Lugano will sich zum europäischen Wirtschaftsstandort der Zukunft entwickeln und setzt dafür auf die Blockchain-Technologie. Die grösste Tessiner Stadt hat dazu einen Kooperations-Vertrag mit dem Techunternehmen Tether geschlossen, wie einer Mitteilung zu entnehmen ist. Mit der Krypto-Firma aus Hongkong will Lugano nun zum Blockchain-Zentrum werden.
Die Pläne der Partner sind weitreichend: Die rund 65'000 Bürgerinnen und Bürger der Stadt sollen nicht nur ihre Steuern, sondern auch Waren und Dienstleistungen in Kryptowährungen bezahlen können. Dafür sollen Bitcoin, Tether und ausgewählte Stablecoins, die auf Schweizer Franken basieren, akzeptiert werden, heisst es in der Mitteilung weiter. Die Stadt will eine vollständige Zahlungswirtschaft auf Kryptobasis einführen, dazu wollen die Verwaltung und Tether lokalen Firmen helfen, ihre Zahlungsdienste zu erweitern.
Tether betreibt die grösste Plattform für einen Stablecoin, eine Kryptowährung, die zu einem festen Kurs an den US-Dollar gebunden ist und so Schwankungen zu verhindern verspricht. Die starke Volatilität ist bei Kryptowährungen ansonsten ein grosses Problem, das ihren Einsatz als gängiges Zahlungsmittel unterminiert.
Die Firma aus Hong Kong ist aber umstritten:
Kritiker monieren, dass die Struktur von Tether intransparent sei und der Coin, der ebenfalls den Namen Tether trägt, nicht vollständig durch US-Dollar gedeckt werde. Im Frühling 2019 nahm zudem die
New Yorker Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen auf, weil Tether den Verlust von Geldern im Wert von 850 Millionen Dollar verschleiert haben soll.
Der Nabel der Blockchain-Welt
Mit diesem neuen Partner will Lugano nun zum "Mittelpunkt für die Einführung von Blockchain in Europa zu werden", wie man vollmundig mitteilt. Zu den Plänen gehören Initiativen wie ein Startup-Zentrum, ein Millionen-schwerer Förder-Fonds sowie die fokussierte Zusammenarbeit mit lokalen Unis und Forschungseinrichtungen. In Lugano sind unter anderem das Dalle Molle Institute for Artificial Intelligence (IDSIA) und das Swiss National Supercomputing Center (CSCS) beheimatet.
Eine sehr originelle Argumentation legt Lugano in Sachen Ökologie an den Tag: Der Bitcoin, aufgrund des ressourcenintensiven Konsensverfahrens schlicht eine Umweltkatastrophe, soll als "starker Beschleuniger für die Entwicklung erneuerbarer Energien fungieren", wird mitgeteilt. Diese Funktion soll er erfüllen, weil man natürliche Ressourcen und umweltfreundliche Alternativen ins Zentrum der Überlegungen für das Mining stelle.
Insgesamt stellt sich Lugano als direkte Rivalin von Zug auf, das mit seinem Crypto Valley bislang die
Hauptstadt der Blockchain-Schweiz sein wollte. Dort arbeitet man seit Jahren am Ruf als Crypto-Mekka und führte auch
verschiedene grosse Konferenzen durch. Im Oktober 2022 soll nun in Lugano das "Bitcoin World Forum" mit "führenden Vordenkern und Gestaltern" der Blockchain-Welt stattfinden, wie die Tessiner schreiben.
Auch Lugano beschäftigt sich schon länger mit Blockchain: Bürgermeister Michele Foletti erklärt in der Mitteilung: "In den letzten Jahren haben wir bereits Blockchain-basierte Lösungen implementiert, darunter die MyLugano-App und Zahlungs-Token für LVGA-Points, den digitalen Lugano-Franken und die 3Achain-Blockchain-Infrastruktur. Wir glauben fest an diese Technologie, an das Potenzial zur Skalierung".
Laut Website "My Lugano" handelt es sich bei der App und den LGVA-Punkten, primär um ein Loyalitäts- und Bonusprogramm fürs Shopping und das Buchen von Events in der Stadt. Die 3AChain wird von grossen Firmen wie Swisscom, Mobiliar und Tessiner Kantonalbank betrieben. Es handelt sich um ein System mit privilegierten Partnern, die das Konsensverfahren mit dem Proof-of-Authority-Mechanismus abwickeln.