Bundesrat schiebt Plattform-Regulierung erneut auf

16. April 2025 um 14:29
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Foto: Camilo Jimenez / Unsplash

Die Regulierung von Google, Facebook und X in der Schweiz verläuft weiterhin schleppend. Aufgrund der geopolitischen Lage will der Bundesrat weiter abwarten.

Die Regulierung grosser Kommunikationsplattformen wie Google, Facebook, Youtube und X in der Schweiz lässt weiter auf sich warten. Vor zwei Jahren hatte der Bundesrat eine Vernehmlassungsvorlage dazu bestellt. Am Mitt­woch, 16. April, hat er einen Entscheid dazu erneut verschoben.
Nutzerinnen und Nutzer grosser Kommunikationsplattformen und Such­maschinen sollen in der Schweiz mehr Rechte erhalten. Der Bundesrat will die grossen Plattformen deshalb gesetzlich regulieren. Das gab er Anfang April 2023 bekannt. Dabei will der Bund etwas sanfter vorgehen als die EU, die dies mit dem Digital Services Act (DSA) bereits umgesetzt hat.
Geplant war ursprünglich, die entsprechende Vernehmlassungsvorlage bis im März 2024 zu verabschieden. Das Geschäft wurde aber seither mehrmals nach hinten verlegt. Ende Januar 2025 teilte die Bundeskanzlei mit, dass der Bundesrat das Geschäft zu einem späteren Zeitpunkt behandeln werde.

Keine Begründung für Verzögerung

Nun war das Geschäft im Bundesrat erneut ein Thema, wie die interimistische Bundesratssprecherin Ursula Eggenberger auf Anfrage der Nachrichten­agentur 'Keystone-SDA' schrieb. "Das Geschäft wurde verschoben. Der Bundesrat hat dazu keinen Entscheid getroffen. Er wird das Geschäft zu einem späteren Zeitpunkt behandeln."
Das ist die offizielle Sprachregelung. Mehrere gut informierte Quellen erklärten der Nachrichtenagentur hinter vorgehaltener Hand, dass der schwelende Zollstreit mit den USA der neueste Grund für die Verzögerung sei. Eggenberger wollte sich dazu nicht äussern.
Namentlich das Wirtschaftsdepartement von Guy Parmelin und das Aussen­depar­tement von Ignazio Cassis wollten es sich mit US-Präsident Donald Trump nicht verspielen. Die beiden angesprochenen Departemente teilten auf Anfrage lediglich mit: "Die Sitzungen des Bundesrates sind vertraulich, weshalb wir uns zu Ihren Fragen nicht äussern."
Auch Bundesratssprecherin Eggenberger sagte, angesprochen auf den Zusammenhang der Verschiebung des Geschäfts und des Zollstreits mit den USA: "Ich kann keine Auskunft geben, auch nicht zu den Inhalten der Gespräche." Sie könne erst darüber informieren, wenn der Entscheid getroffen sei.

"Bundesrat kuscht vor Trump"

Dem Vernehmen nach hat der Bundesrat das Geschäft auf unbestimmte Zeit verschoben. Medienminister Albert Rösti, der sich für eine sanfte Regulierung von Kommunikationsplattformen einsetzt, wollte gemäss mehreren Quellen einen Termin festsetzen. Der Bundesrat traf aber offenbar keinerlei Beschlüsse zum Thema. Es sei angesichts der angespannten Lage mit den USA nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
Nicht gut an kommt die Verschiebung des Geschäfts bei Befürwortern einer Regulierung von Tech-Plattformen. "Der Bundesrat bricht ein Sicher­heits­ver­sprechen", sagte der Bündner SP-Nationalrat Jon Pult gegenüber den Tamedia-Onlineportalen. Dass der Bundesrat nun auf sein Vorhaben verzichte, sei "skandalös". Pult sprach von "vorauseilendem Gehorsam".
Die Junge Mitte zeigte sich in einer Mitteilung enttäuscht über die erneute Verzögerung bei der Regulierung von Social-Media-Plattformen durch den Bundesrat. "Der Bundesrat kuscht vor Trump, statt die Jugend und unsere Demokratie zu schützen, die Rechte der Bevölkerung zu stärken und die Transparenz zu erhöhen. Ist das Souveränität?", liess sich Junge-Mitte-Präsident Marc Rüdisüli zitieren.
Kritiker einer Regulierung warnen dagegen vor Zensur und einem Eingriff in die Meinungsfreiheit. Bürgerinnen und Bürger seien sehr wohl in der Lage, Beiträge auf Kommunikationsplattformen selbst einzuordnen, argumentieren sie. Eine Demokratie müsse auch fragwürdige Inhalte auf sozialen Medien aushalten können.

Algorithmwatch kritisiert Verschiebung

Die Nichtregierungsorganisation Algorithmwatch Schweiz ist von der erneuten Verschiebung enttäuscht. Die Botschaft, dass die Regulierung von amerikanischen Tech-Konzernen als unfaire Praktik und Erpressung angesehen werden, scheint beim Bundesrat angekommen zu sein, heisst es in einer Mitteilung der zivilgesellschaftlichen Organisation.
"Statt in die staatliche Handlungsfähigkeit und die digitale Souveränität der Schweiz zu investieren und Abhängigkeiten von US-Tech-Konzernen zu reduzieren, zementiert der Bundesrat mit seinem Abwarten genau diese Abhängigkeiten weiter", kritisiert Angela Müller, Geschäftsleiterin von Algorithmwatch Schweiz.
Indem der Bundesrat auf die unberechenbare Karte Donald Trump setze, fahre er eine enorm riskante Verzögerungstaktik, schreibt die NGO. "Damit stellt er auch das Interesse der Schweizer Bevölkerung an informierter Meinungs­bildung, verlässlicher Information und einer konstruktiven öffentlichen Debatte hinten an, so Angela Müller.
(Mit Material von Keystone-SDA)

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