Kurz vor Silvester gab es im St. Gallischen Goldach ein böses Erwachen. Die Website der Gemeinde
funktionierte nicht mehr. Betroffen waren auch der Online-Schalter für die rund 9000 Einwohner und die E-Mail-Kommunikation – ein Rückfall ins Vorinternet-Zeitalter. Grund: Die Gemeinde hatte eine Rechnung über 16 Franken nicht bezahlt, worauf Domainregistrar Swizzonic die Site ohne Vorwarnung kappte. Das zumindest sagt der Goldacher Gemeindepräsident Dominik Gemperli.
Seit dem 6. Januar läuft die Site zwar wieder, aber der Schaden ist angerichtet. Goldach will den Provider wechseln. Man habe endlos in den Warteschlangen des Supports gewartet, der Prozess sei äusserst mühselig gewesen, heisst es aus der Gemeinde am Telefon. "Wir haben mehr als einmal angerufen, aber da hat man Leute an der anderen Seite, die einem das Telefon aufhängen", sagte Gemperli zum 'Blick'.
Goldach ist mit dem Problem nicht allein: Die Domain "begasoft.ch" funktionierte am 29. Dezember ebenfalls nicht mehr, rund 500 Domains, die darüber angesteuert werden, waren nicht mehr zu erreichen. Der Grund hier: technische Probleme,
wie ein DNS-Spezialist festgehalten hat. Diese wurden zwar in Tagesfrist gelöst, aber auch hier gab es verärgerte Kunden.
Auf Twitter häufen sich seit diesem Herbst Klagen über Swizzonic. Auf Bewertungsplattformen melden sich viele wütende Kunden. "Swizzonic ist eine reine Katastrophe. Die neue Website, der Support und die Kommunikation sind das schlechteste, was mir seit Jahren widerfahren ist", schreibt ein ICT-Security-Experte etwa auf Linkedin. Ähnlich klingt es auf Google Maps und Local.ch. Das Unternehmen meldet sich auf den Social-Media-Plattformen nicht zu Wort.
Domain-Probleme zum Jahreswechsel kommen zwar auch bei anderen Firmen vor, aber die Häufung ist augenfällig. Was ist los bei Swizzonic?
Grosse Umstellungen im August
Swizzonic ist kein kleiner Fisch. In der Schweiz betreut die Firma nach eigenen Angaben rund 300'000 Domains. Das Zürcher Unternehmen wurde 2009 als Switchplus von der Stiftung Switch gegründet, die damals noch vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom) als einziger Registrar konzessioniert war. Die Non-Profit-Organisation reagierte damit auch die anstehende Liberalisierung des Marktes. 2018 verkaufte Switch die Firma nach Belgien an die Combell Group, die im Jahr darauf mit weiteren Firmen zu "Team Blue" fusionierte. Switchplus wurde in Swizzonic umbenannt. Die Gruppe zählt rund 2,5 Millionen Kunden in Europa, wie sie angibt. In den letzten Jahren war sie wegen zweifelhaften Preiserhöhungen im Gespräch.
Im Sommer 2022 verliessen Direktorin Gaby Lörtscher und ihr Stellvertreter Christian Schlatter Swizzonic und wurden durch den Group CTO von Team Blue, den britischen Staatsbürger Kirk Watson Barlow, ersetzt. Die Verantwortung als Director Commercial Operations übernahm der Italiener Ruben Pandolfi. Die beiden Manager sind zusammen mit dem Belgier Jonas Dhaenens als Zeichnungsberechtigte für Swizzonic im Handelsregister eingetragen. Dhaenens, Gründer und President von Team Blue, fungiert seit der Fusion als einziger Verwaltungsrat von Swizzonic. Auf Linkedin geben nur 6 Personen an, für die Firma zu arbeiten.
Auf eine Anfrage antwortet Ruben Pandolfi, man wolle Deaktivierungen von Domainnamen unbedingt vermeiden. "Zu diesem Zweck senden wir die Rechnung für die Erneuerung der Domain 2 Monate vor dem Verfallsdatum, eine weitere Erinnerung, wenn sie 30 Tage vor der Deaktivierung nicht bezahlt wurde, sowie mehrere E-Mail-Nachrichten an das entsprechende Konto", schreibt der Manager. Die Rechnung ging in Goldach an eine E-Mail-Adresse, die ins Leere führte, weil der Zuständige nicht mehr im Amt ist.
Neue Plattform, neue Motivation?
Hat die Firma mit der neuen Leitung die Bewirtschaftung des Schweizer Marktes zurückgefahren? "Im Herbst 2022 haben wir eine komplette Umstrukturierung der Swizzonic-Plattform und des Angebots vorgenommen, wir haben dies allen unseren Kunden mitgeteilt, aber wir verstehen, dass diese Änderung zusätzliche Fragen von Kunden über die Verwaltung von Dienstleistungen verursacht hat", erklärt Pandolfi, dessen Wohnsitz auf Linkedin mit Lombardei angegeben ist. Damit sei auch ein neues Support-Portal hochgeschalten worden, es soll für die rund 100'000 Kunden in der Schweiz rund um die Uhr verfügbar sein.
Der Kundensupport werde von Zürich und anderen Team Blue-Standorten aus betrieben, so Pandolfi vage. "Wir arbeiten auch mit Forcontact SA zusammen, um einen Teil des First-Level-Supports zu übernehmen und so die Wartezeit zu verkürzen. Wir entschuldigen uns dafür, dass der Kundenservice nicht wie erwartet reagiert hat und wir arbeiten jeden Tag daran, diesen und jeden anderen Aspekt des Unternehmens zu verbessern", verspricht er. Forcontact ist ein Tessiner Tech- und Callcenter-Spezialist, der neben dem Hauptsitz in Chiasso Standorte in ganz Europa betreibt.
Welche Ziele man in der Schweiz tatsächlich verfolgt, beantwortet der Director Commercial Operations Swizzonic schwammig: "Als Teil von Team Blue ist Swizzonic bestrebt, seine Reichweite in der Schweiz zu erweitern, indem es auf der Domainregistrierung aufbaut." Ob das angesichts der grossen Schar enttäuschter Kunden gelingt, wird sich zeigen müssen. Man werde die Vorgänge zum Anlass nehmen, mit grösserer Motivation am Thema Kundensupport zu arbeiten, verspricht Pandolfi.
Korrigendum 11. Januar: Im Sommer 2022 verliess Direktorin Gaby Lörtscher Swizzonic. Auch ihr Stellvertreter Christian Schlatter ging damals. Dieser wurde in einer ersten Version dieses Artikels als Direktor vorgestellt.