KI-Forscher erhalten Physik-Nobelpreis

8. Oktober 2024 um 13:13
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John Hopfield (l.) und Geoffrey Hinton (r.). Illustration: Niklas Elmehed / Nobel Prize Outreach

John Hopfield und Geoffrey Hinton haben mit ihrer Grund­lagen­forschung die Basis für heutige KI-Systeme geschaffen. Dafür wurden sie jetzt ausgezeichnet.

Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an den US-Amerikaner John Hopfield und den Kanadier Geoffrey Hinton. Sie schufen mit ihrer Arbeit eine Basis für die heutigen Systeme mit Künstlicher Intelligenz. Den Forschern seien entscheidende Erfindungen gelungen, die maschinelles Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen ermöglichten, teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mit. "Das maschinelle Lernen auf der Grundlage künstlicher neuronaler Netze revolutioniert derzeit die Wissenschaft, die Technik und das tägliche Leben."
Die frühen Modelle von Hopfield (91) und Hinton (76) legten auch wichtige Grundlagen für Entwicklungen, die heute einen grossen Einfluss haben. "Egal wo man hinschaut, neuronale Netzwerke stecken überall drin", sagte der Informatik-Professor Benjamin Grewe von der Universität Zürich (UZH) und der ETH Zürich zur Nachrichtenagentur 'Keystone-SDA'.

Vom Gehirn inspiriert

Laut der Königlich-Schwedischen Akademie wird maschinelles Lernen seit langem in Bereichen eingesetzt, die aus früheren Nobelpreisen für Physik bekannt sind – etwa, um die riesigen Datenmengen zu sichten und zu verarbeiten, die für die Entdeckung des Higgs-Teilchens am Cern in Genf erforderlich waren.
Die Technologie wurde ursprünglich von der Struktur des Gehirns inspiriert. In einem künstlichen neuronalen Netz werden die Neuronen des Gehirns durch Knoten dargestellt, die sich durch gegenseitige Verbindungen – ähnlich wie Synapsen im Gehirn – beeinflussen. Das Netzwerk wird trainiert, indem zum Beispiel stärkere Verbindungen zwischen bestimmten Knoten aufgebaut werden.

"Godfather of AI"

"Geoffrey Hinton wird oft als der 'Godfather of AI' bezeichnet, und das zurecht", sagte Rasmus Rothe, Gründungsvorstandsmitglied des deutschen KI-Bundesverbandes. Seine Arbeit sei über Jahre grundlegend für das gesamte Forschungsfeld gewesen. Auch Hopfield habe durch seine Innovationen in essenziellen Bereichen die Basis für viele Fortschritte im maschinellen Lernen gelegt.
Dass sie den Preis für ihre Entwicklungen ab den 1980er-Jahren erst heute erhalten, ist für den Zürcher Forscher nicht überraschend. "Damals war noch keinem klar, dass das einmal durch die Decke gehen wird", sagte Grewe. Grundlagenforschung habe oft keine direkte Anwendung.

Hopfield-Netzwerk und Boltzmann-Maschine

John Hopfield entwickelte ein nach ihm benanntes Netzwerk, das eine Methode zum Speichern und Wiederherstellen von Mustern verwendet. Der in Grossbritannien geborene Geoffrey Hinton verwendete dieses als Grundlage für ein weiteres Netzwerk: die Boltzmann-Maschine. Diese kann lernen oder charakteristische Elemente in einer bestimmten Art von Daten – etwa bestimmte Elemente in Bildern – erkennen.
Forschung und Entwicklung in diesem Bereich sind in den vergangenen Jahren rasant vorangeschritten. Moderne Systeme basieren auf komplexeren Architekturen und können mit enormen Datenmengen umgehen. "Die Arbeit der Preisträger ist bereits von grösstem Nutzen. In der Physik verwenden wir künstliche neuronale Netze in einer Vielzahl von Bereichen, beispielsweise bei der Entwicklung neuer Materialien mit spezifischen Eigenschaften", sagte Ellen Moons, Vorsitzende des Nobelkomitees für Physik.

Vorausberechnete Materialeigenschaften

Auch bei der Messung von Gravitationswellen, kollidierenden Schwarzen Löchern oder der Suche nach Exoplaneten kommen solche Systeme zum Einsatz. Eigenschaften von Molekülen und Materialien werden vor­aus­berechnet – etwa um zu bestimmen, welche Materialien besonders günstige Eigenschaften für die Verwendung in effizienteren Solarzellen haben könnten.
Neben immer neuen und erweiterten Anwendungsbereichen für maschinelles Lernen gibt es aber auch Diskussionen über ethischen Fragen zur Nutzung solcher Technologien. Hinton selbst kündigte im Jahr 2023 seinen Job bei Google Brain, dem KI-Forschungsteam des Unternehmens, um frei über die Risiken von KI sprechen zu können. Er veröffentlichte zusammen mit anderen führenden KI-Forschern mehrere Stellungnahmen zu dem Thema. Demnach sehen sie in KI eine potenzielle Gefahr für die Menschheit und rufen dazu auf, die Risiken ernst zu nehmen.

Zahlreiche Forschungsgebiete

Hinton wurde in London geboren und studierte an der Universität Cambridge zunächst Philosophie und Physik, ehe er zu experimenteller Psychologie wechselte. Seine Doktorarbeit schrieb er im Jahr 1978 bereits über KI. Später zog er in die USA, wo er die Grundlagen neuronaler Netzwerke erforschte. Weil ein Grossteil der KI-Forschung in den USA damals vom Militär finanziert wurde und er den Einsatz der Technik im Kampf ablehnte, ging er 1987 nach Kanada.
Hopfield stammt aus Chicago. Er studierte Physik und arbeitete in verschiedenen Laboren, ehe er Anfang der 1960er-Jahre zunächst an die University of California in Berkeley und dann an die Princeton University wechselte. Über zahlreiche Stationen, etwa bei der US-Weltraumbehörde Nasa und in einem wissenschaftlichen Beratungsgremium des US-Präsidenten, kehrte er 1997 nach Princeton zurück. Dort, wo er einst Professor für Physik war, ist er heute Professor für Molekularbiologie.
"Was mich immer noch am meisten fasziniert, ist die Frage, wie der Geist aus der Maschine kommt", erzählte Hopfield in einem Interview mit dem Wissenschaftsmuseum Franklin Institute. Deswegen beschäftige er sich in seiner Forschung mit dem Gedächtnis.

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