Illustration: Erstellt durch inside-it.ch mit Midjourney
Studien zufolge hat Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt ein Akzeptanzproblem. Eingesetzt wird sie dennoch, aber oft heimlich. Das ist für Unternehmen in vielerlei Hinsicht problematisch.
"Es gibt wenig Forschung, welchen Einfluss Künstliche Intelligenz auf ein Team hat." Das sagte Jan Schmutz, der sich an der Universität Zürich (UZH) mit Teamdynamiken in Organisationen beschäftigt. Im Rahmen eines Medienworkshops der Digital Society Initiative an der UZH referierte Schmutz über die Rolle von KI in der modernen Arbeitswelt.
Künstliche Intelligenz befinde sich in einem Wandel. Sie werde autonomer und entwickle sich vom reinen Textgenegerierungs-Werkzeug weiter und eigne sich zum Beispiel auch für Brainstormings. Es geht also vermehrt um Interaktion statt nur um die Erstellung von Texten oder Bildern.
KI führt zu Koordinationsfehlern und schlechteren Leistungen
Jan Schmutz
Diesbezüglich ist es laut Schmutz entscheidend, wie akzeptiert KI-Tools als "Mitarbeitende" oder "Teamkollegen" sind. Und die Forschung hat dazu eine relativ klare Antwort: wenig bis gar nicht. Der Einbezug von KI behindere das gemeinsame Verständnis der Aufgabe und erschwere die Kommunikation. Sie führe darüber hinaus zu vermehrten Koordinationsfehlern und schlechteren Leistungen, so das Zeugnis verschiedener Studien aus dem Ausland.
Die Gründe dafür verortet Jan Schmutz auf der psychologischen Ebene. "Wenn man mit Maschinen statt mit Menschen arbeiten muss, fühlt man sich weniger zugehörig." Ausserdem sei das Vertrauen in Menschen generell höher als in Maschinen, aber "das wird sich mit der Zeit ändern." Dabei helfe, wenn die KI ihre Zuverlässigkeit und Verlässlichkeit beweist. Mehr Vertrauen liesse sich auch entwickeln, wenn die KIs eine physische oder zumindest visuelle Präsenz haben – zum Beispiel in Form von Avataren.
ChatGPT 4o spielt in einer anderen Liga
"Stand jetzt", sagte Schmutz, seien Künstliche Intelligenzen noch nicht in der Lage, als effektive Teammitglieder zu agieren. Die Betonung auf den Status Quo sei wichtig, weil "die Forschung der Realität oft hinterherhinkt". Bester Beweis dafür: Schmutz musste mit dem Erscheinen von ChatGPT 4o sein Fazit zu einem Abstract umschreiben. Bei der aktuellen Veränderung geht es primär um die "Theory of Mind", also die Fähigkeit, die mentalen Zustände (anderer) Menschen zu verstehen und entsprechend darauf zu reagieren.
Während dies für ChatGPT 4.0 und vergleichbare Modelle nur schwer möglich war, beherrsche das Nachfolgemodell diese Disziplin erstaunlich gut. Das sei "eine andere Liga", kommentierte Schmutz. Eine aktuelle Studie bestätigt dies: KI beherrsche die "Theory of Mind" mittlerweile besser als Menschen, heisst es im Wissenschaftsmagazin 'IEEE Spectrum'.
"Management by KI" ist keine gute Idee
Einen weiteren Negativpunkt sieht Schmutz, wenn Vorgesetzte KI einsetzen, um zum Beispiel Zielsetzungen oder die Zeitplanung zu überprüfen. Er spricht von "Algorithmic Management" und dem Delegieren von Managementfunktionen an eine KI. Mitarbeitende hätten dadurch nicht nur "weniger Autonomie und soziale Unterstützung", sondern würden auch eine "höhere Arbeitsbelastung" wahrnehmen und ihren Job "weniger kreativ" finden.
Die auf Teamarbeit bezogenen Ergebnisse decken sich nur teilweise mit einer Studie, die die Digital Society Initiative der Uni Zürich selbst durchgeführt hat. Deren repräsentative Ergebnisse belegen, dass sich die Wahrnehmung von Künstlicher Intelligenz seit ChatGPT verglichen zur Zeit davor spürbar verändert hat. So hat die Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz in allen abgefragten Szenarien abgenommen. Gleichzeitig stieg der Wunsch nach menschlicher Kontrolle. Auch eine fast gleichzeitig durchgeführte Befragung der Stiftung Risiko-Dialog kommt zum Ergebnis, dass fast die Hälfte der Bevölkerung KI als Bedrohung wahrnimmt.
Transparenz wird noch zu sehr vernachlässigt
Tomas Chroust
Verzichten Unternehmen deshalb auf den Einsatz von KI? Nein. Zwar gibt es bei manchen Firmen eine "Zurückhaltung, was Künstliche Intelligenz angeht", sagt Tomas Chroust, Partner beim Beratungshaus Bearingpoint im Gespräch mit inside-it.ch. Das liege aber weniger an der vermeintlich geringen Akzeptanz, sondern primär daran, dass viele Unternehmen dieses Thema noch nicht in ihre Geschäftsstrategie integriert haben. Erst wenn Unternehmen beginnen, den Wert ihrer Daten und die neuen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz zu erkennen, können sie ihr volles Potenzial ausschöpfen und wettbewerbsfähige Vorteile erzielen, so Chroust.
Das Beratungshaus hilft eigenen Angaben zufolge seinen Kunden, KI-Strategien zu entwickeln und dabei Technologien verantwortungsbewusst und vertrauenswürdig einzusetzen. Dazu gehört, dass unter anderem "Objektivität, Transparenz, Sicherheit, Robustheit, Verantwortlichkeiten" geregelt sind, zählt Tomas Chroust auf. Gerade Intransparenz sei "besonders zu adressieren", doch auch seine Kunden sehen in diesem Thema viel Aufholbedarf. "Kommunikativ wird immer noch zu wenig gemacht", sagt Chroust. Das könne nicht nur zu einem Vertrauensverlust bei Kundinnen und Kunden führen, sondern auch dazu, dass die Awareness bei Mitarbeitenden für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz fehlt. Stichwort "Schatten-KI", also der Einsatz von KI-Werkzeugen ohne das Wissen des Arbeitgebers.