KI und KMU: Ja, es gibt einen Hype, aber das ist nicht nur schlecht

12. Februar 2024 um 15:02
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Foto: Mostafa Meraji / Unsplash

ChatGPT und Co. haben einen Hype ausgelöst, auch bei KMU. Das habe aber auch für viel Neugierde gesorgt und Transformations­projekte angestossen, sagten AWS-Vertreter im Gespräch.

In kleinen Unternehmen fehlt häufig das Know-how, um Digitalisierungs- oder Transformationsprojekte anzugehen. Man brauche aber nicht zwingend spezialisierte Leute wie Chief Digital Officers, um sich neue Technologien wie Künstliche Intelligenz zunutze zu machen. Dies sagten Claire Gribbin und Ben Schreiner am Rande der AWS-Veranstaltung Reinvent in Las Vegas.
Gribbin ist beim Cloud-Anbieter für das globale KMU-Segment verantwortlich, Schreiner leitet den Bereich Business Innovation und Go to Market in den USA. Die beiden haben mit inside-it.ch über Herausforderungen und falsche Auffassungen bei ihren Kunden gesprochen.
Viele Unternehmen haben mit einer herausfordernden wirtschaftlichen Lage zu kämpfen. Wie sieht es bei Ihren Kunden aus? Haben KMU damit begonnen, ihre IT-Budgets zu kürzen oder beispielsweise Cloud-Projekte zu verschieben?
Ben Schreiner: Die Kunden, mit denen ich mit unterhalten habe, reagieren empfindlich auf die Wirtschaftslage. Da nicht klar ist, es weitergeht, sind die KMUs eher konservativ mit ihren Entscheidungen. Aber Cloud kann auch eine Möglichkeit sein, die Ausgaben zu reduzieren. Daneben fokussieren sich die Unternehmen auf die Kundengewinnung und das Ziel, effizienter zu werden. Im Idealfall können sie diese Einsparungen weiter in neue Technologien investieren, wenn wir die aktuelle Ungewissheit überwunden haben.
Claire Gribbin: Einsparungen sind immer ein Thema und grosse Ausgabenposten sollen möglichst vermieden werden. Cloud kann hier Abhilfe schaffen, da eben nicht auf einen Schlag viel Geld in Infrastruktur investiert werden muss. Gleichzeitig erhalten Unternehmen Zugang zu neuen Technologien, die es ihnen – hoffentlich – ermöglichen, zu wachsen und innovativ zu sein. Es gibt so viele Beispiele von KMU, die ganze Branchen umgekrempelt haben.
Sie nannten Kosten, Effizienz und Wachstum. Mit welchen weiteren Herausforderungen sehen Sie KMU konfrontiert?
Ben Schreiner: Zwei Punkte möchte ich hervorheben: Unternehmen wissen zwar, dass sie über viele Daten verfügen. Aber sie wissen nicht, wie sie sie zusammenführen und nutzen können, um beispielsweise bessere Entscheidungen zu fällen. Zweitens fehlt es ihnen anders als den Grossunternehmen an einer CISO-Funktion. Bei beidem wollen wir mit unserer Technologie und unseren Best Practices helfen.
Claire Gribbin: Den ersten Punkt möchte ich unterstreichen. Die Hälfte der KMU-Geschäftsführer versteht nicht, welche Art von Einblicken sie mit Daten erhalten könnten. Das ist eine echte Herausforderung für sie.
Ohne Daten können die Vorteile von KI nicht genutzt werden. Der Launch von ChatGPT hat einen Hype ausgelöst und plötzlich interessieren sich auch die CEOs und nicht mehr nur die CIOs für KI. Wie weit sind Ihre Kunden?
Claire Gribbin: Es gibt viel Neugier und ja, auch ein Hype. Aber das ist nicht zwingend schlecht, denn so können wir eine Unterhaltung starten. Die zentrale Frage muss aber sein: Welches konkrete Problem soll gelöst werden?
Ben Schreiner: Es geht darum, einen konkreten Use Case zu finden, zum Beispiel die Verbesserung des Kundenservices, und dann die passende Technologie zu wählen. Sich eine Technologie auszusuchen, um dann ein Problem zu finden, ist der falsche Weg. Die CEOs wissen meist, wo Probleme bestehen oder womit sie am meisten Zeit verschwenden. Sie wissen zum Beispiel, worüber sich Kunden am meisten beschweren, auch wenn sie nicht jedes Detail bis runter auf die Datenebene verstehen. Hier kommen wir ins Spiel.
Gibt es falsche Vorstellungen, die Sie immer wieder beobachten?
Ben Schreiner: Ja, ein Irrglaube ist, "ich kann das nicht". Sie fühlen sich überwältigt, überschätzen die Dauer oder verstehen die Technologie nicht.
Claire Gribbin: Und sie glauben, dass es sehr viel Know-how und sehr spezialisierte Leute wie Data Science braucht. Für all das sind wir oder unsere Partner da.
Das klingt ein bisschen so, als wären die Erwartungen in KMU zu niedrig. Aber gibt es auch solche, die über das Ziel hinausschiessen.
Ben Schreiner: Es gibt Unternehmen, die sehr ambitioniert sind. Dann ist es wichtig, dass entweder wir oder unsere Partner zwar das Momentum unterstützen, aber vor allem auch kleine, sinnvolle Zwischenziele aufzuzeigen. Wenn es 18 Monate oder gar Jahre geht, bis Erfolge erkannt werden, geht die Motivation verloren. Werden aber erste Etappen schnell erreicht, bringt das Selbstvertrauen und Schwung.
Welche Fehler machen KMU sonst noch, wenn sie ihre Transformationsprojekte angehen?
Claire Gribbin: Ein wirklich häufiger ist, dass sie ihre Server-Kapazitäten nicht richtig einschätzen. Sie möchten eins zu eins vorgehen und sind sich nicht bewusst, dass sie sehr viel Geld sparen könnten, wenn sie mit weniger Rechenleistung arbeiten und nur bei Bedarf skalieren. Auf der nicht-technischen Seite gibt es den offensichtlichen, dass Unternehmen nicht immer verstehen, dass es mit der digitalen Transformation auch einen Kulturwandel braucht.
Ben Schreiner: Den grössten Einfluss haben hier Führungskräfte, sie müssen Vorbild sein. Die Geschäftsleitung muss gemeinsam auf Ziele hinarbeiten. Es reicht nicht, wenn einzelne Mitarbeitende versuchen, Projekte und einen Wandel voranzutreiben. Wenn die Leidenschaft von oben fehlt, wird sich auch kein Erfolg einstellen. Wenn die Dinge nicht gut laufen, verlieren die Leute irgendwann das Interesse.
Interessenbindung: Die Gespräche wurden an der Reinvent geführt, zu der die Autorin vom Hersteller eingeladen wurde (Flug, Unterkunft).

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