Prantl behauptet: Mitbewerber sind keine Konkurrenten

27. Januar 2025 um 11:49
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Warum es wichtig ist, Konkurrenten von Mitbewerbern zu unterscheiden, führt Kolumnist Urs Prantl aus. Ferner betont er die Wichtigkeit, sich eingehend mit den Mitbewerbern zu beschäftigen.

"Ich spreche höchstens von Mitbewerbern, nie aber von Konkurrenten. Das Wort finde ich richtig schlimm. Es hat genug Arbeit für uns alle." Dies der O-Ton von Pascal Marquis, letzter Gast in meinem Podcast, als er auf seinen Markt für ICT-Gesamtdienstleister zu sprechen kam.
Überraschenderweise steht diese Aussage des CEO der Baselnetgroup, der in den letzten Jahren auch die Zurichnetgroup und die Stgallennetgroup mit insgesamt über 120 Mitarbeitenden in wenigen Jahren mit aufgebaut hat, und sich daher mit Marktverdrängung hervorragend auskennen sollte, keinesfalls allein in der Landschaft. Ich höre sie so oder ähnlich schon seit Jahren von IT- und Software-Unternehmen in der ganzen Schweiz.
Ist die persönliche Feststellung von Marquis bloss Schönfärberei, zeugt sie von Unkenntnis des Marktes oder gar von einer heillosen Selbstüberschätzung? Oder meint er es tatsächlich ernst?
Seine Aussage beinhaltet von allem ein wenig und findet ihre Erklärung einerseits im Verständnis der verwendeten Begriffe und andererseits in einem klaren strategischen Blick auf den eigenen Markt.

Zum Verständnis der Begriffe

Konkurrenten arbeiten gegeneinander, sie gehen zueinander in direkte Konfrontation und wollen sich im Kampf um den Kunden gegenseitig besiegen. Ihr Wettbewerbsverständnis besteht darin, exakt das Gleiche an exakt die gleichen Kunden zu verkaufen. Damit begeben sie sich automatisch in einen eins-zu-eins vergleichbaren Wettbewerb und damit in die totale Austauschbarkeit. Eine Strategie, da pflichte ich Marquis einhundertprozentig zu, die keinen Sinn macht. Insbesondere für KMU, die mit ihrem meist sehr kleinen Marketingbudget gar nie auch nur den Hauch einer Chance hätten, starke und finanzpotente Konkurrenten tatsächlich besiegen zu können.
Die einzige für (IT-)KMU sinnvolle Strategie ist diejenige des strategischen Ausweichens, oft auch Nischenstrategie genannt. Sich also mit einem vergleichbaren Angebot bei vergleichbaren Kunden zu bewerben. "Vergleichbar" heisst in diesem Zusammenhang allerdings, dass aus Kundensicht zwischen den Mitbewerbern ein wesentlicher Unterschied, die sogenannte Differenzierung besteht, die dazu führt, dass entweder der eine oder der andere zum Zug kommt. Mitbewerber bewerben sich zwar um die gleichen Kunden, durch ihre unterschiedlichen strategischen Positionierungen gehen sie sich aber faktisch aus dem Weg und kommen sich damit kaum ins Gehege.
Wohingegen sich viele Unternehmer mit dem auch häufig verwendeten Begriff "Marktbegleiter" die Situation tatsächlich schönfärben. In Wahrheit hat der tägliche Kampf um den (gemeinsamen) Kunden wenig mit Begleitung als vielmehr mit Wegnehmen zu tun. Das lässt sich kaum verschleiern.

Kenne Deinen Mitbewerber

Die von Unternehmern oftmals artikulierte Aversion der oben besprochenen Begriffe darf aber keinesfalls davon ablenken, dass es halt doch strategisch überlebenswichtig ist, seine Mitbewerber gut zu kennen. Und zwar primär aus zwei Gründen.
Erstens kann man von seinen Mitbewerbern einiges lernen. Wie man Dinge richtig macht, aber auch, wie man Dinge falsch machen kann. Einschlägige Beispiele dafür finden sich auch in unserer Schweizer IT-Landschaft zahlreiche, man muss sich bloss dafür interessieren und die Augen offen und die Antennen empfangsbereit dafürhalten. Idealtypisch adaptiert man also die erfolgreichen Initiativen der Mitbewerber und lässt sie gleichzeitig die nicht erfolgreichen, d.h. die Fehler allein tun.
Die eigenen Mitbewerber gut zu kennen ist zweitens deswegen zentral, weil man nur so erkennt, wie und wo sie sich im gemeinsamen Markt positionieren und wo damit ihre positionierungsmässigen und sachlichen Lücken sind. Wer nun clever ist, der positioniert sein Unternehmen in einer solchen Lücke und macht es damit einzigartig. Füllt die Lücke gleichzeitig ein drängendes Kundenbedürfnis, dann lässt sich der Erfolg kaum noch verhindern.
Insbesondere im IT- und Softwarebusiness ist diese "Lücken-Positionierungsstrategie" gerade deswegen oft erfolgreich, weil nach wie vor meist über "Features & Functions" oder einzig über den totschlagenden Nutzenbegriff "Effizienzsteigerung" verkauft wird. Wer sich also hier die Mühe macht, tiefer zu graben und sich präziser an die tatsächlichen Kundenbedürfnisse heranzubewegen, der landet meist sehr schnell bei einer klaren und nutzenstiftenden strategischen Differenzierung, die wirklich wirkt.
Urs Prantl kreiert zukunftssichere und gesund wachsende IT-Unternehmen und begleitet ihre Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Unternehmensnachfolge und beim Firmenverkauf. Gleichzeitig ist er Host des Podcasts Prantls 5A, in welchem die strategische Einzigartigkeit erfolgreicher IT-Unternehmen im Gespräch mit ihren Inhaberinnen und Inhabern im Dialog herausgeschält wird. Als Kolumnist äussert er auf inside-it.ch seine persönliche Meinung.

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