Ist der Fachkräftemangel vorbei?

31. März 2020 um 15:13
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Wir haben Recruiter und Job-Börsen-Anbieter gefragt, ob jetzt noch Informatiker gesucht werden. Das Fazit: Jein.

Verzweifelt gesucht: Informatiker. So hiess es vor der Corona-Krise. Wie sieht es heute auf dem Stellenmarkt aus, da viele Schweizer Software-Firmen Kurzarbeit diskutieren, tausende von KMU und Grossfirmen Überbrückungskredite beantragen, ihre Projekte verschieben oder "nur" Homeoffice-Lösungen ausrollen?
Der Vermittler Michael Page verweist auf die Frage hin auf den hauseigenen aktuellsten "Swiss Job Index". Dessen Daten wurden zwischen Mitte Februar und Mitte März erhoben. Dies ist der Zeitraum bevor der Bundesrat die aktuelle "ausserordentliche Lage" ausrief. Basierend auf diesen Zahlen hätten die Stellenausschreibungen im Vergleich zum Vormonat um 2,4% zugenommen, so eine Sprecherin auf Anfrage.
Ähnlich präsentiert sich die aktuellste Auswertung von jobs.ch, so ein Sprecher. Fest- und Temporärstellen eingerechnet ist dort bis zwei Tage vor Ende März gar ein starkes Wachstum an Ausschreibungen zu konstatieren. Die Kurve offener Stellen zeigt ebenso nach oben, wenn man nur Festanstellungen, Fachkräfte oder Kaderpositionen separat betrachtet. Auch schreiben ICT-Anbieter immer mehr Stellen aus. Im Branchenvergleich dazu zeigt sich, dass im Tourismus/Sport-Bereich die Anzahl offener Stellen hingegen regelrecht eingebrochen ist.
Eine Sprecherin von Adecco Schweiz erklärt, man bemerke bisher noch keine grossen Trends, "dafür ist es noch zu kurzfristig. Der Bedarf ist nach wie vor da".
Andernorts sagt man aber ganz anderes über den Trend bei IT-Stellenangeboten. "Wir verzeichnen einen sehr starken Rückgang", sagt Thomas Paszti von der spezialisierten Jobbörse ictjobs.ch. "Im Wesentlichen inserieren noch Bundesstellen, Kantone, SBB, Post, Suva, Unispital, ETH und Kantone. Bei den IT-Firmen ist es extrem ruhig", sagt Paszti.
Eine Flaute auf dem Markt verzeichnen auch zwei kleinere, spezialisiertere Personalvermittler. "Alle arbeiten an Notfallplänen, an der Umschichtung auf Kurzarbeit oder Schlimmerem", sagt Christoph Hilber, Managing Partner von P-Connect. Dies sei gar nicht gut für die Firmen, so der Spezialist für Executive Search weiter. Er prognostiziert, dass der Markt für Stelleninserate stark zurückgehen werde, er erhalte aktuell Marketing-Mails von Stellen-Portalen. Und nicht zuletzt würden eigentlich wechselwillige Mitarbeitende nun beim aktuellen Arbeitgeber ausharren, statt sich zu verändern.
Auch Paul Brodmann von CBA Computer Brainware Advisors sagt, dass kleinere Informatikfirmen aktuell sehr zurückhaltend seien. Nur in relativ stabilen Branchen wie zum Beispiel der Versicherungsbranche, sehe er, dass Fachkräfte gesucht blieben und dass man Abgänge ersetze. Dies sei schon beim Platzen der "Bubble" Anfangs des Jahrhunderts so zu beobachten gewesen, so Brodmann, aktueller Geschäftsführer von CBA, einer seit 1972 auf IT spezialisierten Schweizer Personalberatung.
Interessant ist ebenfalls, welches Know-how und welche Funktionen jetzt gesucht sind. Im IT-Bereich würden speziell die Jobs 'Software-Testing' und 'ERP' das Wachstum fördern, so die Sprecherin von Michael Page.
Bei Adecco heisst, es, man bemerke kleine Veränderungen im Tagesgeschäft: "Der Bedarf an Infrastructure/Maintenance steigt", zudem gebe es die "Verschiebung von geplanten Projekten, teilweise sind geplante Projekte auch ganz abgesagt worden", so die Sprecherin.
Der Sprecher von Hays antwortet: "Der Fokus unserer Kunden liegt im Moment natürlich darauf, ihre interne Workforce auch remote so produktiv wie möglich zu halten, beziehungsweise laufende Projekte und Dienstleistungen 'remote-fähig' zu machen. Entsprechend spüren wir eine stärkere Nachfrage bei Technologien und Experten-Profilen, welche dies unterstützen, beispielsweise Experten für Collaboration-Technologien, Virtualisierung von Infrastrukturen oder E-Commerce. On-Site Support oder Field-Service-Projekte werden aktuell entsprechend weniger nachgefragt."
Update 1.4.2020: Der Text wurde um die Aussagen von Adecco ergänzt.

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