10?! Dirk Lindemann, Direktor des BIT

14. Dezember 2020 um 10:03
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Der erfahrene Bundesinformatik-Chef über die Zukunft des CIO, das Tempo des Wandels und das CC in Mails.

Monatlich beantworten namhafte Schweizer IT-Persönlichkeiten 10 Fragen, die man ihnen selten oder gar nicht stellt.
1. Was war Ihr erster Computer und woran erinnern Sie sich speziell dabei?Dirk Lindemann: Das erste Mal, als ich mit einem Computer in Berührung kam, war mit einem Commodore 64 bei einem guten Freund. Lange hatte ich dann überlegt, mir ebenfalls einen solchen zu kaufen, habe mich dann aber für einen Commodore 128D entschieden. Im Nachhinein hätte es damals wohl auch ein C 64 getan, die Computerspiele waren nicht besser auf dem C 128D.
2. Welchen Informatikberuf möchten Sie selbst nicht (mehr) ausüben und warum?Ich hatte einige unterschiedliche Aufgaben in meinem bisherigen Berufsleben, die ich alle sehr gerne ausgeübt habe. Jede davon würde ich auch wieder ausüben, da alle auf ihre spezielle Art spannend waren.
Während meines BWL-Studiums habe ich im IT Service in verschiedenen Bereichen gearbeitet, von der Werkzeugausgabe über die Ersatzteildisposition bis hin zum Callcenter. Die Arbeit in einem Callcenter fand ich dabei besonders anspruchsvoll: einmal das Problem des Kunden anhand dessen Beschreibung schnell zu verstehen und zum anderen den oft unzufriedenen Kunden freundlich weiterzuhelfen. Ich bewundere die Mitarbeitenden, die diese Aufgabe jeden Tag mit der gleichen Motivation bewältigen. Wenn es also etwas gibt, was ich nicht mehr so gerne ausüben würde, dann sicher Callagent in einem Callcenter.
3. Wohingehend wird sich die Stelle eines CIO/Ihre Stelle in den nächsten Jahren verändern?Dem CIO kommt eine massgebliche Rolle im Unternehmen zu. Er ist Motor der Digitalisierung. Es braucht aber sicher mehr als einen Motor, um bei der Digitalisierung erfolgreich zu sein. Die Fachbereiche müssen ihre Aufgaben und Prozesse neu überdenken und an die Herausforderungen der Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle anpassen.
Daher wird der CIO zum Partner der Fachbereiche und Treiber der Transformation der Organisation. Seine Aufgabe ist, mit Technologie das Erhalten und Ausbauen des Wettbewerbsvorteils sicherzustellen. In der Verwaltung geht es hingegen darum, die Verwaltungsprozesse sinnvoll zu digitalisieren und für die Unternehmen, sowie Einwohnerinnen und Einwohner die Verwaltungsleistungen einfach, effizient und transparent bereitzustellen.
Daher muss der CIO zukünftig, neben einem fundierten Wissen über neue Technologien, auch über ein ausgeprägtes unternehmerisches Wissen verfügen. Er wird so vom IT-Leiter zum Transformator der Organisation.
4. Was raten Sie einem jungen Informatiker, der Karriere machen will?Wer in den Beruf startet, sollte möglichst breite Erfahrungen sammeln. Gerade im IT-Bereich sollte man stets offen für Neues sein. Die Technologien und Zusammenarbeitsformen ändern sich stetig und rasant weiter. Wer den laufenden Wandel gewohnt ist, hat keine Schwierigkeiten, sich neuen Gegebenheiten anzupassen. Empfehlen kann ich zudem, an Hackathons teilzunehmen. Dort kann man viel Neues lernen und Kontakte zu Gleichgesinnten aufbauen. Das kann in der späteren Karriere viele Türen und Gelegenheiten öffnen.
5. Was konnten Sie erst in der jetzigen Rolle über Technologie lernen und nicht vorher?Das ist eine schwierige Frage. Gerade in der heutigen Zeit mit den rasanten Technologiewechseln und neuen Betriebsmodellen lernt man jeden Tag etwas dazu. Dieser schnelle Takt ist die grösste Herausforderung – früher war das noch nicht so akzentuiert.
6. Hat die Informatik etwas abgeschafft, das Sie vermissen?Die IT hat in den letzten Jahren viel verbessert und ich vermisse weder Papierberge noch den Tischrechner auf dem Schreibtisch.
Es gibt aber schon ein paar Themen, die ich im Alltag vermisse. Früher habe ich Informationen nur dann bekommen, wenn es wirklich wichtig für mich war, weil es für den Absender Arbeit bedeutete, das Dokument nochmals zu kopieren und per Umschlag zu versenden. Heute bekommt man einfach alles, weil es keine Mühe kostet, meine Mailadresse ins CC einzufügen.
Zudem vermisse ich, mal offline zu sein. Egal ob im Geschäft oder privat, es wird immer davon ausgegangen, dass man Nachrichten liest und darauf unmittelbar reagiert.
7. Wird es im Laufe der Karriere einfacher oder schwerer, sich für Technologie-Versprechungen zu begeistern?Ich bin immer für neue Technologien zu begeistern, aber mit der Zeit entwickelt man ein besseres Gefühl, worauf man bei den Technologie-Versprechungen achten muss und was sich realistisch auch in der Praxis bewähren kann. Gerne kann man mal ein Experiment wagen, wenn es um einen kleinen Einsatz geht. Aber am Ende geht es um den effizienten Einsatz der Mittel und damit um den Return of Investment.
8. Was/Welche Technologie wird in den nächsten 5 Jahren Ihrer Meinung nach den grössten Einfluss auf Ihre Branche haben? Und warum?Den grössten Einfluss in den nächsten 5 Jahren erwarte ich durch die zunehmenden Cloudservices und den Wandel zu "Anything as a Service"-Modellen, die einen starken Umbruch in der bisherigen IT bedeuten. Neue Services wird man in den nächsten Jahren fast nur noch so beziehen können. Praktisch alle Hersteller richten ihre Business-Modelle darauf aus, um den Preiszerfall in der IT zu bremsen.
Dazu kommen Themen wie Big Data, da die Nachfrage nach Daten und der daraus zu erwartende Nutzen sehr gross ist, sowie API mit Microservices, was die Entwicklung deutlich beschleunigt. Am Ende darf das Thema Artificial Intelligence (AI) nicht fehlen, auch wenn man sich streiten kann, was das konkret ist. Mit AI werden wir viele einfache und auch komplexere Tätigkeiten vermehrt der IT überlassen. Ob das für die Gesellschaft am Ende gut oder schlecht ist, wird sich erst nach einiger Zeit zeigen.
9. Gibt es im Moment eine Technologie, die Sie für total überschätzt halten?Ich würde hier Blockchain nennen. Nicht weil die Technologie an sich nicht überzeugen würde, sondern weil der Nutzen erst entsteht, wenn sich unterschiedliche Partner, die bisher allenfalls noch nie zusammengearbeitet haben, zusammenschliessen, um daraus gemeinsam Nutzen zu ziehen. Daher braucht es immer jemanden, der an die Sache glaubt und Vorinvestitionen tätigt, auch wenn der Nutzen dann an einer anderen Stelle entsteht. Nur, wer macht den ersten Schritt?
10. Was haben Sie persönlich aus der Corona-Krise gelernt?Die Corona-Krise hat uns vor neue Herausforderungen gestellt, die wir so nicht erwartet haben. Besonders aufgefallen ist mir, dass unsere Mitarbeitenden über sich hinausgewachsen sind sowie ein grosses Mass an Solidarität mit Kolleginnen und Kollegen wie auch gegenüber anderen gezeigt haben. Es gab zudem viele Initiativen der Mitarbeitenden – auch über die Amtsgrenzen hinaus.
Ich habe gelernt, dass man plötzlich anders zusammenarbeiten und Entscheidungsprozesse massiv verkürzen kann. Wir konnten in kürzester Zeit Homeoffice über Remote-Zugriffe für alle Mitarbeitenden der Bundesverwaltung bereitstellen und haben sichergestellt, dass die Fachämter ihre IT-unterstützten Aufgaben auch unter erschwerten Bedingungen wahrnehmen konnten. Das hat geklappt, weil wir schlicht dazu gezwungen waren. Die Frage ist, was bleibt davon nach der Corona-Pandemie übrig? Ich hoffe, wir können viel davon in der Zeit danach bewahren.
Zur Person:Dirk Lindemann wurde vom Bundesrat per 1. Dezember 2019 zum neuen Direktor des Bundesamtes für Informatik und Telekommunikation (BIT) ernannt. Er ist der Nachfolger von Giovanni Conti und seit Juni 2019 Direktor BIT ad interim als geeignetster Kandidat. Zuvor war er seit 2011 für die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) tätig gewesen, zuletzt als Vizedirektor und Leiter der Hauptabteilung Ressourcen. Zuvor war er CIO / Leiter Informatik der ESTV. Weitere Karrierestationen des Diplom-Betriebswirts waren Atos, Siemens Schweiz sowie Siemens Nixdorf.
Die Fragen stellte Marcel Gamma. Im November beantwortete Jean-Claude Flury, CIO von V-Zug 10 Fragen.

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