Geht es nach dem Ständerat, muss der Bund rasch die rechtlichen Grundlagen schaffen, damit Unterschriftensammlungen künftig über digitale Kanäle stattfinden können. Er hat am Mittwoch eine entsprechende Motion angenommen, die nun an den Nationalrat geht.
Der
Vorstoss zur Einführung des "E-Collecting" stammt vom Glarner FDP-Ständerat Benjamin Mühlemann. Er nimmt darin Bezug auf den im Herbst bekannt gewordenen "Unterschriften-Bschiss". Gemeint sind die mutmasslichen Betrügereien rund um das bezahlte Unterschriftensammeln von damit beauftragten Firmen.
Das heutige System mit dem Unterschreiben von Unterschriftenbögen von Hand auf Papier und der Beglaubigung durch die Gemeinden meist von Hand sei "fehleranfällig, ineffizient, veraltet und ermöglicht Missstände", schreibt Mühlemann. Der Sammel- und Verifizierungsprozess solle neu digitalisiert ablaufen.
Mit 20 zu 15 Stimmen bei drei Enthaltungen sagte die kleine Kammer Ja zu seinem Vorstoss.
Bundeskanzler mahnt zur Vorsicht
Bundeskanzler Viktor Rossi wandte sich im Ständerat erfolglos gegen ein Ja zu Mühlemanns Motion. Er sagte, je nach Ausgestaltung von E-Collecting habe diese Technik das Potenzial, die Ausgestaltung der Grundrechte "grundlegend zu verändern". Neue Risiken müssten antizipiert werden. Deshalb sei es verfrüht, derzeit voll auf das digitale Sammeln von Unterschriften zu setzen. Der Bund wolle nun zuerst einmal ein Pilotprojekt zum E-Collecting durchführen.
Der Bundesrat hat in Erfüllung eines Postulats bereits einen Bericht zu E-Collecting verabschiedet und die Bundeskanzlei mit der Durchführung eines Vorprojekts beauftragt. Rossi sagte, wie bei Arbeiten zur Einführung eines elektronischen Identitätsausweises (E-ID) wolle die Bundeskanzlei fürs Prüfen des E-Collecting einen partizipativen Prozess.
Stillschweigend Ja sagte der Ständerat nach diesen Aussagen von Rossi auch zu einer Motion von Matthias Michel (FDP/ZG), der ein Pilotprojekt für E-Collecting will. Neben Michel hatten Politikerinnen und Politiker mehrerer Parteien gleichlautende
Motionen eingereicht. Auch dieser Vorstoss geht noch in den Nationalrat.
Zwei Strafanzeigen sind hängig
Die Tamedia-Zeitungen hatten Anfang September 2024 berichtet, in der Schweiz seien mutmasslich tausende Unterschriften für Volksinitiativen gefälscht worden. Die Bundeskanzlei reichte schon 2022 Strafanzeige gegen Unbekannt ein und hat diese Anzeige seither nach eigenen Angaben mehrfach um neue Verdachtsfälle ergänzt.
Bundesrat und Bundeskanzlei haben nach Bekanntwerden der mutmasslichen Betrügereien stets betont, die Kontrolle funktioniere prinzipiell. Sie sei noch verstärkt worden und die Justiz sei angesichts der Strafanzeigen an der Arbeit.
Die Bundeskanzlei habe Rundtischgespräche einberufen, um zusammen mit Interessenverbänden einen Verhaltenskodex für Unterschriftensammlungen zu erarbeiten. Erst wenn diese Massnahmen nicht griffen, sei an gesetzgeberische Massnahmen zu denken.