Seit mittlerweile zehn Jahren ist Richard Zobrist für den Open-Source-Spezialisten Red Hat tätig. Der heutige Country Manager Switzerland spricht mit inside-it.ch über die Schweiz-Strategie seines Arbeitgebers. Er führt zudem aus, was er an innovativen Schweizer Entwicklerinnen sowie Kunden schätzt und skizziert die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz für das Geschäft.
Welche Bedeutung hat der Schweizer Markt für Red Hat?
Die Schweiz war ursprünglich ein Engineering-Standort von Red Hat. Die Consulting- und Sales-Organisation ist erst hinterher entstanden. Red Hat hat vor circa zwölf Jahren den strategischen Entscheid getroffen, stark auf Neuentwicklungen zu setzen, siehe Openshift auf der Basis von Kubernetes. Die Schweiz ist sehr bald auf den Zug aufgesprungen. Apropos Zug: Beispielsweise die SBB setzt heute grossflächig auf Openshift.
In den letzten Jahren haben wir die Adaption der Hybrid Cloud erlebt: Schweizer Unternehmen setzen vielfach auf einen Mix aus Private Cloud, Public Cloud und On-Premises, um eine flexible IT-Infrastruktur zu schaffen.
Die Automatisierung ist in einem Hochlohnland wie der Schweiz ebenfalls ein gefragtes Thema. Mit Hilfe von Plattformen wie Ansible Automation Platform können Entwickler repetitive, manuelle Tasks automatisieren und die gewonnene Zeit in Innovation investieren. Bei sowohl der Cloud-Migration als auch der Automatisierung kann Red Hat helfen. Die Hilfe nimmt der Schweizer Markt auch dankbar an.
Sie erwähnen die Public Cloud. Haben Sie Kunden, die auf der lokalen Instanz in der Schweiz bestehen?
Ja, durchaus. Einige Kunden bestehen insbesondere auf der Datenhaltung in der Schweiz. Andere schätzen die Flexibilität, die sie zum Beispiel mit Openshift erhalten. Sie können die Workloads in die Cloud verschieben, wenn es notwendig ist. Wenn nicht, bleiben die Daten lokal in der Private Cloud. Openshift generiert mittlerweile über eine Milliarde US-Dollar Umsatz und gewinnt kontinuierlich neue Kunden.
Woher kommen die neuen Kunden?
Ein Treiber für die Kunden ist die Modernisierung der Applikationslandschaft. Openshift ermöglicht es den Unternehmen, ihre bewährten Anwendungen auf moderner Hardware laufen zu lassen. Nach wie vor ist ein Grossteil der Plattformen On-Premises. Das ändert sich zurzeit stark und die Cloud wird in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen. Red Hat ist hier mit dem Konzept der Open Hybrid Cloud vielleicht etwas "konservativ", da wir weder das Ende von On-Premises noch den Siegeszug der Cloud prophezeien. Wir glauben an den Mittelweg und machen ihn mit Open Source gangbar.
Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in den Kundenprojekten?
Ich sehe Künstliche Intelligenz als eine riesige Chance für die Schweiz. Die Technologie kann bei der Effizienzsteigerung helfen – was sich in unserer täglichen Arbeit schon heute zeigt. In Zukunft erwarte ich, dass Schweizer Firmen nicht nur eine KI oder ein Modell nutzen, sondern hunderte. Inklusive der Applikationen, Daten und der Infrastruktur. Dann stellt sich auch die Frage nach dem Management der Systeme, der Plattform, bei der zum Beispiel Container-Lösungen helfen können.
Dann kommt bestenfalls viel Arbeit zu auf Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen. Wie ist die Organisation dafür aufgestellt?
Konkrete Zahlen darf ich aufgrund der US-amerikanischen Gesetzgebung nicht nennen. Wir investieren sehr viel in die Entwicklung. Die Kollegen und Kolleginnen sind auch für Kundenprojekte verfügbar, was oft für alle Parteien ein Gewinn ist. Der Ingenieur sieht, wie seine Lösung in Unternehmen eingesetzt wird. Die Kundinnen und Kunden haben in ihren Projekten die absoluten Spezialisten an der Hand. Und Red Hat kann sich als kompetenter Partner positionieren.
Die zweite grosse Gruppe unserer Mitarbeitenden sind die Consultants. Diese arbeiten in den Kundenprojekten, wofür es Personal in der Schweiz braucht. Denn als Organisation in einem Nicht-EU-Mitgliedsland kann ich nicht unendlich Fachleute aus dem Ausland holen, wenn es dann sein muss.
Welches sind Ihre Pläne für das laufende Jahr?
Das Thema Künstliche Intelligenz beschäftigt unsere Kunden stark. In Proof of Concepts wollen wir aufzeigen, wie sich die Technologie für das Geschäft nutzen lässt. Wir haben schon einige Kunden im fortgeschrittenen Stadium, und andere, die erst am Anfang sind. Hier haben wir neben der Technologie auch Learnings anzubieten.
Ferner wollen wir die Adaptation unserer Plattform weiter steigern. Diverse Kunden haben erst einzelne KI-Workloads auf Red Hat AI. Sie erkennen die Vorteile und wollen nun weitere Applikationen migrieren. Die erwähnten Möglichkeiten zur weitgehenden Automatisierung sind hier gute Argumente. Als Referenz kann ich Swisscom nennen, die grossflächig sowohl auf die Plattformen als auch die Automatisierungslösungen setzen – und kontinuierlich weiter ausbauen.
Welche Rolle spielen die neuen Verkaufsstrategien des Virtualisierungsmarktführers für das Schweizer Geschäft von Red Hat?
Wir spüren eine gewisse Unruhe im Markt. Nun sind wir schon lange in dem Geschäft tätig und haben eine bewährte Lösung im Portfolio. Einige Kunden, die mit uns zum Beispiel über Container-Technologien sprechen, denken nun auch über Möglichkeiten der Zusammenarbeit bei der Virtualisierung nach. Wir haben in diesem Bereich zudem einige Lösungen in der Pipeline, mit der sich sowohl virtuelle Maschinen als auch Container-Anwendungen auf einer Plattform betreiben lassen.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Mutterkonzern IBM in der Schweiz?
Wir arbeiten eng zusammen und tauschen uns häufig aus. Allerdings ist IBM bei Weitem nicht der einzige Partner in der Schweiz – und wir kooperieren durchaus auch mit Wettbewerbern von IBM. Daran hat sich seit der Übernahme vor rund fünf Jahren nichts geändert.
Können Sie ein Schweizer Kunden-Projekt nennen, in dem Sie eine bemerkenswerte Lösung mit Ihrer Technologie realisiert haben?
Die Transports Publics Genevois hatten eine ähnliche Herausforderung wie die SBB: Sie wollten aktuelle Informationen für ihre Passagiere auf den Displays in den Bahnen darstellen. Mit Openshift konnten wir helfen und dabei von den Erfahrungen aus dem SBB-Projekt profitieren.
Dem Genfer Transportunternehmen stand in dem Projekt unser Westschweizer Team in der Niederlassung in Lausanne zur Seite. Die Belegschaft dort ist in jüngerer Vergangenheit stark gewachsen, was auch die Bedeutung der Romandie für das Geschäft in der Schweiz widerspiegelt.
Können Sie bitte ein Projekt skizzieren, in dem nicht alles glatt gelaufen ist? Wie haben Sie den Kunden trotzdem zufriedengestellt?
Was wir regelmässig antreffen ist die Tatsache, dass ein Projekt in einem spezifischen Bereich eines Unternehmens startet und vorwärtsgetrieben wird. Dabei kann es schnell zu Friktionen kommen, weil der gesamtheitliche Einfluss auf die Firma zu wenig beachtet wird, ebenso die kulturellen Aspekte. So geschehen beispielsweise bei einer Privatbank. Bei Red Hat behalten wir dies im Auge und gehen es, wo immer möglich, zusammen mit unseren Partnern gesamtheitlich an. So konnten wir das Projekt beim genannten Kunden dann doch noch erfolgreich umsetzen.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Job?
Nach über neuneinhalb Jahren bei Red Hat kann ich resümieren, dass ich weiterhin einen grossen Gestaltungsspielraum besitze. Ich kann selbständig mit dem Team einen Plan aufsetzen, eine Strategie definieren und in die Umsetzung gehen. Zwischendurch braucht es natürlich ein paar Genehmigungen, die mit den adäquaten Vorarbeiten meistens aber keine Hürde sind. Das hat mir am Anfang meiner Tätigkeit bei Red Hat gefallen – und gefällt mir auch weiterhin.
Das gilt auch für unser Engagement in der Open Source Community. Ich höre häufig die Meinung über meine Kolleginnen und Kollegen, sie seien mit hohem Einsatz bei der Sache. Sie besitzen eine Passion, auch in kritischen Phasen Probleme lösen zu wollen. Ja, auch in unseren Projekten gibt es manchmal Herausforderungen – wie in allen anderen IT-Projekten auch. Unsere Ingenieurinnen und Ingenieure geben dann aber ihr Bestes, um den Kunden zufriedenzustellen.
Die Passion ist schwierig zu rekrutieren. Welches ist Ihr Rezept gegen den Fachkräftemangel?
Wir setzen auf Empfehlungen von Kolleginnen und Kollegen. Denn der neue Mitarbeitende muss einerseits zur Unternehmenskultur passen. Und sich andererseits auch mit der Kultur identifizieren können. Da hilft es sehr, wenn wir von Angestellten einen Tipp für potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten bekommen.
Richard Zobrist
Seit
Januar 2022 amtet Richard Zobrist als Country Manager Switzerland von Red Hat. Er ist seit 2015 bei dem Unternehmen tätig, bis 2019 als Head of Partners & Alliances Schweiz und zuletzt als Interim Country Manager Austria. Weitere Stationen seiner Laufbahn waren IBM und Swisscom.