"simap2019" wird nicht von der griechischen Firma geliefert und schon gar nicht 2019. Alle Involvierten nehmen Stellung.
"Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und der Verein simap.ch haben entschieden, das Projekt simap2019 zu beenden", so eine Mitteilung des Vereins an die Mitglieder, die inside-it.ch vorliegt.
Nun heisst es, dass die griechische Firma European Dynamics (ED) zwar ein Projektresultat abgeliefert habe, aber es wurde "klar, dass die Projektziele den neuen Anforderungen der Schweizer Benutzenden nicht vollständig gerecht wurden. Die Projektbeteiligten wurden sich gewahr, dass die ursprünglichen Projektziele teilweise neu festgelegt werden müssten, um diese neuen Anforderungen der Benutzenden abzudecken. Dies hätte sich auf die Kosten und die Umsetzungsdauer des Projekts ausgewirkt", so der offizielle Brief.
"Zahlreiche grundlegende Änderungen"
Der Verein lässt offen, welche neuen Anforderungen seit der Ausschreibung Ende 2016 und dem Zuschlag im Mai 2017 auftauchten und erst im Laufe der Umsetzung klar wurden. Auf Anfrage von inside-it.ch präzisiert Stefan Sutter, Alt-Regierungsrat aus Appenzell Innerrhoden und Präsident des Vereins Simap, was zum Projektabbruch führte: "Das Projekt erreichte aufgrund intensiver Arbeiten mit ED die Grenze der verfügbaren Ressourcen, die vom Verein zur Verfügung gestellt wurden. Im Rahmen der Testphase durch Testbenutzer erwiesen sich zahlreiche grundlegende Änderungen als notwendig. Selbst bei einer Priorisierung von Anpassungen hätte die geplante Einführung des neuen Systems auf unbestimmte Zeit verschoben werden müssen. Dies wäre mit einer Überschreitung des beschlossenen Projektbudgets und damit mit einer erheblichen finanziellen Belastung des Vereins verbunden gewesen", schreibt uns Sutter.
Das wirft gleich mehrere Fragen auf. Wieso ist man an "die Grenzen der verfügbaren Ressourcen" gestossen? Darum die Frage ans Seco: Wie viele Ressourcen hatte das Seco-Team: "Für die Projektleitung wurde in Absprache mit dem Verein simap.ch ein externes Teil-Mandat (40 %) vergeben. Die Projektleitungs-Stellvertretung wurde durch eine Person im Seco sichergestellt. Das Projekt wurde fachlich zu jeder Zeit einwandfrei geführt", schreibt Sprecherin Livia Willi auf Anfrage. Die Stellvertretung sei von einem erfahrenen Projektleiter mit Hermes-Zertifizierung wahrgenommen worden.
Sie bestätigt zudem, dass "simap2019" auch nach Hermes geführt worden sei. Dieses Wissen führt zu interessanten Punkten, nämlich der Qualität der Ausschreibung, den für die Offertstellung genannten Spezifikationen sowie zum späten Entdecken, dass "grundlegende Änderungen" nötig seien.
Laut Seco-Sprecherin hat ein vom Verein eingesetztes Change Advisory Board (CAB) die Spezifikationen als Grundlage für den Zuschlag verfasst. Dieses sei aus Vertretern des Bundes, der Kantone und den Anbietern aus der Privatwirtschaft zusammengestellt worden.
Warum der Abbruch erst jetzt?
Das klingt nach einem soweit einleuchtenden Setting. Darum stellt sich beim geballten Fach-Know-how im CAB die Folgefrage ans Seco: Welche grundlegenden Anforderungen können Sie als Beispiel nennen, welche nach dem Zuschlag hinzukamen und erst in der Testphase entdeckt wurden? "Über Details im Zusammenhang mit dem Ausstieg aus dem Projekt wurde mit dem Lieferanten im Rahmen der einvernehmlichen Vereinbarung Stillschweigen vereinbart", antwortet die Sprecherin.
Womit immer noch unklar ist, wieso erst jetzt ein Stopp erfolge, von Problemen war nämlich schon länger die Rede. Vereinspräsident Sutter antwortet: "Der Entscheid, das Projekt abzubrechen, fiel Ende Februar durch den Vereinsvorstand. In den folgenden Wochen hat das Seco mit ED eine Vereinbarung getroffen und eine gütliche Beendigung des Projekts erreicht. Daher konnte die Kommunikation erst kürzlich erfolgen."
Diese gütliche Einigung beinhaltet erkleckliche Ausgaben. Initial wurde vom Seco der Zuschlag für 1,64 Millionen Franken erteilt. Dafür sollten die Griechen eine Schweizer Version ihrer Beschaffungs-Software ePPS liefern. Davon sind bei Projektabbruch fast 600'000 Franken weg. "Im Rahmen eines Vergleichs mit dem Softwarelieferanten (ED) entstanden Kosten in der Höhe von 596'684 Franken, diese werden durch den Verein getragen", sagt dessen Präsident.
Das Projekt sei vollständig durch den Verein simap.ch finanziert. In dessen Vorstand ist neben dem Seco und mehreren Kantonsvertretern auch das BBL, beziehungsweise die Beschaffungskonferenz des Bundes BKB vertreten, und stellt den Vereinsgeschäftsführer.
Was bleibt, was kommt
Seitens der griechischen Firma, die den Zuschlag mit einer Luxemburger Adresse erhalten hatte, gibt man sich auf Anfrage zu Details wortkarg. ED antwortet schlicht mit der gleichlautenden Mitteilung wie der Verein. Die Firma, dies sei hier gesagt, ist kein Niemand. Sie erzielt laut eigenen Angaben einen Jahresumsatz von 40 Millionen Euro bei einem EBITDA von 20 Prozent und zählt 600 Mitarbeitende, die IT-Lösungen für Staaten bauen.
Was konnte ED für die 600'000 Franken liefern? Was bleibt von "simap2019" übrig? "Die Lieferung einer testfähigen Basislösung", so das Seco.
Was man damit machen kann, muss offenbleiben. Auf unbestimmte Zeit müssen sich zudem alle mit der heutigen simap-Lösung zufriedengeben. Auch die Konsequenzen des Abbruchs sind unklar. Das Seco schreibt: "Der Verein simap.ch wird in Abstimmung mit seinen Mitgliedern (dem Bund und den Kantonen) das weitere Vorgehen zur Erneuerung der Software festlegen und darüber informieren."
Seitens des Vereins sagt Präsident Sutter: "Vorerst erfolgt eine Analyse und eine Definition von künftigen Zielen und Strategien durch den Vereinsvorstand. Es wäre verfrüht, sich jetzt zu einem Zeitplan zu äussern. Der Vorstand setzt jedoch alles daran, diesen neuen Weg zu definieren. Eine Neuausschreibung wird mit Sicherheit das Beschaffungsrecht beachten." (Marcel Gamma/Philipp Anz)