Aussage, dass die Digitalisierung den Zugang zu Wissen und Bildung erleichtert.
- Beim E-Voting bremsen ausser SP (57 Prozent dafür), GLP (58 Prozent) und BDP (72 Prozent) alle Parteien, wobei Frauen eher stärker dafür sind als Männer.
- Die Besteuerung von (KI-gestützter) Hard- und Software ("Robotersteuer") wird von SP und Grünen klar begrüsst; von FDP und SVP klar abgelehnt; CVP, GLP und BDP sind hier gespalten.
- SP, Grüne, CVP und BDP wünschen sich eine stärkere Regulierung von Online-Vermittlungsgeschäften wie Airbnb oder Uber, FDP und GLP sind dagegen, wobei Junge sich deutlich seltener für Regulierung aussprechen.
- Teilnehmende aus allen Parteien unterstützen ein Grundrecht auf digitale Unversehrtheit.
- Eine Mehrheit der Parteien befürwortet eine Verschärfung des Datenschutzes auf EU-Niveau, nicht aber darüber hinaus.
- Die Kandidierenden aus allen teilnehmenden Parteien sind sich mehrheitlich einig, dass die verfügbaren Kenntnisse und Mittel im Bereich Cyber Security beim Bund ungenügend sind.
Es wurde auch gefragt, in welchen Bereichen der Staat die digitale Entwicklung beschleunigen soll. Hier sind die Präferenzen der einzelnen Parteien sehr unterschiedlich: Die GLP ist zuvorderst bei der E-ID (71 Prozent für mehr Tempo), die FDP bei E-Government (93 Prozent) und bei KI bei staatlichen Entscheidungen (jedoch wünschen sich hier auch in dieser Partei nur 46 Prozent mehr staatlichen Vorwärtsgang). Die CVP hat die Nase vorn bei E-Health (82 Prozent) und die Grünen fordern von allen Parteien am meisten Tempo bei Open Government Data (90 Prozent), dem Digitalisierungs-Officer (85 Prozent) und bei E-Collecting (Unterschriftensammlung; 73 Prozent).
Ranking: Neue haben Nase vorn
Zusätzlich zur Auswertung nach Parteien erstellte Swico auch ein Ranking der Kandidierenden, die teilgenommen haben. Dabei wurden die Antworten bei jeder Frage auf eine Skala von 0 (digitalisierungsskeptische Position) bis 10 (digitalisierungsfreundliche Position) umgerechnet. Von den bisherig Gewählten, welche den Fragebogen ausgefüllt haben, rangieren sechs Kandidierende in den Top 100. Die ersten zehn Plätze des Gesamtrankings belegen alles Kandidierende, die neu in den Nationalrat wollen, darunter drei Frauen.
Die Top 3 der Bisherigen in diesem Ranking sind: Jürg Grossen (GLP/BE, Gesamtrang 17), Franz Grüter (SVP/LU, Rang 23), Marcel Dobler (FDP/SG, Rang 33). Bei den neu Kandidierenden: Severin Pflüger (FDP/ZH) und Cédric Schmid (FDP/ZG, gemeinsam Rang 1), Lukas Stiefel (Junge GLP/ZH, Rang 3).
Mehr digital-affine Politiker gefordert
In einer Mitteilung fordert Swico-Präsident Knöpfli als Konsequenz der Befragung: "Das neue Parlament muss die neue Legislaturperiode unbedingt nutzen und digitale Themen stärker in der politischen Agenda priorisieren." Es sei wichtig, dass mehr digital-affine Politikerinnen und Politiker ins Parlament gewählt werden. Swico werde die Wahlresultate entsprechend analysieren.
Die detaillierten Ergebnisse des Digitalisierungsmonitors sind auf der Swico-Website abrufbar. Judith Bellaiche, Geschäftsführerin von Swico, kandidiert ebenfalls für den Nationalrat. Sie hat, zur Vermeidung allfälliger Interessenskonflikte, bewusst auf eine Teilnahme verzichtet.
Auch Parldigi gibt Wahlempfehlungen ab
Die Parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit (Parldigi) empfiehlt ihrerseits 35 Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl, welche gemäss einer Mitteilung "die Schweizer Digitalpolitik aktiv und nachhaltig prägen wollen".
Die digitale Souveränität des Bundes, die Digitalisierung von Behördengängen und der demokratischen Partizipation, die Offenheit der Netze, der Datenschutz, die Zugänglichkeit von Behördendaten, ein dem Internetzeitalter angepasstes Urheberrecht – in diesen und anderen Digitalthemen habe die Schweiz einiges nachzuholen. Hierfür brauche es Know-How und kompetente Köpfe im Parlament, so Parldigi.
Deshalb empfiehlt die Gruppe 35 Kandidierende für den National- und Ständerat. Die sogenannten "Parldigi Champions" würden sich durch politische Vorstösse und Vereins- und Verbandsarbeit als kompetente Kandidierende mit dem nötigen Blick für die digitale Nachhaltigkeit auszeichnen.
Die Namen der 13 Bisherigen und 22 neu Kandidierenden sind auf der Parldigi-Website sind auch Romands und zwei Kandidaten der Piratenpartei auf dieser Liste. Nach einem Bewerbungsverfahren wurde die Auswahl durch das Co-Präsidium, bestehend aus Edith Graf-Litscher (SP/TG) und Franz Grüter (SVP/LU), getroffen. (Philipp Anz)

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