"Wir haben permanent 200 bis 300 offene Stellen"

13. März 2023 um 13:23
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David Luyet ist der "Talentsucher" von Swisscom. Er erklärt, wie sein Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels rekrutiert. Im Interview sprachen wir mit ihm über transparente Löhne, Instagram und Sales-Funnel.

David Luyet leitet die Abteilung "Talent Attraction" bei Swisscom. Die Aufgabe des gelernten Informatikers ist es, die richtigen Menschen von seinem Arbeitgeber zu überzeugen. Im Gespräch erklärt er die Rekrutierungsstrategie von Swisscom und sagt, dass auch Gespräche ausserhalb der Bürozeiten dazugehören.
Ist das Alter das Wichtigste an einem Talent? Oder wie definieren Sie den Begriff bei Swisscom? Gar nicht. Auch Geschlecht, Ausbildung, Nationalität oder ähnliches spielen keine Rolle. Unsere Aufgabe ist es, die besten Leute für den Job zu finden.
Inwiefern ist Swisscom vom Fachkräftemangel betroffen? Wie viele Stellen sind unbesetzt? Permanent sind jeden Monat 200 bis 300 Stellen offen. Besetzen können wir früher oder später jede Position, aber je nach Komplexität der Stelle, respektive Verfügbarkeit der gesuchten Skills am Markt, dauert es manchmal länger und kostet mehr. Letztes Jahr haben wir intern und extern rund 1800 Menschen angestellt, davon grösstenteils für IT-nahe Positionen.
Von welcher Zeitspanne reden wir, wenn Sie sagen, es dauere länger? Das kommt stark auf die Position an. Es schwankt zwischen "sehr schnell" und "echt harzig".
Welche Jobprofile gehören zur harzigen Kategorie? Alle Positionen Richtung Security, SAP Consulting, System- und Networkengineering und solche mit spezifischen Anforderungen in der Software-Entwicklung sind schwierig – und je spezifischer, desto schwieriger. Da sind wir nicht die einzigen, die diese Profile suchen. Einfacher zu rekrutieren sind junge Personen für Junior-Positionen, auch dank unseren eigenen Lernenden, Junior-Programmen oder Einstiegsstellen in Form von Praktika.
Wie lange dauert denn die Rekrutierung beispielsweise für IT-Positionen? Erfahrungsgemäss im Durchschnitt rund drei Monate, wenn wir unsere "Time-to-Hire" anschauen. Es kann aber auch länger brauchen, es dauerte auch schon ein halbes Jahr und mehr.
Es kann also teuer werden. Darum, aber vor allem auch aus betrieblicher Sicht ist es wichtig, dass wir die Stellen schnell besetzen. Wir setzen alles daran, dass uns dies gelingt.
Wie gross ist Ihr Team bei Swisscom, das sich ausschliesslich ums Recruiting kümmert? Alles in allem 30 Mitarbeitende. Wobei wir das Thema Recruiting breiter fassen. Wir haben Spezialistinnen und Spezialisten in Employer Branding, Recruiting, Talentakquisition und Recruitment-Marketing.
Eine schlagkräftige Mannschaft. Wie gehen Sie vor? Idealerweise beginnen wir bei keiner Position bei Null, sondern können auf einen bestehenden Kandidatenpool zurückgreifen. Zudem betreiben wir verschiedene Landingpages, die wir mittels Social Media Kampagnen gezielt in den einzelnen Zielgruppen bewerben. Das Ziel: Sehr zielgruppenspezifisch aufzuzeigen, was Swisscom als Arbeitgeber bietet und so versuchen, die Personen davon zu überzeugen, sich bei uns zu bewerben.
Das klingt, als spräche ein Marketingprofi über seinen Sales-Funnel… Schlussendlich geht es darum, dass wir Matches herstellen können – für die Arbeitnehmenden und für uns. Dazu braucht es einen guten Funnel, um effizient rekrutieren zu können und schnell zu erkennen, wo ein Match vorliegt. Dieser Funnel kann durchaus mit einem Sales-Funnel verglichen werden.
Sie haben es gesagt, es gibt einen grossen Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt. "War for Talents" als Stichwort. Insbesondere grosse, internationale Player rekrutieren viele gute Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wie man hört. Wie spüren Sie das bei Swisscom? Google oder andere vergleichbare, globale Unternehmen haben gegenüber Swisscom einen grossen Vorteil: Internationalität, weil das für die Zielgruppe zum Teil attraktiv sein kann. Diese Internationalität können wir so nicht in dem Umfang bieten, das ist einfach so.
Und Swisscom ist in der Aussenwahrnehmung halt einfach ein Telco, der Telefonabos verkauft. Das hat mit IT-Security, E-Health und anderen Ihrer Themen nicht viel zu tun. Das stimmt so definitiv nicht, Swisscom ist viel mehr als das und auch in der Aussenwahrnehmung ändert sich dies immer mehr. Wir sind ein Tech-Unternehmen. Weit über zwei Drittel aller unserer Neurekrutierungen sind klassische IT-Jobs: Entwicklerinnen, System-Engineers, Networking-Engineers, IT-Projektleiterinnen…
Welche Argumente führen Sie ins Feld, um jemanden zu überzeugen? Wir bieten eine grosse Flexibilität in der Arbeitsgestaltung, bezüglich Arbeitszeit und -modellen. So schreiben wir beispielsweise den Grossteil der Stellen mit 60-100% aus. Wir legen Wert auf eine gute Zusammenarbeit, Arbeitskultur und Work Life Balance. Anders als bei gewissen internationalen Grossfirmen muss bei uns beispielsweise niemand um 10 Uhr abends an einer Sitzung teilnehmen. Ausserdem haben wir uns vorgenommen, 60% der Stellen intern zu besetzen – bieten also auch Entwicklungsperspektiven für unsere Mitarbeitenden.
Vorgenommen heisst, Sie erreichen die Quote noch nicht? Nein, noch nicht ganz, aber wir sind auf einem sehr guten Weg.
Wenn ein interner und externer Kandidat gleich qualifiziert sind, wen nehmen Sie? Den internen. Förderung der Mitarbeitenden und ihre Weiterentwicklung ist für uns sehr wichtig. Idealerweise kommt es gar nicht erst zu so einer Konkurrenzsituation, sondern wir haben die Stelle schon vorher intern besetzt. Dafür ist bei mir im Team dediziert jemand verantwortlich und wir arbeiten sehr eng mit dem Talent-Management Team zusammen.
Wo finden Sie die anderen 40%, also die externen Kandidatinnen und Kandidaten? Linkedin ist nebst unserer Karriereseite der wichtigste Kanal, insbesondere für Active Sourcing, also die proaktive Kandidatensuche. Neu lanciert haben wir unseren Instagram-Kanal "Swisscom Careers". Aber de facto sind alle Plattformen und Netzwerke prädestiniert, um potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten zu finden.
Instagram, etwas für die ganz Jungen? Viele Lehrabgängerinnen oder Studienabgänger haben kein aktiv gepflegtes Linkedin-Profil. Unsere Aktivitätauf Instagram ist eine Stossrichtung, diese Personen dort anzusprechen.
Ist die Rekrutierung im Ausland ein Thema? Die Stellen werden zuerst in der Schweiz ausgeschrieben, aber wenn wir die nötigen Fachkräfte nicht finden, rekrutieren wir natürlich auch international. Bei vielen Stellen sind jedoch wir darauf angewiesen, dass Kandidatinnen und Kandidaten eine Schweizer Landessprache sprechen. Das kann ein limitierender Faktor sein. Beim Kundenkontakt zum Beispiel werden Deutsch-, Französisch- oder Italienischkenntnisse vorausgesetzt.
Können die Personen an ihrem Wohnsitz bleiben oder werden sie relocated? Grundsätzlich müssen diese Personen in die Schweiz umziehen, da aus sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Gründen Arbeiten im Ausland nur eingeschränkt möglich ist. Wir beteiligen uns aber an den Relocation-Kosten.
Arbeiten Sie mit Personalberatern oder Headhuntern zusammen? Nein. Ich bin überzeugt davon, dass es bei Kandidatinnen und Kandidaten besser ankommt, vom Unternehmen selbst angesprochen zu werden. Den Kandidatenpool, den ich erwähnte, kommt nur dank unserer eigenen Beziehungspflege mit potenziellen Mitarbeitenden zustande.
Beziehungspflege ist aber kein 9-to-5-Job. Das stimmt. Persönlich bin ich 7x24 Stunden als Swisscom-Botschafter unterwegs. Viele Events finden am Abend statt, und es kommt immer wieder vor, dass ich potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten anspreche, wenn ich unterwegs bin. Letzthin hatte ich ein superspannendes Gespräch in einer Bar und treffe die Person nächstens, um Möglichkeiten bei Swisscom zu besprechen.
Lohntransparenz ist gerade bei Jüngeren ein grosses Thema. Davon ist in vielen Swisscom-Inseraten noch nicht viel zu sehen. Wir haben vor 2 Jahren als Pilot damit begonnen. Seitdem gibt es die Möglichkeit, die Löhne zu publizieren, aber es ist noch nicht Standard. Die Zahl soll von heute 20-30% der Inserate, wo dies angegeben wird, schnell wachsen. Bei Kandidatinnen und Kandidaten jedenfalls kommt die Lohntransparenz sehr gut an.
Warum ist die Zahl dann so tief? Gibt es Bedenken, dass andere Arbeitgeber Ihre Löhne kennen? Nein, wir wissen ziemlich genau, was zum Beispiel Software-Entwickler bei anderen Firmen verdienen und das ist umgekehrt sicher auch so. Es gibt Bedenken, dass sich Kandidatinnen und Kandidaten nicht bewerben, weil das angegebene Lohnband zu tief oder zu hoch ist. Und das Lohnthema gehört schlussendlich immer noch zu den Themen, die intern und extern mit einer gewissen Zurückhaltung transparent diskutiert werden.
Wenn Sie die Löhne im Marktumfeld kennen, wo in der Tabelle ordnen Sie die Swisscom-Löhne ein? Wir bezahlen marktkonforme Löhne. Der Lohn ist ein wichtiges, aber lange nicht das einzige Argument. Wir können mit vielen anderen Punkten auftrumpfen, die bei Spezialisten attraktiv sind. Wenn der Lohn stimmt, sind andere Aspekte wie spannende Projekte, die Möglichkeit, etwas bewegen und sich dabei weiterentwickeln zu können oder die Kultur oft entscheidender. Unsere Erfahrung zeigt: Das Gesamt-Package zählt.
Was sind die grössten Herausforderungen beim Recruiting bei Swisscom? Wir investieren viel Zeit in die Prozessgeschwindigkeit zwischen HR und den Bereichen. Gesuchte Spezialistinnen und Spezialisten erwarten sehr schnelle Rückmeldungen und Interviews, sonst haben sie schon anderweitig eine neue Stelle gefunden. Ein Hebel ist, dass wir zum Beispiel noch mehr aus den bestehenden Netzwerken rekrutieren. In meiner Wahrnehmung verlieren wir noch etwas zu viel Zeit, wenn es darum geht, potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten für Swisscom zu gewinnen, wenn die Stellen nicht "formell" offen und ausgeschrieben sind.

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