Die geplatzte Übernahme der angeschlagenen Kryptobörse FTX.com durch den Konkurrenten Binance hat den gesamten Markt für Kryptoanlagen erschüttert. Nachdem Binance am Mittwoch die ins Auge gefasste Rettungsaktion abgesagt hatte, rutschte der Bitcoin auf ein Zwei-Jahrestief unter 16'000 Dollar.
Seit dem Allzeithoch im November 2021, als die marktgrösste und älteste Kryptowährung noch knapp über 68'000 Dollar notierte, verlor sie über drei Viertel ihres Werts. Am Donnerstag erholte sich der Markt für Kryptowährungen von neuerlichen Turbulenzen zunächst ein wenig. Am Nachmittag kostete ein Bitcoin rund 16'500 US-Dollar.
Am Nachmittag wurde dann klar: FTX ist offiziell zahlungsunfähig. Der Konzern von Tech-Unternehmer Sam Bankman-Fried beantragte nach eigenen Angaben vom Freitag Gläubigerschutz in den USA. Er gab zudem seinen Rücktritt als Chef bekannt. Am Vorabend hatte bereits die Wertpapieraufsicht der Bahamas bekanntgegeben, bestimmte Vermögenswerte von FTX eingefroren und einen Insolvenzverwalter für die Abwicklung beantragt zu haben.
Das internationale Geschäft des Konzerns ist auf den Bahamas ansässig. Das US-Verfahren nach Kapitel 11 des Insolvenzrechts betrifft dem Konzern zufolge unter anderem die amerikanische Kryptobörse FTX US und 130 weitere Firmen, die zusammen die FTX Group bilden.
Botschaft via Twitter
Biance hatte bereits am Mittwoch auf Twitter verkündet: "Wir haben entschieden, dass wir die potenzielle Akquisition von FTX nicht weiterverfolgen werden." Binance ist der weltgrösste Handelsplatz für Kryptowährungen. Grund seien unter anderem Medienberichte über Fehlverhalten im Umgang mit Kundengeldern und angebliche Ermittlungen von US-Behörden.
Nachdem FTX in Schieflage geraten war, hatten die beiden Unternehmen zunächst am Dienstag verkündet, dass Binance den grössten Teil des Geschäfts von FTX übernehmen wolle. Allerdings handelte es sich nur um eine unverbindliche Absichtserklärung, wie Binance-Chef Changpeng Zhao umgehend betonte. Nach Beginn der Buchprüfung nahm Binance rasch wieder Abstand vom Übernahmeplan.
Zhao, der im Netz vor allem als "CZ" bekannt ist, spielt bei dem Hin und Her eine undurchsichtige Rolle. Am Sonntag hatte "CZ" selbst mit einem Tweet Zweifel an den Geldreserven von FTX verstärkt und die Kundenflucht dort befeuert. Die Liquiditätsnot von FTX wurde auch dadurch verstärkt, dass Binance angekündigt hatte, grössere Bestände der FTX-eigenen Digitalwährung FTT abzustossen.
Zwei Erzrivalen
Zhao und FTX-Chef Sam Bankman-Fried waren als Pioniere der Branche und Partner einst eng verbunden, entwickelten sich mit ihren Kryptobörsen dann aber zu Erzrivalen und überwarfen sich zuletzt wegen Regulierungsfragen. So schwang sich Bankman-Fried immer mehr zum Sprachrohr der Krypto-Szene auf und versuchte, Lobby-Einfluss bei Politik und Aufsehern zu nehmen, was Zhao nicht gefiel.
Bankman-Fried gehörte 2020 zu den Grossspendern für den Wahlkampf des heutigen US-Präsidenten Joe Biden. Nun steht er vor den Trümmern seines FTX-Konzerns. Der 30-Jährige galt vor wenigen Monaten noch als Wunderkind und Hoffnungsträger der Kryptobranche, der finanzschwachen Firmen unter die Arme greift.
Wie es für die Kunden von FTX jetzt weitergeht, ist unklar. Bankman-Fried versicherte am Dienstag noch, dass alle Einlagen geschützt seien und voll ausgezahlt würden. Doch das scheint zunehmend ungewiss. Bankman-Fried hatte bis zur Eskalation der Lage auch noch behauptet, dass es keinen Grund zur Sorge gebe und Gerüchte über eine Geldnot als falsch zurückgewiesen.
"Ich habe es vermasselt"
Am Mittwoch informierte Bankman-Fried seine eigenen Anleger, die Geld in FTX gesteckt hatten, über eine Liquiditätslücke, kurz bevor die konkurrierende Börse Binance das Übernahmeangebot abrupt zurückzog. Er sagte laut eines Berichts der Finanzagentur Bloomberg, FTX benötige vier Milliarden Dollar, um zahlungsfähig zu bleiben, und versuche, eine Rettungsfinanzierung in Form von Schulden, Eigenkapital oder einer Kombination aus beidem aufzutreiben.
"I fucked up" ("Ich habe es vermasselt"), sagte Bankman-Fried laut Bloomberg den Anlegern in der Telefonkonferenz, wie Personen mit Kenntnis des Gesprächs berichten. Er sagte, er wäre "unglaublich, unglaublich dankbar", wenn Investoren helfen könnten. Das Stossgebet kam aber zu spät.
Update 16:30: Nach der Zahlungsunfähigkeit von FTX haben wir den Artikel und den Titel entsprechend angepasst.